Montag, 28. Januar 2013

Zur Ausgrenzung geistig behinderter Künstler in Düsseldorf.

„Überkeile 1“, 2011 Collage, Tusche, Karton,
Projekt: Zur sozialen Verantwortlichkeit der Künstler, Das Zweite Feld




Endlich Antwort
Das vom Büro des Behindertenbeauftragten des Landes NRW an uns weitergeleitete Schreiben vom Kulturamt (Text in voller Länge: siehe vorherigen Blog-Eintrag) bildet eine sehr nachdenkenswerte und erstmalig schriftlich fixierte Grundlage für die offizielle Definition des Künstlerbildes in Bezug auf das Themenfeld Inklusion, Kunst und Behinderung in Düsseldorf.  

Kunst, nicht Therapie
Nachdem der Düsseldorfer Kunsthistoriker Dr. Werner Alberg bereits 2003, im, vom Stadtmuseum (sic!) herausgegebenen Ausstellungs-Katalog über das betroffene Studio 111, die eigenständige Künstlerschaft der dort arbeitenden Menschen ausdrücklich betont und die pädagogische Ausrichtung verneint, bezeugt die jetzt vorliegende Antwort der Kulturamtes die tatsächliche Ausgrenzung der Künstler wegen Ihrer Behinderung.  

Alle Erfordernisse sind vorhanden
Da die Künstler sowohl auf eine regelmäßige Ausstellungstätigkeit verweisen können, wie auch auf diskursbezogene Ausstellungen und sogar kunsthistorische Texte zu ihren Arbeiten vorhanden sind, ist ihnen die erforderliche Künstlerkarte nicht vorzuenthalten. Künstlerschaft mit geistigen Erkrankungen und Einschränkungen ist seit langem wichtiger und oft exemplarischer Teil kunsthistorischer Entwicklung gewesen. Diese Künstler, wie im Brief des Kulturamts geschehen, als nicht relevante Hobby-Akteure praktisch zu diffamieren ist fahrlässig und stellt den Begriff des „Veranstaltungsprofils“ über die eigentlichen Akteure – die Künstler. Die Auswahlkriterien auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen könnte so einfach sein.

Vereinfachte Arbeitsmethoden als Grund für Ausgrenzung?
Organisatorische Vereinfachungsmethoden des Kulturamts sind als Grund für eine Ausgrenzung Behinderter so wenig geeignet, wie der Hinweis auf die langjährige Finanzierung des städtischen Image-Projektes „Kunstpunkte“. Die jetzt deutlich belegbare Ausgrenzung dieser Menschen tritt nicht nur dem Gedanken der Inklusion kontraproduktiv entgegen, sondern sie negiert unverständlicherweise viele Entwicklungen der Kunstgeschichte selbst.
Man möchte kaum glauben, dass der Absender des Schreibens tatsächlich das Kulturamt Düsseldorf ist.  

Was sagen die Kunstinteressierten eigentlich?
Die organisatorische Grenze, die das Amt, aus seiner Sicht verständlicherweise, versucht zu ziehen, ist leider weder argumentativ gestützt, noch ist sie weiter zumutbar. Ein Bezug zur Meinung des kunstinteressierten Publikums fehlt dabei völlig. Als Verein JASON RØ e.V. zur Förderung der Art brut werden wir zusammen mit diesem Blog und hoffentlich viel Solidarität versuchen, ein noch breiteres öffentliches Interesse zum Thema zu erzeugen.

 Öffentliche Abstimmung
Dieser Blog schlägt dafür eine öffentliche Diskussion und Abstimmung als denkbares Modell vor. Geht es doch um nicht weniger als die offizielle Einschätzung zum Rollenverständnis von Künstlern im Allgemeinen – und um ihre Nutzbarkeit für kulturell gefärbte, städtische Imagekampagnen. Von Inklusion ganz zu schweigen.
 Der Mensch gehört in den Mittelpunkt.

Carsten Reinhold Schulz
„Der Künstler als Kritiker“

Düsseldorfs Reaktion zur Ausgrenzung geistig behinderter Künstler




































Die gemeinsame Anfrage dieses Blog-Projekts und des gemeinnützigen Vereins JASON RØ e.V. zur Ausgrenzung der geistig behinderten Künstler des Studio 111 in Düsseldorf hat ein erstes Ziel erreicht.

Auf Druck des Behindertenbeauftragten des Landes NRW, erreichte uns heute, nach vielen Monaten Wartezeit, die erste Stellungnahme des Kulturamts der Stadt Düsseldorf in einer mail. Der offenbar nicht unterzeichnete, offizielle Text hat folgenden Wortlaut und wird hier ohne Änderungen oder Kürzungen eingestellt:

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"Das Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf koordiniert und finanziert seit nunmehr 16 Jahren die alljährlich stattfindende Aktion "KUNSTPUNKTE" - Offene Ateliers in Düsseldorf. Die Aktion ist sehr erfolgreich und findet einmal jährlich an zwei Wochenenden im August/September statt. Es sind zumeist ca. 500 Bildende Künstlerinnen und Künstler beteiligt.
Die Teilnahme an den Kunstpunkten ist an die Bedingung geknüpft, dass die Künstlerinnen und Künstler im Besitz einer Künstlerkarte sind, die das Kulturamt an hauptberufliche, professionelle (z.Abschluss einer Kunstakademie, regelmäßige Ausstellungstätigkeit im arrivierten Kunstbetrieb) Künstlerinnen und Künstler vergibt. Es gibt in jedem Jahr zahlreiche Anfragen von Hobbykünstlern und von verschiedenen Einrichtungen (Malschulen für Kinder und Erwachsene, Kreativitätskurse etc.), die immer abgelehnt werden müssen, da ansonsten das Veranstaltungsprofil aufgeweicht würde. Es geht bei den Kunstpunkten darum, einen repräsentativen Querschnitt über das aktuelle professionelle Kunstschaffen in Düsseldorf zu zeigen.

Das Studio 111 ist eine Behinderteneinrichtung, in der mit kreativen Mitteln therapeutisch gearbeitet wird. Die Behinderten sind aber keine Künstler, sodass eine Teilnahme an den Kunstpunkten nicht möglich ist."


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Da den Künstlern des Studio 111 von Seiten des Düsseldorfer Kunsthistorikers Dr. Werner Alberg und der Kuratorin Monika Kirchmayr im städtisch finanzierten Ausstellungs-Katalog („Innen und Aussen“, Seite 7, Zeile 1-18, Hrsg.: Stadtmuseum Düsseldorf 2003) die vorrangige Künstlerschaft attestiert wird und eben nicht ihre therapeutische Ausrichtung, wird die tatsächliche Ausgrenzung jetzt überdeutlich.
Ganz zu schweigen von der regelmässigen und relevanten Ausstellungstätigkeit der im Studio 111 arbeitenden Künstler.
Es gibt somit keine nachvollziehbaren Gründe mehr für eine Verweigerung, der zur Teilnahme notwendigen, so genannten Künstlerkarte.

Einen detailierten Kommentar zum Brief finden Sie im nächsten, aktuellen Blogbeitrag.

Samstag, 19. Januar 2013

Düsseldorf: Ausgrenzung von Künstlern mit geistiger Behinderung geht weiter.

Ausgegrenzt: Bilder von Michaela Panilas, Studio 111, Haus St. Josef,
Düsseldorf, in der Ausstellung „Als sei nichts unmöglich“.
Die Ausgrenzung geht weiter
Warum die Künstler des offenen Ateliers Studio 111, Haus St. Josef in Düsseldorf, seit drei Jahren nicht am städtisch organisierten Atelierrundgang teilnehmen dürfen ist weiterhin ungeklärt. Selbst nach vier Monaten gibt es noch keine Reaktionen oder gar Erklärungen von offizieller Seite.

Keine Bewegung des Bürgermeisters
Um die Ausgrenzung von Künstlern mit geistiger Behinderung zu hinterfragen, und, wenn möglich zu beenden, hatte der Vorstand des gemeinnützigen Vereins Jason Rø e.V. einen Brief an den Bürgermeister gesandt und um Aufklärung und ein klares Statement gebeten.
Weiterhin hatte dieser Blog, „Der Künstler als Kritiker“, zusätzlich einen Text, mit ähnlichem Inhalt, als offenen Brief bereits am 14. September 2012 veröffentlicht. In beiden Fällen gab es – bis heute – keinerlei Antwort. Auch die Presse hält sich ungewöhnlich bedeckt.

Der Behindertenbeauftragte des Landes NRW
Mittlerweile ist vom Verein Jason Rø e.V. eine Anfrage an den Behindertenbeauftragten NRW, Herrn Norbert Killewald, zur Klärung der Sachlage und zur Erlangung eines Statements eingereicht worden. Die Einreichung wurde von dort im November 2012 bestätigt. Heute, am 22. Januar 2013, erreicht uns die offizielle Nachricht, das auch das Büro des Behindertenbeauftragten NRW seine Anfrage an die Verantwortlichen Düsseldorfs wiederholt hat, da bis dato keine Antwort eingetroffen ist.
In diesem Zusammenhang ist die Beschlussfassung der Stadt von Mitte Dezember 2012, den Austragungsort der Special Olympics, also die Olympiade für geistig Behinderte nach Düsseldorf zu holen, von besonderem Interesse.

Events und Verantwortung
Auch wenn Events gut sind für die Düsseldorfer Selbstdarstellung, entbindet das keinesfalls vor der täglichen Verantwortng und einer Auseinandersetzung mit Themen der Ausgrenzung, eventueller Tabus und ihre Zusammenhänge zum Bereich der Kultur. Denn auch die offizielle Sichtweise auf den Künstler im Allgemeinen steht hier zur Diskussion und damit auf dem Spiel.
Wir warten weiterhin auf eine schriftliche Stellungnahme.
Wir bleiben dran.


Carsten Reinhold Schulz
und
Vorstand von JASON RØ e.V.
zur Förderung der Art brut
und Künstler mit geistiger Behinderung