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Mittwoch, 27. März 2013

Ein Schritt nach vorn: Die erstmalige Beteiligung Düsseldorfer Künstler mit geistiger Behinderung am offiziellen Kunstgeschehen steht fest.

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Gut für die Kunst, gut für Düsseldorf.
Die seit langem drängende Frage, warum die Künstler des Studio 111 bisher nicht an den Düsseldorfer Kunstpunkten teilnehmen durften, konnte jetzt aufgelöst werden. Über neun Monate lang hatte die fatale Sachlage diesen Blog als Künstler-Initiative auf den Plan gerufen, sie war Initialzündung zur Gründung des gemeinnützigen Vereins JASON RØ e.V. und auch der NRW Landesbehindertenbeauftragte wurde involviert. Vieles war unklar, wenig in Bewegung. 
Kriterien
Dabei ging es uns nicht darum, unter allen Umständen Menschen mit einer Behinderung in ein Kultur- und Prestige-Projekt der Stadt zu integrieren.
Ziel war es, das Bild des Künstlers in der Öffentlichkeit differenziert zu diskutieren und deutlich zu machen, das die gestellten Kulturamts-Kriterien für eine Teilnahme an den „Kunstpunkten“ unter keinen Umständen für Künstler mit einer geistigen Behinderung gelten dürfen.
Denn: obwohl in der Regel natürlich kein Akademieabschluss, wie gewünscht,  bei diesen Künstlern vorliegen kann, muss man dennoch von eindeutiger Künstlerschaft sprechen. Das tun ohnehin bereits Düsseldorfer Kunsthistoriker wie Werner Alberg, das tun viele andere Künstler, das zeigen regelmäßige Ausstellungen – auch in Museen. Kompetenz und Solidarität waren sichtbar.
Kunst und soziale Verantwortung
Die Künstler des offenen Ateliers Studio 111 nicht zu beteiligen, bedeutete nicht nur einen fahrlässigen Umgang mit der sozialen Verantwortung und dem Image öffentlicher Institutionen, sondern das Vorgehen negierte in Teilen auch Erkenntnisse der Kunstgeschichte und einen mittlerweile weltweit geltenden Konsens zu diesem Thema.

Erste Formen der Annäherung
Die Lösung brachte vor wenigen Tagen endlich ein gemeinsames, themenbezogenes Gespräch im Kulturamt.

Von der Kulturamtsleitung wurde somit die Teilnahme der Künstler des Studio 111 bei den 2013er Kunstpunkten in einer vorläufigen Gastrolle vorgeschlagen und zugesagt – eine Art priviligierter Partnerschaft – die zwar noch die Idee des Testlaufs in sich trägt, aber eindeutig einen ersten wichtigen Schritt markiert. 

Grosses Interesse an sogenannter Outsider Art
Das interessierte Kunst-Publikum kann im September dann auch in Düsseldorf erkennen, was weltweit für immer größeres Interesse sorgt: die diffizilen Kunsttechniken und Lebenswelten von Künstlern mit geistigen und psychischen Einschränkungen.

Hier erscheint ein uns zugehöriger, aber ebenso eigener Kosmos, der auch in dieser Stadt zu neuen Gesprächen und wichtigen Einsichten führen wird.

Die Kunst, die Künstler und die Stadt Düsseldorf werden von dieser neuen Form der Offenheit und Toleranz in jedem Fall profitieren.
Konzeptuelle Begleitung

Die jetzt von uns erreichte, erstmalige Beteiligung von Künstlern mit geistiger Behinderung an den Kunstpunkten, wird in Kooperation mit dem Kulturamt von mir als Künstler und dem Verein Jason Rø e.V. in Form eines Projekts zu Kunst und sozialer Verantwortlichkeit konzeptionell begleitet. 

Wir freuen uns auf Kommentare und Anregungen in der Kommentarfunktion. 
Danke.
Carsten Reinhold Schulz
 


Freitag, 14. September 2012

Düsseldorf grenzt Künstler mit geistiger Behinderung aus. Ein offener Brief an den Bürgermeister.

Düsseldorf: Nachholbedarf in Sachen Toleranz?

Nach mehreren vergeblichen Versuchen der pädagogischen Leitung, des im Düsseldorfer Stadtteil Lohausen beheimateten Ateliers Studio 111, an den sogenannten „Kunstpunkten“ teilzunehmen, wurde den zumeist geistig behinderten Künstlerinnen und Künstlern eine Teilnahme an der jährlich stattfindenden Prestige-Aktion des Kulturamts, in diesem Jahr erneut verwehrt. 

Aus Sicht des gemeinnützigen Vereins für die Förderung geistig behinderter Künstler und Art Brut, JASON RØ e.V., spricht die Wiederholung der Ablehnung und damit der tatsächlichen Ausgrenzung deutlich gegen einen Zufall.
Das in Trägerschaft des Deutschen Ordens existierende Haus St. Josef kann bereits auf eine langjährige, unter den Nationalsozialisten ausgesprochen leidvolle, Erfahrung in der Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung zurückblicken.
In dem, zum Haus gehörenden, geräumigen Atelier arbeiten seit Beginn der Gründung im Jahre 1994, unter Anleitung von geschulten Pädagogen, etliche Künstler in verschiedenen Arbeitstechniken.
Obwohl das Studio 111 an Messen und Kunstausstellungen teilnimmt, ist das Kulturamt Düsseldorfs offenbar nicht gewillt, diese intensive künstlerische Auseinandersetzung mit anderen Künstlern gleichzustellen. Schon bei leichtem Nachdenken über das Thema Kunst und Behinderung, kann der fehlende Besitz einer persönlichen Künstlerkarte als Grund für den Ausschluss am öffentlichen Atelier-Rundgang wohl nicht ausreichen.
Mit diesem offenen Brief will der Verein „JASON e.V.“ und das Blogprojekt „Der Künstler als Kritiker“ Bürgermeister Herrn Dirk Elbers und alle Verantwortlichen der Stadt dazu aufrufen, endlich Schritte zu unternehmen, die einem solch intoleranten und rückständigem Betragen innerhalb des städtischen Kulturapparates Einhalt gebieten.

Dringender Gesprächsbedarf ist offensichtlich – gerade im Hinblick auf eine menschliche, weltoffene, kulturaffine Stadt.

Weitere Informationen:


Carsten Reinhold Schulz
Der Künstler als Kritiker 

Mittwoch, 9. Mai 2012

Kunsthaus Kannen, Robert Burda, Art Brut

Robert Burda: Art Brut im Kunsthaus Kannen
     Kunst kann immer im Zuge der Arbeit entstehen, die man aus einer besonderen geistigen Eigenart und Sicht heraus entwickelt. Jeder Versuch einer begrifflichen Trennung, bezogen auf Kunst von Menschen mit geistiger Behinderung und solcher von sogenannten Gesunden, ist leicht als phobisch zu identifizieren und daher grundsätzlich überflüssig. Diese Art von Abgrenzung stellt sich dar, zumindest je länger man lebt und Augen und Ohren gelegentlich offenhält, höchstens als eine beidseitig durchlässige Membran, als Ansammlung wechselseitiger Empfindungsoptionen. Die Grenzziehungen werden augenscheinlich und vermutlich ein bisschen zwanghaft von denjenigen gesucht, denen eine unklare geistige Beschaffenheit des Menschen nicht wenig Furcht einflößt.

     Wer Lust hat etwas über Kunst zu lernen und sie in einer seltenen Vollständigkeit erleben möchte, kann dies im Kunsthaus Kannen unweit von Münster tun. Sie werden sehen: dort zu sein ist ein wenig wie „nach-Hause-kommen“. Die von der Brüdergemeinschaft der Alexianer betriebene Psychiatrie in Münster betreut Menschen mit geistigen Behinderungen oder seelischen und psychischen  Erkrankungen. Das Kunsthaus liegt zwischen den offenen Gebäudekomplexen des Geländes und umfasst Ausstellungsraum, Shop und Atelier. Das Atelier, in dem künstlerische und kunsttherapeutische Arbeit wie selbstverständlich miteinander verbunden wird, ist nicht nur architektonisch integriert – durch die gläserne Offenheit der Situation ist es praktisch ein Teil des Ausstellungsraums – oder wahlweise umgekehrt.

     Am letzten Wochenende waren dort hellsichtig zu nennende Papierarbeiten des Art-Brut Künstlers Robert Burda zu sehen. Er schafft es, mit feinem Farb- oder schwerem Filzstiftauftrag eine sehr klare und mit einer gewissen Distanziertheit beobachtete Welt wiederzugeben, die er mit warmer Emotionalität und sehr persönlicher Verortung zu beeindruckenden, zwischen Technik und Kontemplation liegenden Bildern, verquickt.

     Parallel dazu wird eine Ausstellung angehender Kunsttherapeuten der Münchner Kunstakademie gezeigt, die sich in vielfältiger Weise mit Ihrer eigenen Arbeit und dem besonderen künstlerischen Klima im Umkreis des Kunsthaus Kannen auseinandergesetzt haben. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir dabei eine prozessuale Gestaltungserklärung der Künstlerin Franziska Haider. Durch eine starke Ritualisierung ihrer eigenen Zeichenmethode, macht Sie einen Schritt der Annäherung auf die im Atelier des Alexianer Kunsthauses arbeitenden Patienten und ihre fragile Methodik zu, ohne den Nimbus von Anbiederung oder Über-Theoretisierung. Herausgekommen ist, neben ihren vielfältigen menschlichen Kontakten vor Ort, ein Kunstprojekt, das in seiner gelungenen Ästhetik den Spagat zwischen der Annäherung an den innovativen Kosmos, der, oft als fremd empfundenen künstlerischen Erscheinungsformen von Patienten mit gesitiger oder seelischer Behinderung, einer kunsttherapeutischen Recherche und dem direkten Bezug zu aktueller Kunst, spielerisch herzustellen vermag.

    Es ist wohl die erlebte Vollständigkeit, sichtbar zwischen den gezeigten Arbeiten, dem Kunsthaus, den Gemeinschaftswohnhäusern, dem Atelier, den Künstlern und den Patienten/Bewohnern vor Ort, die den Besuch im Kunsthaus Kannen zu einem menschlichen Erlebnis werden lässt. Denn der Mensch steht hier im Mittelpunkt des Geschehens: ein ausnehmend plausibler Maßstab für Künstler und für Betrachter.
Unbedingt empfehlenswert.



Kunsthaus Kannen
Alexianerweg 9
48163 Münster
www.kunsthaus-kannen.de