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Herr Riegel versucht sich an Herrn Beuys. |
Unklare Grenzen, Interpretationen
Es macht offensichtlich
keinen Sinn, bei den historisch genannten Findungen Hans Peter Riegels in
seinem neuen Beuys-Buch, über einzelne Aspekte im Lebenslauf von Joseph Beuys, wie
seine sowieso nie im Unklaren gewesene Nähe zur Anthroposophie oder das Fehlen (sic!) einer Matura zu debattieren. Wir wollen da nicht, wie in Interviews zum Thema hinlänglich bezeugt, alles in einfachster Manier vermengen ...
Zu den
Gesetzmäßigkeiten im Leben berühmter Persönlichkeiten gehört es, dass
irgendwann, quasi wissenschaftlich arbeitende Gutmenschen auftauchen, die mit Methode vom öffentlichen
Niedergang eben dieser Persönlichkeit profitieren wollen. Herr Riegel ist wohl ebendort ein Künstler, der seine großen Zeiten als Texter und Unternehmensberater, u.a. für die Werbe- und Entertainmentbranche in den 80er und 90er Jahren wohl hinter sich hat. Gelernt ist jedoch gelernt.
Ungebremste Rache?
Die Seitenhiebe
auf Eva Beuys-Wurms und ihre vom Autor explizit negativ herausgestellte
Deutungshoheit machen nicht nur klar, dass Herr Riegel auf vielen Ebenen gut
informiert scheint, sondern auch eine bewusst aggressive, möglicherweise sehr
persönlich motivierte Zerstörungsabsicht, in diesem Fall schlecht verdeckt, warum auch immer, mit
sich herum trägt.
Jene, in
Interviews stets besonders kenntlich gemachte Wissenschaftlichkeit in der
Buch-Recherche erweckt zeitig den hohlen Klang einer unangreifbaren und damit ungebremsten Rache.
Das wäre als
Motiv zumindest emotionaler einzustufen als profanes finanzielles Kalkül, eines
sich besonders gerne am, bereits als besonders kontrastreich einzustufenden, persönlichen Leben von Künstlern wie
Immendorf und Beuys erregenden Autors.
Aber selbst das
ist als schlichte Methode der Yellow-Press hinlänglich bekannt und für jeden gesunden Menschenverstand so zu
bewerten.
Den Beuys Raum ausfegen
Autoren wie Riegel und
die immer neue Opfer benötigende investigative Presse vergessen, dass des Autors
akribische Recherche zu Schlussfolgerungen führt, die widerum beliebte aktuelle
Klischees und Ressentiments gegen Künstler im Allgemeinen und Beuys im
Besondern bedienen.
Mit dem Besen der
Investigation fegt Herr Riegel den Raum Beuys aus – aber der aufgewirbelte Staub
zeigt eigentlich nur, wie nebulös Arbeit, Leben und Werk von Beuys in der Öffentlichkeit
diskutiert worden ist und wie miserabel eine mit Veränderungsabsicht angetretene
Kunstform in unserer Demokratie verortet wird. Da ist eine persönliche Demontage
immer leichter zu bewerkstelligen, als der Versuch von Kunsthistorikern Werk, Leben und Material in sensibler Weise zu beleuchten und für alle verständlich zu machen.
Der offene Weg Beuys
Joseph Beuys war
offenbar zu Lebzeiten als Mensch und als Künstler zu einer sehr besonderen Reise
aufgebrochen, die Herr Staeck kürzlich in einem Interview mit „sehr offen für
Alles“ beschrieb.
Eine solche, auf
das Leben neugierige Haltung, die eine zutiefst künstlerische ist, passt denkbar schlecht in den gegenwärtigen gleichmachenden
Kanon von Gut und Böse und war von jeher angreifbar. Sie entspricht einer
mutigen aber diffizilen Haltung mit Ecken, Kanten, Reibung, Regung – Dinge, die
von vielen beklagt, in unserer Gesellschaft schmerzlich vermisst werden. Heute
steht man, gerade wenn es etwas zu verkaufen gilt, offenbar besser auf der
Seite der etwas einfacher strukturierten, geglätteten Ansichten, wie eben die Herrn
Riegels. Da passen Besonderheiten, menschliche Veränderungsabsichten, Theorien,
künstlerische Wagnisse, politische Visionen, Experimentelles (wie die
Anthroposophie) und der Anspruch auf eine eigene existentielle Wahrheit
offenbar nicht mehr dazu.
Das reaktionäre Weltbild H.P. Riegels
Die Politik Frau Merkels verdeutlicht mit ihrer Attitüde einer politisch einseitig
orientierten Sachgebietsleitung auch die kulturelle Lage in Deutschland.
Ins gleiche,
kulturell gleichgeschaltete, Horn bläst nun der Autor Riegel.
Seit wann aber geht
es im Leben eines Künstlers um demokratische Weltanschauung oder die richtige
Gesinnung? Seit wann soll ein Künstler ein anständiges oder nur ein korrektes
Leben führen? Um nach dem Tod nicht angreifbar zu sein? Und wer bestimmt das?
Vielleicht Herr Riegel?
Er versucht es
offenbar und das ist – immer noch – das Gegenteil einer freiheitlichen
Weltanschauung.
Wir erleben im
Wirken Herrn Briegels ein klassisches Stück reaktionärer Politik in der
Fortsetzung eines alten Titels der Bildzeitung über eine Aktion von Joseph
Beuys:
„Der Professor
lag der Länge nach in Margarine.“
carsten reinhold schulz, 20.05.2013