Stand Jason Rø, Carsten Reinhold Schulz mit der Fahne aus der Fotoserie „Künstler, wollt ihr ewig leben?“, 2013 und Bilder aus dem Studio 111 |
Das internationale Forum für Outsider-Kunst mit dem Titel „2x2“ ist am 6. Oktober 2013 zu Ende gegangen.
Beinahe zwei Dutzend offene und geschlossene Ateliers, Gruppen, Klinikbereiche, pädagogische Einrichtungen und Galerien hatten sich in der Alexianer Kunsthalle Kannen in Münster eingefunden, zwecks informativen Austauschs und um die verschiedensten Ansätze, die eine Beschäftigung mit Formen der Kunst und Kreativität in diesem Bereich zeitigt, diskutieren zu können. Natürlich konnten auch Bilder oder Objekte der Outsider Art gekauft werden.
Aus den annähernd
gleichen Gründen habe ich, resp. der Verein Jason Rø, einen der zwei mal zwei
Meter großen Stände erhalten: um die Chancen einer mit sozialem und politischem
Engagement aufgeladenen Künstlerrolle beleuchten zu können.
Letztendlich steht man
jedoch wieder, sattsam bekannt und aller entwickelten Theorie zum Trotz, an
einem weiteren Stand auf einer Kunstmesse, die sich kaum von einer der vielen
heutigen Kunstmessen unterscheidet. Einerseits hört sich das wie die herbeigesehnte Inklusion an, als sei durch die Ununterscheidbarkeit jede
inklusive Vorgabe schon erreicht, anderseits fällt auf, wie breit gestreut die
Outsider-Kunst sich heute darstellt und wie wenig städtisches Publikum jenseits
der einschlägig orientierten Fachbesucher sich auf dem schönen und
gastfreundlichen Gelände der Alexianer vor Münster einfinden.
Dabei ist diese Messe so
etwas wie eine europäische Chance. Hier kann man, mit kompetenten
Gesprächspartnern, Entwicklungen der sogenannten Outsider-Kunst auf einer
überschaubaren, offenen Ebene vorantreiben und Künstler und Ateliers, z.B. als passende
Kooperationspartner, finden.
Gerade die Presse
versteht es jedoch noch immer nicht, neben ausgedünnt wirkenden Sachinformationen das
Thema umfassend und halbwegs Interesse weckend zu behandeln. Zu tief sitzt wohl die Angst das falsche Wort zu finden.
Zu schwer ist offenbar die journalistische Aufgabe feuilletonistische, soziale und menschliche Zusammenhänge versiert unter einen Hut zu schreiben.
Zu schwer ist offenbar die journalistische Aufgabe feuilletonistische, soziale und menschliche Zusammenhänge versiert unter einen Hut zu schreiben.
Noch erscheint die aktuelle Outsider-Kunst als ein prosperierendes, weil europäisch gefördertes Feld von Inklusionsabsichten. Ebenso ist es ein noch ungeliebtes, eher argwöhnisch beäugtes Stiefkind des Kunstbetriebs.
Zudem macht sich Unsicherheit
breit, weil gerade der Begriff Outsider-Kunst, mal als Übersetzung des sehr
differenziert gemeinten „Art brut“, von Dubuffet erfunden, mittlerweile ein
Spektrum an Teilnehmern entwickelt, bei dem Autodidakt und Therapiezentrum
sich ebenso Zuhause fühlen möchten, wie es malende Krebskranke, Autisten oder
Menschen mit geistiger Behinderung tun sollen. Eine wildes Sammelsurium, möchte
man meinen (warum eigentlich nicht?), zeigt sich jedoch gerade anhand dieser
Tatsache, wie sehr ein, alle Plattformen überspringendes, Gespräch gebraucht wird,
dass eine uferlos wabernde, zu wenig kritisch hinterfragte „Kunst“ im
Allgemeinen auf ein gesellschaftlich benötigtes aktuelles Niveau heben könnte. Fragen
gäbe es eindeutig genug.
Zur kritischen
Auseinandersetzung würde zum Beispiel der Standpunkt gehören, dass die europaweite
Förderung von Teilhabe, Eingliederung oder Outsider-Kunst, sich nicht gerade in
Deutschland im Buhlen um Deutungs- und Repräsentationshoheiten von immer mehr
repräsentativen Hilfsorganisationen und einer wachsenden Zahl darin eingebundener
Kuratoren erschöpfen sollte.
Denn diese Gefahr besteht, spätestens wenn jede Kommune das Werbepotential hinter dieser, wie für das Kulturmanagement geschaffenen Idee, erkannt haben sollte. (Über die aus der Zeit gefallene Schwierigkeit die Düsseldorf mit Künstlern mit geistiger Behinderung hatte, wurde einige Blogbeiträge vorher bereits ausführlich berichtet.)
Auch wenn es, wie immer,
einzelne Persönlichkeiten sind, die jeden Fortgang der Dinge mit viel Herzblut
vorantreiben, wünsche ich mir deutlich mehr Mut zum Gespräch und zur Innovation. Zudem
habe ich die Hoffnung, dass sich wichtige gesellschaftliche Gemeinsamkeiten über
die Outsider Art bemerkbar machen können, nicht zuletzt um gemeinschaftlich geschützt werden zu
können. Dazu ist Solidarität gefragt und nicht das Abstecken von Claims.
Jason Rø e.V. ist aktiver Teil der Recherche zur sozialen Kraft in der Kunst.
www.jason-ro.de
www.jason-ro.de
Carsten Reinhold Schulz
Ein sehr guter und notwendiger Text.
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