Freitag, 21. Januar 2011

Galerie Ruth Leuchter, Jan van der Ploeg, Flingern

























Es ist besonders schön zu sehen, wie zeitbezogene theoretische Vorurteile zur Farbfeldmalerei oder der Op-Art im Nichts verpuffen, sobald man vor, bzw. innerhalb der Arbeiten steht. Der 1959 in Amsterdam geborene Ploeg ist mit seiner Kunst weit entfernt davon behäbig zu wirken. Im Gegenteil. Mit diesem Künstler, der glücklicherweise keine Angst vor seiner Zuneigung zum Design zu haben scheint, wirkte die Galerie von Ruth Leuchter wieder als die direkteste und frischeste beim ersten Galerienrundgang in Düsseldorf-Flingern 2011. So ist es sicherlich nur ein Zufall, das der Ausstellungsraum nicht in der Gruppenliste der gemeinsam eröffnenden Galerien in diesem Stadtteil mit beworben wird: die starken, griffigen Farben der mural-paintings leuchteten bis auf die Strasse und stellten ihre archtektonischen Fragen nicht nur innerhalb der Galerieräume. Ansichten wie bei modernen Schattenspielen taten sich wie nebenbei in den Fenstern auf. Die Tendenz einiger Künstler hin zu temporären Arbeiten, die sich auch in dieser Ausstellung zeigt, ist ein Schritt in eine vergängliche Schönheit, die jede Farbwirkung, gerade in dieser raumbezogenen Form, deutlich mit Musik verbindet.
Auf jeden Fall anschauen oder anhören ...

Jan van der Ploeg
Galerie Ruth Leuchter
Düsseldorf Flingern

Mittwoch, 19. Januar 2011

Street Art, die Stadt, der Tod.























Die Methoden der Vereinnahmung und jede werbestrategische Mehrfachnutzung sogenannter Street-Art-Künstler und Sprayer sind Legion und werden gerne mit selbstgefälliger Attitüde besprochen.
Es gibt keinen Grund über die Eingliederung von Street-Art in den Kunstmarkt besorgter zu sein als über die zu schnelle gesellschaftliche Absorbtion jeder anderen Kunstform auch. Wenn man allerdings Alex Rühles kleinlaute Auslassungen zur Street-Art in der SZ liest, mag man aufhorchen: scheint selbst ein manifestiertes Ranking solcher Kunst in den Neuerscheinungen des Buchmarktes für den Autor kein diskussionswürdiges Problem dazustellen. Eine ursprünglich tribalistisch und sozial motivierte Form der Selbstdarstellung wird hier mit Methode genialisiert und dem zugeführt wohin alle Kunst wandert – behält sie nur lange genug eine gewisse Ähnlichkeit – um gelabelt zu werden: in einer verkürzten Anerkennung als Produkt. Die Street-Art birgt allerdings Möglichkeiten neuer gesellschaftlicher Einsichten, die weit über städtische Fahrradkarten, auf denen die neuesten Arbeiten von Banksy oder Slinkachu verzeichnet sind, hinausgeht. Die Besprechung erinnert fatal an die verstümmelt rezipierte Version von „Jeder Mensch ist ein Künstler“ durch die Bild-Zeitung der 60er bis 80er Jahre, die zwar zu einem Zuwachs von Malkursen an Volkshochschulen führte, jedes revolutionäre Moment der Kunst jedoch zu verhindern wußte (siehe letzter Blogbeitrag). Das diese öffentliche Rolle jetzt der Süddeutschen Zeitung zukommt bestürzt.
Aber es sind auch die Künstler selbst die den Diskurs leichtfertig verschenken. Der öffentliche Raum und die Marke „Street-Art“ sind nicht nur für Firmen interessant, sie eignen sich ebenso aus Künstlersicht zur Selbstpopularisierung in Manier der Guerilla-Werbung. Der Umstand das Künstler sich meist selbst vermarkten müssen wird gerne vergessen. Er passt nicht so recht zum verträumten, idealisierten Künstlerbild. Die Entwicklung der Street-Art/ Urban-Art hat zu einem Rundum-Design des Öffentlichen geführt, durch soziale Netzwerke und YouTube ebenso vervielfacht wie instrumentalisierbar. Die fühlbaren Nischen und blinden Flecke einer Gesellschaft sind mittlerweile in den stylischen Präsentationsmodus geschaltet. Todd James u.a. liefern eine verdünnte Biennalemusik dazu.
Es beginnt jetzt die Zeit, in der die öden und für Sprayer unerreichbaren Flächen unter den Brücken der Stadt zu einer uniquen Dimension der Stille reifen.

Zur Weiterentwicklug der Street Art

Donnerstag, 13. Januar 2011

Johannes Stüttgen auf der Birkenstrasse und das Kapital kommt nach Flingern


























Den gegenseitigen Begrüssungen zufolge wirkte es wie ein Treffen alter Bekannter, die der Einführung in den erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys durch Johannes Stüttgen beiwohnen wollten. Ort: ein Kunstverein auf der Birkenstrasse in Düsseldorf Flingern. Das als kreativ gehypte Viertel Düsseldorfs, in dem die ersten Galerien schon wieder abwandern, ist bestimmt nicht der schlechteste Ort für das Gespräch über einen Kunstzusammenhang, der den gesamten Menschen fordern will. Johannes Stüttgens Unmittelbarkeit im Vortrag wirkt auch deswegen so symphatisch, weil der, trotz seiner langen Erfahrung bei der unermüdlichen Klärung von Fragen, suchende Stüttgen, der im vorgestellten besten Sinne Künstler Stüttgen, immer präsent ist. Nicht nur in einer gelegentlich vorsichtigen Suche nach der formenden, den Sinngehlt weitertragenden Wortwahl, sondern auch in der Gestik und Bewegung zeichnet er so Teile der Arbeit von Joseph Beuys deutlich nach. Es ist jedoch auch eine sprachliche Welt in die hier eingeführt werden muss. Präzise Begriffsdefinitionen und Kontexteinfügungen führen zu strukturierenden Perspektiven, wie bei der Materie und der Erde als Widerstand oder den erweiternden Zusammenhängen von Kapital und Kreativität. Ob am späteren Abend viele der Zuhörer die Über- und Unterschneidungen der Begriffe Substanz, Materie und Material noch so klar verinnerlicht haben werden, wie zum Zeitpunkt des Vortrags, ist schwer zu sagen: gerade in einer Zeit in der das Piktogramm beginnt die Sprache zu bespaßen. Daher ist es eines der Verdienste von Joseph Beuys die Erfahrungen über das Material und die Zeichnung – als ein Urtypus des Bildes – wieder auf menschliche Ebenen gelenkt zu haben, die mit Kopf, Gefühl und Willen nachvollzogen werden können und daher beständig wichtiger werden. Johannes Stüttgen sei unter anderem dafür Dank, daß wir das nicht so schnell vergessen wollen. Eine seiner Publikationen aus dem Jahre 1983 hat mich immerhin mit veranlasst herauszufinden was es bedeutet Künstler zu sein und trotzdem Humor zu haben.
Es hiess nach einem Titel der Bild-Zeitung: „Professor lag der Länge nach in Margarine.“

Johannes Stüttgen liest aus DER GANZE RIEMEN

Dienstag, 11. Januar 2011

Triegel malt den Papst nach Leipzig
























Den Pabst von einem Foto abmalen dürfen und glauben, das sei ein Tabubruch? Das ist sehr lustig, Herr Triegel. Aber so äußern sie sich im Feuilleton der Welt von letzer Woche. Soweit wir alle wissen: der Papst ist mittlerweile ein netter Popstar mit leidlich grosser Anhängerschaft. Das manche ihn für ein Symbol halten ist die kulturelle Tellerrandidee eines schon lange verkauften Sinns. Nicht an eine Avantgarde zu glauben ist ebenso ein Allgemeinplatz, aber daraus falsche Schlüsse zu ziehen ist noch weniger eine Leistung. Sie hätten zudem gern selbst einen Glauben? Na, dann machen Sie sich doch einen, oder nehmen Sie einen aus dem großen Angebot. Glauben kann man alles. Man muss nur wollen. Kunst füllt die Leerstelle der Religion übrigens schon seit langem nicht nur in Ihrer Vorstellung, sondern gefühlt tatsächlich aus, und das eben nicht zum Vorteil der Gesellschaft. Dazu fehlen der Kunst die Möglichkeiten korrektiver Hinwendung und ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Konsens. Wenn man den überhaupt suchen möchte, erreicht man ihn nicht mehr über religiös-mythologische Substrate, gezeugt im Glauben an das Handwerk. Damit stärkt man höchstens das System „Kunstprodukt“ in seiner heutigen, gesellschaftsklitternden Funktion. Fragen nach dem Avantgardismus sind ebenso veraltet, wie ein altmeisterlich wirkendes Gemälde vom Papst Teil jeder Bierwerbung sein könnte. z.B. zwei Japaner und der Papst hängt im Biergarten ... Jedes kreativ motivierte Papstbild ist das Gegenteil eines Tabubruchs. Es ist ebenso konform, so angepasst wie eine sehnsuchtsvoll zurückschauende Maltechnik heute als blosse Methode unter Hunderten gleich gültiger Möglichkeiten erscheinen muss.
Aber: ein toller Hund war auf dem Atelierfoto.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Wutbürger beten.


























Ausdrücklich vermeidet die Deutsche Gesellschaft für Sprache jede Wertung zum Wort des Jahres 2010. Warum eigentlich? Es heißt „Wutbürger“ und keiner weiss wirklich, ob man sich über das Wort freuen kann oder nicht. Vielleicht ist es die phonetische Nähe zu „Gutbürger“ die irritiert? Das Wort ist vor allem deshalb Wort des Jahres geworden, weil es gezählt sehr häufig von der Presse gebraucht wurde, vor allem um die Haltung der Bürger bei den Protesten in Stuttgart zu beschreiben. Was hat die Presse nun dazu veranlasst dieses Wort immer wieder für sich zu nutzen? Welches öffentliche Bild aufständischer Bürger hat man damit erzeugt? Wut ist eine Emotion von grosser Wucht, die in Demokratien unserer Prägung wenig erwünscht ist. Die Verbrämung des Wortes mit Aspekten des undefiniert Bürgerlichen verschleiert die Kraft dieser Emotion. In Wirklichkeit wurde in Stuttgart ein Aufstand niedergeschlagen. Die Demonstrationen zu Stuttgart 21 war auf keinen Fall ein Zusammentreffen von Wutbürgern. Das soll in etwa so harmlos klingen wie ein Wettessen von Hamburgern oder das Feiern mit Blutsbrüdern. Die Redaktionen der führenden Presse dürfen wahrlich nicht stolz sein auf dieses Wort.
Es betet die Demokratie weiter herunter.


Ein echter Bürger.