Mittwoch, 13. April 2011

Oswalt Kolle in Peking: Kunst der Aufklärung

























Über den eigenen, westlichen Tellerrand hinauszusehen ist schwer, wenn ein von der FDP mitregiertes Land infantile Machtpolitik kulturell verbrämt. Im chinesischen Nationalmuseum von Peking ist jetzt eine grosse Zahl von Werken aus staatlichen Sammlungen in Dresden, München und Berlin zu sehen. Die Ausstellung besitzt den öligen Titel „Kunst der Aufklärung“ und in stattlichen 600 Bildern wird offenbar versucht  – welche weisen Runden verabschieden diese einfältigen Verknüpfungen? – die Idee der Aufklärung als Beginn eines demokratisierenden Dialogs nach China zu tragen. Nicht nur versucht eine solche Intention, die Kunst selbst auf platteste Art und Weise, entgegen allen Beteuerungen, politisch zu instrumentalisieren. Der Effekt eines solchen Vorgehens ist langfristig auch eine Marginalisierung der verbindenden Chancen von Kunst. Es könnte alles ein Affront gegen die chinesische Auffassung von Staat sein, ginge es wirklich um China als Adressat des Ausstellungstitels. Diese Aussage wird klarer, wenn man bedenkt, daß die Ausstellung im Nationalmuseum von Peking stattfindet. Die chinesiche Führung dürfte also früh im Bilde gewesen sein welche Ausrichtung die „Kunst der Aufklärung“ hatte. Warum sollte sie sich jetzt dagegen wehren? Letztendlich stellt sich hier Deutschland aussenpolitisch dar, nicht umsonst war es Aussenminister Westerwelle und nicht ein mit kulturellem Wissen und Kompetenzen ausgestatteter Beamter der die Eröffnungsansprache hielt. Der Verteidigungsminister wäre ebenfalls eine interessante Wahl gewesen. Hier scheint deutsche Kritik an China unerschrocken aufzuleuchten zu dürfen. Es ist gleichwohl ein Zeichen einer gewissen grösseren Toleranz, das ein immer noch totalitärer Finanzriese eine solche Exposition ausrichten lässt. China fährt relativ angstfrei auf eigenen Schienen. Wer glaubt, mit Bildern aus der Zeit der Aufklärung eine chinesische Demokratie in die Wege zu leiten, wie es medial kolportiert wird, wirft sehr kleine Steine ins wilde Meer. Eher ist es möglich, dass China, mit seinen grossen, politischen und gesellschaftlichen Traditionen, gemischt mit pragmatischen Konfuziansmus und den erlernten gesellschaftlichen Kontrollfunktionen aus dem kommunistischen Regime, neu zu bewertende Formen des Staatswesens errichten kann, die jedoch nicht unserer Auffassung von Freiheit und Gleichheit entsprechen. Sie werden vermutlich jedoch sehr effektiv sein. Der einzelne Mensch, das Individuum wird dabei nicht an erster Stelle stehen. Die hegelschen Ideen der Freiheit des Individuums als Grundbedingung einer vollkommenen Demokratie ist für die Chinesen so weit entfernt, wie das fehlende Verständnis der derzeitigen deutschen Politik für andere Kulturen offensichtlich ist.
Ai Weiwei ist im Gefängnis. Es sind also eher die aktuellsten Auffassungen von Kunst, Einmischung, Vernetzung und politisch nutzbare Symbolfiguren die gefährlich wirken. Was alle verwundern sollte ist die Tatsache die auch Ai Weiwei verwundert: wieso muss er allein alles ausbaden, wieso wird nur er von der internationalen Presse interviewt und permanent in den Fokus gerückt, wieso macht die Presse ausschliesslich ihn zum einzigen Ansprechpartner in Sachen Kultur in einem Land mit einer Milliarde Einwohnern? Die Presse baut nur aus einem einzigen Grund ihre Helden auf. Um sie später zu opfern. Wem hilft das? Dagegen nimmt sich der Dialogansatz bei „Kunst der Aufklärung“ und die ganze Haltung wie reichlich altbackenes Trockenrudern aus. Es haben sich drei staatliche Museen für ein heute schlecht einzuschätzendes, voruteilsbehaftetes Wort im Titel einer Ausstellung profilieren wollen und dabei gerne instrumentalisieren lassen: die gute alte „Aufklärung“. Vielleicht wäre Oswalt Kolle noch brisanter gewesen. Deine Kultur, das unbekannte Wesen ...

Samstag, 9. April 2011

Japan bringt das Beste hervor ...

Die bedrückende Gewissheit der eingetretenen Katastrophe in Teilen Japans erzeugt auf allen Kontinenten der Welt beispielhaften Leidensdruck und politische Unsicherheit. Was machen eigentlich die Künstler mit dieser, menschlich und sozial gesehen, extremen Situation? Eine Methode, eine Art Reflex, scheint die Organisation von Benefizkonzerten jeglicher Art – gekoppelt mit den notwendigen Spendenaufrufen zu sein. Andere Künstler haben eine Kette von Film-Festivals anlässlich der Katastrophe organisiert. Nicht nur Autoren in Zeitungs-Feuilletons verbinden Kunstproduktionen und Ausstellungen mit der hellseherischen Sicht vieler Künstler auf solche Desaster. Fotografen zeigen in Dia-Shows und Fotostrecken ästhetisierte Bilder aus den Krisenregionen innerhalb des Pressekosmos Internet. Mode-affine Gestalter erfinden Jutetaschen mit Roter-Punkt-Japan-Motiv und einer zehnprozentigen Spende vom Kaufpreis für die Opfer. Wenn das Poster „The Great Wave of Kanagawa“ von Hokusai unter den ersten Treffern bei Amazon steht, ist das ein Resultat der internationalen Hinwendung zum Land der aufgehenden Sonne? Das Wiener Dorotheum versteigerte Kunst für die Opfer des letzten Tsunamis. Blogger posten die bereits hundertfach von Pressorganen publizierten Videos der Flutwelle wie ein tausendfach wiederholtes Echo erneut. Warum eigentlich? Es gibt schon wieder Kunstmaler, die, wie schon 2005 Bilder machen die „Tsunami 1-10“ heissen. Ein Fotograf der bereits voyeuristisch motivierte Einlicke in japanische Privaträume zu seinen Leistungen zählen kann, hat jetzt zur Spendenaktion für Japan aufgerufen. Sie ist nur zufällig mit seiner Ausstellung gekoppelt. Der Bachsche Titel „Ich hatte viel Bekümmernis“ des Dresdner Kreuzkirchen Benefizkonzertes korrespondiert ebenfalls einzigartig mit dem Geschehen in Japan. Designer in Social Media Agenturen entwickelten elektronische Spenden-Badges zur permanenten Einbindung bei Facebook mit dem Hinweis, „... sodaß jeder sehen kann, daß man Japan helfen möchte.“ Der landläufige Satz: „Tue Gutes und rede darüber“, war vermutlich noch nie so richtig wie zu Facebookzeiten. Jeder will helfen, was könnte daran verwerflich sein? Die unbedingte Koppelung der eigenen, mehr oder weniger künstlerischen Produktion an die humanitäre Hilfe stimmt kulturell nachdenklich und lässt befürchten, daß das nächste wirkliche Unheil dem unbedingten Wunsch nach totaler Solidarität entspringen könnte.
Künstler verorten sich gerne auf der guten Seite. Entweder Lena oder Berge von Leichen versprechen eine Menge neuer emotionaler Freunde: ein gemeinsamer sozialer Nenner.