Mittwoch, 26. Oktober 2011

Occupy Wall Street, Occupy Düsseldorf: it's 2011

Gebraucht werden u.a.: Kordel, Kisten, Kaffe, Schnüre, Gemüse, Margarine und Feuerlöscher




Occupy Düsseldorf an der Johanneskirche am Tausendfüssler















































Symphatisch: „Echte Demokratie jetzt“ und ein nur lapidar scheinendes „Mitmachen“– so steht es u.a. auf den selbstgemalten Pappschildern und Spruchbändern der Occupy-Düsseldorf Gruppe, die jetzt im Schatten von Tausendfüssler und Johanneskirche ihre Zelte aufgeschlagen hat. Jeden Tag um 19.00 Uhr ist eine Vollversammlung einberufen, an der teilnehmen kann, wer sich für grundlegende Veränderungen in Punkto finanzielles und demokratisches Missmanagement in unserer Gesellschaft interessiert. Mehr noch als Interesse ist natürlich aktives Mitmachen und Unterstützung erwünscht und gefordert. Denn, daß die innige Verflechtung unseres Staats- und Bankensystems nachhaltig negative Folgen zeitigen wird, muss nicht mehr speziell betont werden. Es dürfte im Interesse jeder Bevölkerung sein, von Regierungen geleitet zu werden, die im Sinne der wirklichen Wünsche und Ängste der Menschen handeln und die nicht die ihnen anvertrauten Steuergelder nutzt, um missratene Machtinteressen und rücksichtslose Spekulationsgeschäfte der Finanzwelt auszubügeln.
Wie es auf den Plakaten an der Wand der Johanneskirche zu lesen ist, werden neben der wichtigen öffentlichen Unterstützung  derzeit noch gebraucht: Kordel, Kisten, Kaffe, Schnüre, Gemüse, Margarine und Feuerlöscher.
Hingehen.


Carsten Reinhold Schulz und
Das Zweite Feld der Kunst

Montag, 24. Oktober 2011

„Nie wieder störungsfrei“. Das Ludwig Forum.





































    Es ist ein beeindruckender Titel, den das Aachener Forum Ludwig zu Recht vor sich hertragen darf. Somit zeigt das erste deutsche Museum für aktuelle Kunst zum Abschluss seiner Jubiläumspräsentationen schlüssig seinen eigenen Beginn. Die riesige Sammlung des Sammlerpaars Ludwig ist mit der allerorten gerne beschworenen Aufbruchstimmung der 1960er Jahre in Aachen eng verbunden und hat dort gerne Ihren Ursprung. Der hochaktuelle, animierende Satz Ludwigs, das Museen stets „ohne Furcht“ agieren sollten, wurde bei der Eröffnungsrede von Stadtdirektor Wolfgang Rombey zitiert und konnte in Zeiten kultureller Ziellosigkeit der öffentlichen Hand ein wenig der alten Hoffnung in die Gesichter der zahlreich anwesenden Gäste und Zeitzeugen zwingen.
Die sehr breit gefasste, beinahe wild gemischte Ausstellung kann schon beim ersten Durchschlendern der Räume mit etlichen interessanten und überzeugenden Einzelarbeiten auffallen. Rosenquist, Ramos, Filliou und Spoerri, irgendwie sind wir ja alle mal Avantgarde.
Die Mischung der Werke zeigt jedoch präziser worum es in der Schau geht, als es das Bild der Einladungskarte mit einem entwaffnend blutenden und zielstrebig blickenden Beuys vermag.
Denn nur der Ausstellungstitel „Nie wieder störungsfrei“ verweist deutlich auf eine kulturelle Zäsur, die in der Kunstentwicklung der vorgestellten Jahre stattgefunden haben soll. Nicht jede einzelne Arbeit lässt sich da zwangsläufig einordnen. Muss ja auch nicht. Vor allem wird eine Sammlung zur Begutachtung freigegeben, die sehr umfangreich ist.

    Störungen, vergangene Revolutionen und ihre Gesten sind nicht ohne Grund mit dem Nimbus des Traurigen behaftet. Dieses intensive Gefühl kann den Betrachter tatsächlich erreichen. Starke Emotionen gehen jedoch von den ausgestellten Arbeiten selbst nicht unbedingt aus –vielleicht muss man dazu dabei gewesen sein. Beinahe putzig-hoffnungsfroh, naiv-bemüht empfindet man jetzt einige der Relikte, Kunstobjekte oder Filme, die vor gut einem halben Jahrhundert noch für wilde Furore gesorgt haben sollen. Die Sammlung verfügt dabei über genügend nützliche Exponate, um den Eindruck des zu theoretischen oder zu Video-lastigen, z.B. durch die Hängung eines enomermen Gemäldes auflockernd malerisch zu flankieren oder durch eine flackernde Jenny Holzer im Monumentalen zu bespielen.
    Es wird gar nicht erst versucht, die alte Stimmung beschwörend wieder herzustellen: der zentrale, etwas abgesenkte große Raum, wirkt wie eine Mischung aus selbstgebauter Art Cologne und stylischer Flughafen-Lounge: eingebettet in weißen, elegant wirkenden Sofa-Inseln schaut man Filme wie Zuhause, in denen sich auf flachen Monitoren Menschen in etwas wälzen, das tatsächlich aussieht wie Kuchen. Flüchtige Bilder süßer, aber vergangener Exzentrik? Dokumente sozialer Umwälzungen oder die beginnende Gleichberechtigung der Geschlechter? Nach persönlichen Gesprächen mit Künstlern aus der Zeit darf man sich nicht sicher sein, ob nicht gerade die -60er und -70er Jahre, für die Unterdrückung der Künstlerinnen durch ihre männlichen Kollegen beispielhafte Zeiten waren.
Der eher neutralen Form des architektonischen Ausstellungskonzeptes widersprechen herumliegende, frisch fotokopierte Exemplare der Kunstzeitung „Gegenverkehr“ aus den 1960er Jahren und die zahlreichen Sitzsäcke. Im besten Fall gefühlsbetonende, zeitbezogene Reminiszenzen: die berüchtigten Design-Zitate.
    Die während der Eröffnung laufende Aktion der Taschenkontrollen mit der Markenklebung „O.K.“ am Revers und das fingierte Registrierungsbüro liefen allerdings der Zeit hinterher. Diese Aktion war ein schönes Beispiel für ein gern fehlinterpretiertes Verständnis von politischer Kunst heute – oder war es die Wiederbelebung einer alten Aktion, oder war es gar Realität? Es macht eigentlich keinen Unterschied.

    So wird das aktuelle Museum zu einem sentimentalen Ort, bei dem man vor allem versteht, das die außerhalb des Musealen sich entwickelnden sozialen und politischen „Happenings“ und Aktionen des 21.Jahrunderts, wie die des „occupy wallstreet“ oder des näher liegenden „occupy Düsseldorf“– trotz des Aufrufs zum Museum ohne Furcht – noch nicht als künstlerische Stimme wahrgenommen werden können. Heute sitzt der junge Aufbruch in kalten Zelten und entwickelt dort neue Formen der sozialen Kraft über selbstgemalte Poster. Draußen begehrt die Jugend auf gegen einen wegwerfenden Finanzbegriff und im Museum feiert man sich und einen fünfzig Jahre alten Aufbruch mit bemerkenswert klein gewordenen menschlichen Utopien. Ist es nicht die Generation der Sechziger die jetzt an den Schalthebeln der Macht und des Kulturapperates sitzt? Wo bleibt die Haltung des Aufbruchs dort? Im Pressetext erwähnte aktuelle Bezüge aus dieser Perspektive sucht man in den angekündigten neueren Arbeiten tatsächlich vergebens.

    Aus rein musealer oder didaktischer Sicht ist „Nie wieder Störungsfrei“ sicherlich eine sehenswerte Leistungsschau. Keine Frage: es gibt viele Arbeiten zu sehen, die richtig Freude machen und nicht nur als Erinnerungsstücke funktionieren können. Beeindruckend: Suzan Pitts Asparagus Theatre. Nice to have you back: die wieder aktive Grand Dame der Aktionskunst Chris Reinecke, die zumindest so mutig war eine neue Arbeit zwischen die alten zu hängen, die tollen wegweisenden Sachen von Peter Brüning, die unglaublich frischen Bilder d’Archangelos
Sieht man ja alles nicht so oft.
Auch nicht den besonders seltsam anmutenden kleinen Raum mit Grafik von Robert Stanley, der erst ab einem Alter von 18 Jahren betreten werden darf. Es war zu erleben, daß einige bunte grafische Umsetzungen von sexuellen Handlungen noch heututage zu einem hektischen Zuziehen der Vorhänge durch das Aufsichtspersonal des Museums führen. Eigenartig in einer Zeit, in der zwölfjährige Kinder Hardcorefilme auf Ihren Mobiltelefonen untereinander tauschen. Ist auch das eine Folge des Aufbruchs der 1960er Jahre?
Das Aachener Forum Ludwig hat eine schöne Schau im eigenen Haus produziert und dazu einen überaus sehenswerten Katalog gestaltet.
Ein gewonnenes Heimspiel.



NIE WIEDER STÖRUNGSFREI
Ludwig Forum Aachen
Aachen Avantgarde seit 1964
22.10.-05.02.2012



text und foto ©crschulz, duesseldorf 2011

Montag, 17. Oktober 2011

Düsseldorfer Friedenspreisträger klagt gegen die Meinungsfreiheit.

Menschen hoffen, Wunder kerzen.




Ein Blog eignet sich wegen seiner vorgegebenen Diskussionsfunktion besonders gut,
um ein öffentliches und interaktives, kritisches Medium zu sein: jedem Leser steht eine Kommentarfunktion permanent zur Verfügung. Der Düsseldorfer Friedenspreisträger von 2007, Herr Hubert Ostendorf scheint den massiven Klageweg gegen das Kunst- und Blogprojekt „Der Künstler als Kritiker“ und gegen den Blogger persönlich als Form der Auseinandersetzung zu bevorzugen. Zumindest ist, wegen angeblicher Beleidigungen innerhalb eines konstruktiv-kritischen Artikels, eine mehrseitige Klageandrohung und Schrift seines Anwalts in der Redaktion dieses Blogs eingegangen, die mit einer fünfstellig angesetzten Schadenssumme und hohen zusätzlichen Anwaltskosten versucht, eine kritische Stimme über zweifelhafte Methoden der öffentlichen Kunstvermittlung der Galerie- und Obdachlosen-Organisation fifty-fifty mundtot zu machen. Es zeigt sich darin eine Form der Auseinandersetzung, die man nicht von Menschen erwartet, die im Allgemeinen die eigenen Ziele und Ansichten stets auf der richtigen Seite der Güte verorten.

Aggressiver Schlag gegen ein Kunstprojekt

Tatsächlich soll hier nicht nur die jounalistische Freiheit und damit die Meinungsfreiheit mit dem Holzhammer finanziellen Drucks zertrümmert werden. Allemal ist es auch ein aggressiver Schlag gegen ein dokumentiertes Kunstprojekt, das sich seit 2009 mit den Zusammenhängen von Macht und Kunst beschäftigt - ein Angriff also, den man von einem Galeristen, dem der aktuelle Diskurs innerhalb der Kunst nicht fremd sein dürfte, am wenigsten erwartet. Schlimm ist jedoch, dass der Anwalt des Klägers Ostendorf von der Blogredaktion sogar die Herausgabe von Daten und Adressen Dritter (es sind tatsächlich Ihre Namen und Daten, liebe Leser), unter Androhung von Strafen und Gericht, zu erpressen versucht. (Der anwaltliche Brief steht als PDF-Download zur Verfügung: siehe link unten). Dies ist durchaus mit dem Aufruf zu einer Straftat vergleichbar.

Klassische Unterdrückungsmethoden

Das der Galerieleiter einer sozial orientierten Beschäftigung nachgeht, um die Gewinne aus Kunstverkäufen Obdachlosen zugute kommen zu lassen, scheint den Einsatz klassischer Macht- und Unterdrückungsmethoden, wie den Gebrauch starken finanziellen Drucks gegen die Meinungsfreiheit anderer Menschen, offenbar nicht zu verhindern. Das sich bei einem solch rigiden, antidemokratischen Vorgehen überhaupt anwaltliche Hilfe, durch den Düsseldorfer RA Rainer F., finden lässt, überrascht vollends.
Es gilt: an der in diesem Blog vom 16. September 2011 geposteten Kritik und gestellten Frage ist jetzt mehr denn je festzuhalten: wie weit haben sich Teile der Leitung des Obdachlosenprojekts „fifty-fifty“ von Ihrer eigenen sozial-verantwortungsvollen und sinnvollen Idee entfernt?

Die gute Absicht als Grundlage der Rechtsbeugung?

Mit der unreflektierten Reaktion gegen die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst hat
Herr Ostendorf erneut die ursprünglich gute Idee der Organisation um Bruder Matthäus beschädigt und offenbart, dass er sich selbst zubilligt über dem Recht und den Vorstellungen anderer zu stehen oder stehen zu wollen. Das ist überaus bedenklich zu nennen, denn die gute Tat rechtfertigt niemals die Unterdrückung anders Denkender oder gar Formen der Rechtsbeugung. Diese Art gesellschaftlicher Vorstellung berührt die beängstigende Logik der Ideologien, die freien Menschen unter Androhung von Strafen gute und schlechte Anteile zuweisen möchten.
Geforderte Einsicht, Haltung und die Suche nach neuen Formen sozialer Solidarität scheinen dringlicher denn je.
Ansonsten gilt es mit lauter Stimme zu verkünden:
„Es lebe die Kritik. Es lebe die Meinungsfreiheit. Es lebe die Freiheit der Kunst.“

Carsten Reinhold Schulz



Sie können die Klagedrohung hier nachlesen. Bitte klicken.

Freitag, 14. Oktober 2011

Droste Verlag: zweifelhafter Stadtteilführer „Flingern“

Flingern, Kiez, Kunst, Kultur im Droste Verlag

























Der Düsseldorfer Droste Verlag ist dabei, eine Reihe kleinerer Stadtteil-Führer, also Teilansichten der Stadt herauszugeben. Das dürfte alle diejenigen freuen, denen die bisherigen Stadtführer zu wenig spezialisierte Informationen zu bieten hatten und denen Lokalkolorit wichtig ist. Das neueste, 128 Seiten starke Heft handelt vom Stadtteil Flingern. Es ist trotz der vielen Gentrifizierungsdiskussionen der letzten Zeit mit „Kiez, Kunst und Kultur“ untertitelt. Das Buch handelt – etwa zur Hälfte – von der Geschichte Flingerns, mit Beschreibungen zu Stadtgeschichte und Architektur, die bis in die heutige Zeit hineinreichen und Besuchern und Einheimischen kleine Einblicke in Ihre Umgebung geben können. Allerdings lässt sich schon bei den Bildern des Stadtwerke-Parks das Foto eines Pavillons erkennen, das definitiv geschönt wurde oder viele Jahre zurückliegen muss. Mit der aktuellen und ästhetischen Lage vor Ort hat es nichts mehr zu tun.
Auch bei den Auflistungen der aktuellen Szene-Läden und sogenannter In-Treffs im Stadtviertel fehlen viele der wichtigen und prägenden Läden. Es scheint so zu sein, daß die Autorin des Heftes womöglich eine Auswahl getroffen hat, die von anderen Kriterien abhängig gewesen sein könnte, als von halbwegs objektiven. So fehlen die tatsächlichen und sympathischen In-Plätze wie das langjährig in Flingern ansässige „Café Rekord“ – letztes Jahr von einem renommierten Schweizer Verlag zu einem der hundert schönsten Cafés erklärt – ebenso, wie das „Oma Erika“, ein jeden Tag aus gutem Grund übervolles Café (das Bild der Galerie Leuchter wurde sogar aus der Café-Perspektive aufgenommen). Die echten Feinschmecker werden das zentral auf der Ackerstrasse gelegene „Haschi's“ im Buch vermissen, in dem einer der besten Köche Düsseldorfs mit seiner Frau exzellente Crossover Küche anbietet und gelegentlich der Fussballer Raoul oder der Kaberettist Dieter Nuhr vorbeischauen. Ganz zu schweigen, das von ambitionierter französischer Küche inspirierte kleine Restaurant „Chat noir“ auf der Herrmanstrasse. Es fehlt auch das echte Szene Restaurant „Vitale“ oder das super gelegene vegetarische Restaurant „Sattgrün“. Das gleiche gilt für eine echte Tradition: „Die Erbse“ hat Flingeraner Künstler und Musiker schon mit Kaffee und leckerer Küche versorgt, als beinahe alle im Buch aufgelisteten Lokale noch gar nicht da waren. Es ist nicht im Buch. Da wundert es nicht mehr, wenn das andere gute Lokal der gleichen Besitzer ebenfalls nicht im Heft ist. Vergessen worden sein kann es nicht, denn die gleichnamige „Flurklinik“ ist als ehemalige Entbindungsklinik natürlich beschrieben. Christiane Wink, als eine der innovativsten jungen Schmuck-Designerinnen des Viertels fehlt mit Ihrem wunderschönen Laden „Privat“ ebenso wie der unbedingt sehenswerte Flingeraner Anglerladen fünfzig Meter weiter. Auch nicht zu finden: das vom renommierten Designer Axel Wowereit wunderbar klar gestaltete „Noema“ auf der Hoffeldstrasse, einer der Top Adressen der Stadt, wenn es um Haare geht. Unerwähnt bleiben auch die beiden, im Sommer lange Schlangen bildenden Eiscafé des Viertels. Oder der Germany's next Top Model-Friseur „St. Pauli Blond“, der mit seinem großen Laden auf zum Teil spektakuläre Art und Weise versucht, Kultur, Mode, Party und Lifestyle zu verknüpfen – schon beinahe ein Kulturzentrum ... eindeutig ein Hingucker, wichtig fürs Viertel. Alle soeben aufgezählten Orte zählen zu den eindeutig „bildgebenden“ Momenten der Kultur in Flingern. Warum sind gerade diese nicht in einem gerade erschienenen, halbwegs aktuellen Heft? Alle diese Plätze und ihre Menschen verbindet wohl die fehlende oder ausreichend grosse Beteiligung an den gewerblich orientierten Werbe-Aktivitäten der Autorin, Frau H.-Kranz, im Vorfeld.
Da dies ein Blog über Kultur und Kunst ist, will ich auch über die im Heft auftauchenden, für Flingern exemplarisch erscheinenden Künstler sprechen. Ich hege ständige und große menschliche Sympathie zu den sechs beschriebenen Künstlern Herrn Bouchet, Frau Spook, Herrn Wanner-Krause, Frau Dembny (hat übrigens ihr Ackerstrassen-Atelier vor langer Zeit schon aufgegeben), Frau Etienne oder Frau Felicitas Lensing-Hebben. Der Stadtteil ist jedoch voll mit offener orientierten Künstlerateliers, daher muss ich es so deutlich sagen: die im Buch getroffene Auswahl ist, bis auf eine Ausnahme recht provinziell und schadet dem Kunststandort, der über so viele engagierte und professionell arbeitende Künstler verfügt, eher als er nutzt. Hier war die Autorin im besten Fall zu faul zur Recherche.
Das gegen Ende des Buches, auf mehreren Seiten redaktionell eingebunden, die Autorin Ihre eigenen, gewerblichen Aktivitäten zu den Leistungen und Besonderheiten Flingerns dazu zählt, macht den zweiten Teil des Heftes leider nicht angenehmer. Das ist letztlich schade und ruft eigentlich nach einem neuen Stadtteilführer, der mehr quaitative Einblicke vermitteln und tatsächlich aktuell sein könnte.
Der ansonsten seriöse Droste-Verlag muss sich fragen, ob ein solcher Führer professionellen Merkmalen und Ansprüchen genügt.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

AKKi fliegt: 99 mal Malerei am Himmel






































Morgen, am Freitag geht das diesjährige Drachenkunstprojekt  mit einer spektakulären, fliegenden Ausstellung von 15 -17 Uhr am Himmel zu Ende.
1034 Düsseldorfer SchülerInnen präsentieren 99 Riesendrachen, die sie in den vergangenen Wochen im Akki-Haus bemalt haben. Unterstützt wurden sie dabei von Akki-Mitarbeitern und den Düsseldorfer Künstlerinnen und Künstlern Anke Berßelis, Corinna Bernshaus, Ellen Bernstein, Christa Gather, Bettina Marx, Christian Dünow, Simon Evertz, Nils Hamm, Sebastian Kalitzki und Rainer Schmidt. Jeweils 12 Quadratmeter standen den Gruppen für plakative, großformatige Malerei bereit und damit für alles, was die Phantasie hergab.
So entstanden ebenso spannende wie witzige, märchenhafte und aktuelle, kinderkulturelle Themen. Vom „Spray-Can–Grafitti“ bis zum „XXL-Burger“, vom „fliegenden U-Boot“ bis zum „Luftschlösserbaum“, vom „Karottenmarterpfahl“ bis zum „Riesencomputerspiel“ und vom „Kinodrachen“ bis zum „segelnden Sportplatz“ – die Liste der origineller Einfälle und Skurrilitäten ist schier endlos.
Angesichts des prognostizierten, herbstlichen Sonnenscheins wird das ein poetischer Moment, den sich niemand entgehen lassen sollte, wenn er in Düsseldorf ist.

Hans-Peter Rams 


Drachenkunst-Projekt
Rheinwiesen, Oberkassler Seite
Freitag, 14.10.2011
15.00-17.00 Uhr
 

Dienstag, 11. Oktober 2011

Teil 2: Internationale Briefe an Das Zweite Feld





































Hello.
Off-off, I-freak, You-freak,
da geht’s so long weiter.
Further under lichten Linden,
Linda linda, lindo, Hoh.
Hat sich vermisst, La Dings
in meinem Kopf alleine voll feelings.
Das gewesen:
Quiet alles, but the corpus quietscht,
making purple noisetty noise
permanent spinning la bicycletten
machen voll, mach voll,
die vieux Gelenke schmieren. Nicht true?
Das old Fett sweat
mit voll den T-shirt Flecken
alles Gute für die Sommertime
Oh Weh, Oh Weh, Oh Weh,
Oh Weh, Oh Weh, Oh Weh,
Oh Weh, Oh Weh, Oh Weh.
Ist es nicht again the final?
Zum Year gehen das Ende?
That’s non in Ordre. Hell.
Was kommt noch die Gesamtheit, Menschen?
Ist es so Kurzweil geschehen über nuit?
Über Köpfe? Über alle Köpfe weggesehen.
Komisch point of Sicht, gell.
Dear Friend. Mach es well.
Und weiter. Ja. On and on.
Onononononononononon das.

Grafik (1991) and Text: ©crschulz, Düsseldorf, Oktober 2011

Montag, 10. Oktober 2011

Die Kniende, ist die Kniende, ist die Kniende …

























Die Nachbarstadt Duisburg ist nicht weit und die Ausstellung zu Lehmbrucks „Kniender“ ist gefühlt bereits nah an einem hundert Jahre alten Herzenswunsch.
Parken am Kant-Platz um 11.00 Uhr und dann sind wir nicht die ersten Besucher, die eher betreiberfreundliche Öffnungszeiten ab 12.00 Uhr zur Kenntnis nehmen müssen. Egal.
Die Stadt liegt vor uns, also, rasch noch in die Küppersmühle, dem Museum für aktuelle Kunst vor Ort. Dort ist glücklicherweise schon seit 10.00 Uhr auf. Wunderbar entspannte Räume – toll, die Darboven-Harburg-New York-Nummer. Auf dem Rückweg an Dani Caravans Park und noch mehr vorbei, und ein extremer Regenguss lässt uns die sehr lieben und freundlichen Damen von der Bürgerstiftung Duisburg kennenlernen, die uns zum Trocknen dabehalten und einen Kaffee brühen. Wieso ist man eigentlich nicht öfter in Duisburg? Wir wußten nicht mal, dass es dort eine Stadtmauer gibt ...
Zurück am Lehmbruck-Museum ist es Frau Nicolai die uns einlässt (der Name steht glücklicherweise auf dem Kassenzettel). Sie setzt die Duisburger Riege von freundlichen Menschen an diesem Mittwoch fort.
Schon beim Eintritt ins Museum wird gleich klar, dass in dem, in den 1960er Jahren vom Sohn des Künstlers, Manfred Lehmbruck, entworfenen Bau, andere Betrachtungsbedingungen für Kunst herrschen, als in den meisten „white cube“ orientierten Museen. Hier muss man sich den Blickwinkel unter etwas schwierigeren, weil ungewohnten Rahmenbedingungen suchen. Rechts vom Eingang knubbeln sich die Skulpturen auf relativ engem Raum, unterlegt von schwierigen, grünlichen Sockelfarben, der größte, Foyer-artige Raum des Museums sieht dagegen seltsam leer aus, das zentrale Element des Raums ist nicht die Kniende, sondern die unglückliche Leere vor dem Flügel auf einer flachen Bühne. Möglicherweise ist dieser Zustand, der die Arbeiten Lehmbrucks oder Maillols an die verglaste  Fensterfront drängt, den abendlichen Konzerten geschuldet? Am Fenster zu stehen bedeutet normalerweise gutes, natürliches Licht. In diesem Fall jedoch drängen sich viel zu große Lettern aus roter Schrift – es sind die Namen der von weit herbeigerufenen populären Mitaussteller und Zeitgenossen Lehmbrucks – hinter den Skulpturen ins Auge des Betrachters und hinein in die Empfindung. Ein für die Museums-PR notwendiges Namedropping muss nicht auf Kosten der ausgestellten Arbeiten gehen. Ein wenig zurückhaltende grafische Professionalität bei der Ausgestaltung des größten und damit prägenden Raumes wäre sinnvoll.
Auf die Ausstellung hatte ich mich gefreut, da ich von ihr weitere Einblicke in die gestalterische Welt des Wilhelm Lehmbruck erfahren wollte. Seine Kniende ist mir seit früher Jugend als ein Höhepunkt, aber auch als das Ende der rein figürlichen Skulptur vermittelt worden. Von verschwindenden Anklängen an die Formensprache der Gotik war in meiner Erinnerung gar die Rede. So etwas verblasst gegen die Vorstellung der Knienden als Skulptur der Erneuerung, als eine der Eintrittskarten in den Formenkanon der Moderne. Die Kniende wird wohl beides sein und natürlich rechtfertigt ihre Erscheinung vieles: alle mit ausgestellten Werke großer künstlerischer Zeitgenossen sollen die Bedeutung der Knienden erneut unterstreichen. Die kunsthistorischen Erkenntnisse oder Versuche, die Arbeit sei von den Tänzern seiner Pariser Zeit inspiriert, namentlich von Nijinski und Isadora Duncan, wirken dagegen spröde, sonderbar bemüht. Sie führen zudem zu Endlosschleifen kurzer Duncan-Performances auf Film und uninspiriert wirkenden alten Fotografien von Menschen, die selbst etwas mit Tanz zu tun hatten oder die jemanden kannten der mit Tanz zu tun hatte ..., u.s.w.
Nicht umsonst geblieben ist jedoch mein Versuch, mehr über die Bandbreite des Künstlers in der Duisburger Ausstellung in Erfahrung zu bringen. Man kann leicht feststellen, dass Lehmbruck, trotz seiner gestalterischen Klasse, ein eher schlechter Zeichner war. Sein Strich ist eher unbeholfen, in den zeichnerisch orientierten, aquarelligen Leinwandarbeiten ist er schöner, weich, feminin, zwar oft ohne Hände und Füße, die Mitten betont:  Gesicht, Hals und Brust.
Die in erste Grundformen aufgelösten weiblichen Oberkörper vieler Skulpturen, die halbkugelförmigen Brüste, die kegelhaften Schultern und Oberarme verdeutlichen nicht nur ein ständig wiederholtes, oft beinahe deckungsgleiches Lieblingsmotiv des Künstlers, sie können natürlich als geformte Zeichen der sich anbahnenden, elementar neuen Anschauungen des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts gelesen werden.
Der von diversen starken Materialien und gläsernen Durchblicken geprägte Ausstellungsraum der ständigen Sammlung des Museums dagegen überzeugt schnell, weil er dem Werk Lehmbrucks eine Vielfältigkeit gibt, die man mit der Arbeit des Meidericher Künstlers nicht sofort verbindet - zu dominant ist die Konzentration auf die „Kniende“. Man ist regelrecht erfrischt, ob des Perspektivwechsels bei der Skulptur des auf allen Vieren hockendes Mannes oder des wunderbar lässig modellierten Frauenkopfes.
Das ist schön zu erfahren.
Es ist fraglich, ob eine Anhäufung so vieler Arbeiten so vieler bekannter Kunst-Grössen aus so vielen Museen zum Jubiläumsjahr wirklich notwendig war, gelegentlich erscheinen die Skulpturengruppen dann doch wie kuratorisches Spielzeug. Aber wenn es der Sache und der Forschung dient ...
Eine empfehlenswerte und inspirierende Ausstellung allemal, die – manchmal unbeabsichtigt – viele Dinge hinterfragen und beleuchten kann. Zum Beispiel: liebt man die Kniende lieber in weiß oder in schwarz?
Wir fanden, die weiße Kniende ist sehr überzeugend.
Im Zusammenspiel mit Graffitis sowieso.


carsten reinhold schulz
Der Künstler als Kritiker
Ein freies Kunst und Blogprojekt seit 2009