Donnerstag, 10. Oktober 2013

Jason Rø, Carsten Reinhold Schulz und das europäische Forum Outsider -Kunst

Stand Jason Rø, Carsten Reinhold Schulz mit der Fahne aus der
Fotoserie „Künstler, wollt ihr ewig leben?“, 2013
und Bilder aus dem Studio 111


Das internationale Forum für Outsider-Kunst mit dem Titel „2x2“ ist am 6. Oktober 2013 zu Ende gegangen. 
Beinahe zwei Dutzend offene und geschlossene Ateliers, Gruppen, Klinikbereiche, pädagogische Einrichtungen und Galerien hatten sich in der Alexianer Kunsthalle Kannen in Münster eingefunden, zwecks informativen Austauschs und um die verschiedensten Ansätze, die eine Beschäftigung mit Formen der Kunst und Kreativität in diesem Bereich zeitigt, diskutieren zu können. Natürlich konnten auch Bilder oder Objekte der Outsider Art gekauft werden.
Aus den annähernd gleichen Gründen habe ich, resp. der Verein Jason Rø, einen der zwei mal zwei Meter großen Stände erhalten: um die Chancen einer mit sozialem und politischem Engagement aufgeladenen Künstlerrolle beleuchten zu können.
Letztendlich steht man jedoch wieder, sattsam bekannt und aller entwickelten Theorie zum Trotz, an einem weiteren Stand auf einer Kunstmesse, die sich kaum von einer der vielen heutigen Kunstmessen unterscheidet. Einerseits hört sich das wie die herbeigesehnte Inklusion an, als sei durch die Ununterscheidbarkeit jede inklusive Vorgabe schon erreicht, anderseits fällt auf, wie breit gestreut die Outsider-Kunst sich heute darstellt und wie wenig städtisches Publikum jenseits der einschlägig orientierten Fachbesucher sich auf dem schönen und gastfreundlichen Gelände der Alexianer vor Münster einfinden.
Dabei ist diese Messe so etwas wie eine europäische Chance. Hier kann man, mit kompetenten Gesprächspartnern, Entwicklungen der sogenannten Outsider-Kunst auf einer überschaubaren, offenen Ebene vorantreiben und Künstler und Ateliers, z.B. als passende Kooperationspartner, finden.
Gerade die Presse versteht es jedoch noch immer nicht, neben ausgedünnt wirkenden Sachinformationen das Thema umfassend und halbwegs Interesse weckend zu behandeln. Zu tief sitzt wohl die Angst das falsche Wort zu finden.
Zu schwer ist offenbar die journalistische Aufgabe feuilletonistische, soziale und menschliche  Zusammenhänge versiert unter einen Hut zu schreiben. 

Noch erscheint die aktuelle Outsider-Kunst als ein prosperierendes, weil europäisch gefördertes Feld von Inklusionsabsichten. Ebenso ist es ein noch ungeliebtes, eher argwöhnisch beäugtes Stiefkind des Kunstbetriebs.
Zudem macht sich Unsicherheit breit, weil gerade der Begriff Outsider-Kunst, mal als Übersetzung des sehr differenziert gemeinten „Art brut“, von Dubuffet erfunden, mittlerweile ein Spektrum an Teilnehmern entwickelt, bei dem Autodidakt und Therapiezentrum sich ebenso Zuhause fühlen möchten, wie es malende Krebskranke, Autisten oder Menschen mit geistiger Behinderung tun sollen. Eine wildes Sammelsurium, möchte man meinen (warum eigentlich nicht?), zeigt sich jedoch gerade anhand dieser Tatsache, wie sehr ein, alle Plattformen überspringendes, Gespräch gebraucht wird, dass eine uferlos wabernde, zu wenig kritisch hinterfragte „Kunst“ im Allgemeinen auf ein gesellschaftlich benötigtes aktuelles Niveau heben könnte. Fragen gäbe es eindeutig genug.
Zur kritischen Auseinandersetzung würde zum Beispiel der Standpunkt gehören, dass die europaweite Förderung von Teilhabe, Eingliederung oder Outsider-Kunst, sich nicht gerade in Deutschland im Buhlen um Deutungs- und Repräsentationshoheiten von immer mehr repräsentativen Hilfsorganisationen und einer wachsenden Zahl darin eingebundener Kuratoren erschöpfen sollte.
Denn diese Gefahr besteht, spätestens wenn jede Kommune das Werbepotential hinter dieser, wie für das Kulturmanagement geschaffenen Idee, erkannt haben sollte. (Über die aus der Zeit gefallene Schwierigkeit die Düsseldorf mit Künstlern mit geistiger Behinderung hatte, wurde einige Blogbeiträge vorher bereits ausführlich berichtet.)
Auch wenn es, wie immer, einzelne Persönlichkeiten sind, die jeden Fortgang der Dinge mit viel Herzblut vorantreiben, wünsche ich mir deutlich mehr Mut zum Gespräch und zur Innovation. Zudem habe ich die Hoffnung, dass sich wichtige gesellschaftliche Gemeinsamkeiten über die Outsider Art bemerkbar machen können, nicht zuletzt um gemeinschaftlich geschützt werden zu können. Dazu ist Solidarität gefragt und nicht das Abstecken von Claims.
Jason Rø e.V. ist aktiver Teil der Recherche zur sozialen Kraft in der Kunst.
www.jason-ro.de

Carsten Reinhold Schulz