Montag, 29. März 2010

Theater machen. Schliessen. Feuern.

















Verwundert. Erstaunt. Empört. Das, in etwa, sind die Reaktionen der oft zitierten Kulturmacher auf die Ankündigungen vieler Politiker mit dem Kulturverfall ernst zu machen. Nicht nur die deutschen Theater sind davon betroffen. Reaktionen von Freunden des Kulturbetriebs, die auch phonetisch nicht weit entfernt sind von den immergleichen Worthülsen der politisch Verantwortlichen, die längst ein konzentriertes Lager aus opportunistischen Kurzsichtigen abgeben. Na klar, es wird gespart, rundherum, speziell an der Kultur, Kultureinsparungen lassen sich bei den vorgestellten Bild-Lesern einfacher, „liquider“ beschönigen. Warum wohl sonst das schwächste Glied in der Kette staatlicher Finanzierungsmodule nehmen?
Die Distanz von Hemd und Hose. Eine schnell als Headline postulierte Angst, es wäre demnächst kein Schiller, Shakespeare oder Kleist mehr an den deutschen Spielstätten zu hören und die Kultur werde verrotten ist jedoch übertrieben. Hier scheint man nicht mehr an die Kultur zu glauben, sondern nur noch an die Ernte. Anpassungsfähigkeit ist eine Bedingung zu jeder Zeit, auch für die immerwährende Selbsterneuerung.
Ein Beispiel: In der Musikindustrie haben die Zeichen durch MP 3 und illegale downloads sehr lange auf Sturm gestanden. Jetzt ist klar, die Bands müssen wieder auf Tournee gehen, sie müssen sich das Geld mit Bühnenauftritten verdienen oder auf der Strasse spielen. Das Internet hat sich dabei als mediales Anschubverfahren angeboten und es wird genutzt. Musik ist vielfältiger und sichtbarer geworden.
Eine Version könnte sein: auch das politische Theater fährt über die Dörfer, kulturelle und politische Bilder werden eigenständig, die Monopolisierung der selbsternannten Kulturstädte schwindet und selbstgeformte kulturelle Kräfte entstehen in Regionen, von denen niemand irgendetwas erwartet hat. Unkontrolliert und kraftvoll. Verstörend und Respektlos. Direkt und schön. Das hat Umschichtungen zur Folge; auch die der Pfründe und Verbindungen. Die neuen Schichtungen in der Kulturlandschaft liessen womöglich präziser nachdenken, auch über Werte und alles was uns menschlich zusammenhält. Denn die Kultur sorgt für diesen Zusammenhalt und nicht die ausgegebenen Parolen der politische Sachverwalter. Das hat nicht bei Kohl funktioniert und wird es nicht bei Merkel, die ebenfalls nicht in der Lage scheint ihre Machtfülle mit gesellschaftlich relevanten Zielen so zu koppeln, daß „Wachstum“ nicht immer nur auf den Wirtschaftapparat bezogen werden müsste. Zu den entscheidenden Werten gehört die schnelle Entscheidung darüber, ob man den zukünftigen Generationen unserer Gesellschaft verlängerte Kernkraftwerkslaufzeiten – ohne mit der Wimper zu zucken – aufbürdet. Ob das Nachfünfundvierzig-Deutschland tatsächlich auch im jungen Jahrtausend wieder beim Export von Waffen an einer der ersten Stellen stehen sollte. Ob es richtig sein kann beim Schutz der Erde eine geradezu schamlose Nachlässigkeit an den Tag zu legen. Wundervoll wäre dagegen die Vorstellung eine autark aufgebaute und vom Staatsäckel unabhängige Kultur könnte Modell sein, auch gegen die unmenschliche Praxis das Recht auf sinnvolle Arbeit mit dem Anspruch auf irgendeine belanglose Tätigkeit zu verwechseln, die Menschen temporär ruhigstellen soll, jedoch keine Perspektive vermittelt. Nach Maßgabe dieser kleinen Entwürfe darf man die Theaterschließungen mit anderen Augen betrachten. Wären da nicht die lautstark protestierenden Kulturvertreter, die jetzt als eben solche sichtbar werden. Sie werden den Protest weiterhin in käsiger SPD-Manier in Demonstrationen tragen und die Kraft der Entwicklung, mit bestem linken Gewissen und ohne weitere Reflektion auf dem Tellerrand der Kulturpolitik zermahlen.
Visionen gehen wohl anders: Vorhang auf für eine weitere eingeschlafene Revolution ...

Donnerstag, 11. März 2010

PHÄNOMENAL zeigt junge Kunst in der WGZ Bank
























 Eine Kunstausstellung „Phänomenal“ zu nennen, erzeugt natürlich eine regelrechte Begriffsautobahn, auf der sich Goethe, Lambert, Husserl oder Heidegger mit den zugehörigen phänomenologischen Einsichten in ihren intellektuellen Karren gegenseitig überholen können. Eine regelrechte Freude für Kuratoren und Kulturjournalisten. Letztendlich geht es auch bei diesen Philosophen einfach nur um Wahrheit, Irrtum und Schein, um die Wahrnehmung all dieser Dinge. Unmittelbarer kann man die Wesenheit von Kunst mit ihren Unsicherheiten derzeit nicht auf den Punkt bringen.
Wenn sich die diesjährige, von der WGZ Bank Düsseldorf bereits zum dritten Mal durchgeführte Ausstellung von Meisterschülern und Absolventen der Kunstakademie Münster gut in das kulturelle Klima eingebettet zeigt, muss das an vielen funktionierenden, qualitativen Faktoren liegen.
Wer zuhörte, konnte bereits bei der Eröffnung festzustellen, dass für die Kunst-Verantwortlichen der Bank Sensibilität und Veränderung offenbar erwünschte Größen sind. Das verdient gerade in dieser Kombination Respekt, das sortiert sorgsam gepflegte Vorurteile aus. Die Eröffnungsansprache von Bank-Kulturchef Thomas Ullrich war kurzweilig und klar, wie die folgende Einführung von Prof. Ferdinand Ullrich eben diesen Namen absolut verdiente. Er steuerte den hochinteressanten Katalogtext bei, der sich sensibel mit den Lebens-Bedingungen von Künstlern und den Lehrinhalten in Akademien auseinandersetzt. Das verdient Beachtung, denn solange es solche profunden Überlegungen an Kunstakademien gibt, dürften Gedanken an die Abschaffung dieser freien Ausbildungsstätten obsolet sein.
Zusammengestellt wurden Künstler und Kunstwerke von Ralf Hartweg und Wolfgang Spanier, die Ihr kuratorisches Können durch ein hohes Maß an Künstlernähe und der erstmaligen, überfälligen Einbettung von anderen künstlerischen Medien wie Fotografie und Video gut zeigen konnten. So waren auch Reflexionen in Richtung Malerei möglich, die selbstreferentiell mittels des guten alten Tafelbild nicht möglich gewesen wären – Beispiele sind da z.B. die Fotografien Jörg Linnemanns oder die Mixed-Media Video-Arbeit von Anja Claudia Pentrop.
Künstler die gerade ihr Studium abgeschlossen haben, müssen nicht fertig sein, der zusätzliche Reiz ihrer Arbeiten liegt in der noch vorhandenen Offenheit und in der Nähe zum Experiment. Um so mehr freut bei dieser Ausstellung, neben der Freude über das Fehlen plakativ-extremistischer Werke, die sich immer wieder anders zeigende große Klasse mancher Bilder und Skulpturen. So wirkt die Elefanten-Plastik von Sun-Hwa Lee gerade aufgrund ihrer scheinbaren Einfachheit des Ansatzes oder wegen der verunsichernden mitteleren Größe, lange im Kopf nach. Anfängliche Zweifel weichen jedoch bald der Einsicht, das die Künstlerin hier auf geheimnisvolle Art alles richtig gemacht hat. Genauso bemerkenswert sind die etwas verstörenden Fotografien (und Performances) von Bianca Voss. Durch reale Widergängermodels aus Comic/Film oder der Einbindung der eigenen Person spielt sie gekonnt und ohne plakative Übertreibung mit unseren Vorstellungen und den Rollen in der Fotografie. Eine malerische Entdeckung ist auch Marianne Völker und Daniela Neuhaus (Bild oben), die gerade mit kleineren Formaten nachhaltige Wirkung hinterlässt. Die Ausstellung  ist demnach gelungen, was selbst durch die etwas schwierige Raumsituation, einen durch vier Eckstellwände nach innen verdoppelten Raum, nicht verhindert wird. Diese Aufteilung ist vermutlich dem fulminanten Andrang bei der Eröffnung geschuldet. Somit hatten die etwa 400 anwesenden Besucher, von denen etliche als Größen des nationalen und internationalen Kulturbetriebs identifiziert werden konnten, ausreichend Platz, um eine gelungene, mit spannenden Positionen versehene Ausstellung durch ihr Kommen zu fördern. Denn der Fördergedanke und die Nähe zu den Akademien Düsseldorf und Münster ist es schliesslich, der diese Ausstellungsreihe vor sechs Jahren begründete.
Um den Kreis zu vollenden, möchte ich mit einem philosophischen Begriff aus der Theorie der Phänomene, der sogenannten „Abschattung“, die einen so deutlichen Bezug zur Malerei hat, zum Ende kommen. Sie bezeichnet die Tatsache, das wir Menschen die Dinge nie mit einem Blick vollständig werden sehen und erfassen können, was in der Perspektive, also unserem Standpunkt begründet liegt.
In Bezug auf die Lebendigkeit der Kunst ist dies ein durchaus nützlicher Umstand. Er wird hoffentlich junge Künstler weiterhin motivieren, die sich abdunkelnden Erkenntnislücken phantasievoll zu beleuchten.
Empfehlenswerte Ausstellung.


Die Künstler:
Jihoon-Ha, Sujin Kim, Barbara Kupfer, Sun-Hwa Lee, Jan Linnemann, Daniela Löbbert, Nico Mares, Bettina Marx, Daniela Neuhaus, Anja-Claudia Pentrop, Marianne Völker und Bianca Voss wurden zur Präsentation bei „Phänomenal“ ausgewählt.
Die Kuratoren:
Ralf Hartweg (WGZ Bank), Wolfgang Spanier
Ausstellungdauer: 10. März – 16. April 2010, WGZ Bank Düsseldorf

Ein Katalog zur Ausstellung „Phänomenal“ mit Texten von Prof. Ferdinand Ullrich ist erschienen:
 ISBN 978-3-00-030320-3

Samstag, 6. März 2010

Galerie Christian Nagel und die Dummheit



















Die derzeit laufende Ausstellung in der Kölner Galerie Christian Nagel beherbergt Bilder von D. Sittig. Die eigentlich angenehm unprätentiös und unaufdringlich wirkenden Galerieräume zeigen ein wenig wahllos verteilt graue Malereien auf Tafelbildern in ansatzweise pastos wirkender Manier. Man kann nicht allzuviel dazu sagen, was nicht schon des öfteren zu solchen und ähnlichen Bildern gesagt worden wäre – auch die wohl konzeptuell angedachte Beschränkung auf Stil und Farbwirkung wirkt forciert. Der schriftliche Hinweis, es handele sich dabei um Aussagen zu „Dekade und Dekor“ verspricht jedoch eine theoretische Unterfütterung des Ganzen. Obwohl an der Arbeitsbar der Galerie zwei Personen Datenmaterial in schöne iMacs hackten, fand sich niemand bereit einige Worte über die Ausstellung oder den Hersteller der Arbeiten zu verlieren. Als einziges Material war ein Pressetext zu erhalten, der mit einer geradezu grotesken Inhaltsleere beeindruckte. (Er kann bei Interesse über diesen Blog als Kopie des Orginals angefordert werden)
Einen solchen Text auf Besucher, Interessierte, Kunstfreunde und die Presse loszulassen, offenbart das Lässige der Präsentation schnell als tiefste Nachlässigkeit und bodenlose Leere des Auftritts. Hier scheinen sich die Haltungen des Malers mit denen der Galerie zu decken.
Bis jetzt hatte ich die Galerie Nagel für eine professionell arbeitende Galerie gehalten, dieses Bild lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Kompetenz und Sensibilität lösen sich in einem solchen Text auf zu einem giftigen Gebräu der Unseriosität. Es lässt sich mit Komik nicht mehr aufhübschen. Das tatsächlich (es folgen Zitate): „Entsetzen Nostalgie“, eine ominöse „Rektalanamnese der Zeit“ und die „Provokation forcierter Relikte“ eine „zweifach gerichtete Bewegung als solche“ erst ermöglichen ist genauso unwahrscheinlich blöd, wie auch „... eine Ausstellung, die obwohl nur Bilder, eigentlich keine am besten zeigt“ (grammatikalisch insgesamt bedenklich).
Das lässt jeden wirklich Interessierten fahrlässig, früher nannte man das „verarscht“ zurück. Da ist auch mit viel Wohlwollen keine künstlerische Haltung zu finden die vielleicht im positionierten Desinteresse, falls es so etwas überhaupt gibt, münden oder aufgefangen werden könnte. Eher hat man die Empfindung, hier versucht man zu beweisen, das sich veraltete malerische Positionen und Desinteresse an allem Lebendigen, unschwer auch noch besoffen, bekifft oder total gelangweilt in ein Konzept heben lassen.
Es gilt: je höher das Äffchen steigt, desto freier es sein Ärschlein zeigt. Es gibt etliche Galeristen die mit Kompetenz, Überzeugung und harter Arbeit für Ihre Künstler und auch ihre sinnvolle Vermittlung einstehen. Davon sollte es mehr geben. Von solchen Texten weniger.
Die Galerie Christian Nagel ist derzeit nicht zu empfehlen.

Mehr zur Dummheit.

Donnerstag, 4. März 2010

Schwarzarbeit als Alternative zu Olympia



Es gleicht einer regelrechten sportlichen Befreiung, zu sehen, wie das hier kaum praktizierte Schwarztheater ein simples Tischtennisspiel zu einem aus der Zeit und dem Raum gehobenen Kunststück macht. Die Vermeidung der totalen Illusion ist dabei genauso schön wie der plötzliche Perspektivwechsel bei dem man als Zuschauer in die Vogelperspektive geschossen wird. Die olympischen Spiele hätten einige lustvolle Momente und Erkenntnisebenen mehr. Und das die Gewinner immer schon vorher feststehen macht die Sache noch symphatischer. Sinnvolle Schwarzarbeit.

Montag, 1. März 2010

Micatone und Tindersticks in Düsseldorf



















Das ZAKK ist als Spielort für eine Band nicht immer ein schönes Erlebnis, zeigt sich die Halle oft als unsinnlich und als emotional etwas schwer aufzuheizen. Das hätte an diesem Abend jedoch auch an der kruden Publikums-Mischung aus geschminkten Spätintellektuellen und gehemmt-blasierten Sozialpädagogen liegen können, um nur ein paar schwer bewegliche Vorurteile zu benennen. Immerhin spielten die als legendär eingestuften Tindersticks auf, die mit sehr wenigen Plakaten in Düsseldorf, ohne Nennung des Support-Acts angekündigt waren. Fans mögen das Legendäre an den Tindersticks nachvollziehen wollen, ich höre mir nach diesem Abend wieder verstärkt die Gruppe Lambchop an. Warum die Fälschung nehmen, wenn man auch das Original hören kann. Das ist letztendlich spannender instrumentiert und arrangiert, der Sänger stirbt nicht permanent so offensichtlich theatralisch und der Rest knödelt auch nicht mit angezogener Handbremse vor sich hin.
Nein, schlecht war es trotzdem nicht. Die Zugaben waren von echtem Gefühl getragen, da hätte es losgehen können, aber da war eben schon wieder Schluss.
Last-but-not-least: früher hieß man Vorgruppe, heute ist das ein Support-Act und der wurde von der Band MICATONE aus Berlin geleistet. Ich sage geleistet, weil der Auftritt eine schöne, klare musikalische Leistung war. Sängerin Lisa Bassenge brachte beim Auftritt gleich eine glitzernde Spur Klasse und laszive Eleganz ins pseudo-linke ZAKK, die Band mit Boris Meinhold, Paul Kleber, Hagen Demmin machten professionell musikalischen Ernst. Irgendwie kam mir die Stimme der Sängerin bekannt vor, aber erst als ich schon wieder zu Hause war habe ich meine sträfliche Wissenslücke füllen können: die als New German Chanson selbst vom Mainstream-Magazin Stern gefeierte Band Nylon, ist eine weitere musikalische Heimat der Mitglieder von Micatone. Das Lied des Abends war vielleicht „Pearldiving“. Ich kann mich gut daran errinnern, weil es überhaupt nichts pomadiges hatte und diverse brilliante Sängerinnen in meinem Hirn vorbeischauten um die Band zu beglückwünschen. Allen vorgetragenen Songs wünscht man vielleicht noch etwas mehr Brechung, dann umschifften sie noch sicherer die entfernte Klippe eines möglicherweise zu poppig-glatten Vortrags. Es gibt über Micatone viele interessante Dinge im Netz zu entdecken: z.B. Auftritte in Berliner Yogastudios mit Falke Legware als Sponsor, das ist mal richtig schräg ... Ich wünsche MICATONE eine Menge Support aus jeder guten Richtung und muss einen Konzertbesuch der Band dringend empfehlen.

Zur Musik von Micatone.

Photo: ©kulturproduktion2010 Düsseldorf