Mittwoch, 2. April 2014

Thesen zur Spaltung der Kunst und der Entwicklung sozialer Verantwortlichkeit

 
Aus dem 10 min. Film-Loop: „Der Künstler will Ihnen vermutlich sagen ...“
Carsten Reinhold Schulz, 2008/14, Duisburger Akzente 2014




„Was dem futuristischen Manifest die Erweiterung des Schönheitsbegriffs durch Geschwindigkeit war, ist der Spaltung der Kunst die soziale Verantwortlichkeit“.
 
Zwanzig Thesen und Anmerkungen
1. Kunst ist zukünftig ein Begriff, mit dem nur noch die mit sozialem und gesellschaftlichem Experiment aufgeladenen Felder gestalterischer Ausprägung benannt werden sollen. Genauer definierte Formen dieser Aufspaltung werden gesamtgesellschaftlich durch Diskussion bestimmt.

2. Zeichnung, Skulptur, Fotografie oder Malerei werden ab sofort und dauerhaft vom Kunstbegriff abgespalten und ausschliesslich innerhalb der Begriffe Zeichnung, Skulptur, Fotografie oder Malerei bewertet. Alle bisherigen künstlerischen Arbeitsfelder sind nicht mehr automatisch als Kunst zu bezeichnen.

3. Alle Bilder und Artefakte verlieren durch die Abspaltung vom Kunstbegriff nicht ihre mögliche bisherige kulturelle Bedeutung. Diese Bedeutung wird jedoch im Kontext der Drift des Kunstbegriffs neu verhandelt.

4. Der unklar gewordene und manipulierte Begriff der Kunst verliert durch die oben benannte Spaltung seine bisher mißbrauchte Bedeutung, z.B. bei der Unterstützung der Preisautomatismen und der üblich gewordenen Wertsteigerungsabsprachen im Kunstmarkt, da er seine Überhöhungsfunktion verliert.

5. Es gibt kein Gewohnheitsrecht in der Kunst.

6. Kunst geht nicht verloren. Kunst driftet in neue Felder.

7. Die Begriffsspaltung gilt für alle Bereiche bisherigen künstlerischen Schaffens.

8. Die neu bewertete Kunst erhält durch ihre soziale Aufladung einen gesellschaftlich relevanten Status (zurück).

9. Durch den Zusatz des sozialen Feldes öffnet sich der Schönheits-begriff in einem humanistischen Sinn zur Neudefinition.

10. Kunst kann den undurchsichtigen Geniebegriff, der früher und heute funktionalisierenden Machtinteressen diente und bisher dient, hinter sich lassen.

11. Kunst wird durch die Spaltung ihrem Wesen nach inhaltlich demokratisch und kann von allen Menschen mit erarbeitet werden.

12. Neue Formen der Finanzierung experimenteller Kunstfelder werden gemeinschaftlich erarbeitet.


13. Die Methoden bisheriger Kunstvermarktung müssen durch die Spaltung ebenfalls, im Sinne einer breit gefächerten solidarischen Haltung, neu überdacht werden.

14. Maler, Zeichner und Bildhauer können den Regularien des vom Kunstbegriff abgespaltenen (Kunst-)marktes mit ihrer Produktion klarer als bisher begegnen. Denn Sie definieren sich ab sofort als Produzenten von Waren im Sinne unseres Märkte-Systems.

15. Formen der Kunst und die Kritik an bisherigen künstlerischen Produktionen werden durch die Einbindung in soziale Prozesse für jeden Menschen nachvollziehbar und wieder Teil der eigenen gelebten Wirklichkeit.

16. Heutige Formen der Kunstvermittlung sind zu hinterfragen. Kunstvermittlung kann ihre Wirkung zukünftig klarer und parallel zu den Erfordernissen und Problemen der Gesellschaft gestalten.

17. Die Macht spezialisierter Ästhetisierung, die um den Begriff heutiger Kunst gewoben ist und die der Spaltung der Gesellschaft dient, wird durch die neue, bewertende Abtrennung des Kunstbegriffs ab sofort aufgehoben.

18. Mit der Ablösung vom bisherigen Kunstbegriff befreien sich die menschliche Gemeinschaft und ihre Künstler vom politischen Missbrauch der Kunst innerhalb der als frei geltenden, jedoch dogmatisch agierenden und Probleme verdrängenden Gesellschaftssysteme.

19. Bisher zum größten Teil ausgegrenzte Kunstformen, wie die Outsiderkunst, sind im Zuge der vorgeschlagenen Abspaltung des Kunstbegriffs in vollem Umfang gleichwertig einzustufen.

20. Künstler können sich ohne den Konkurrenzdruck, der innerhalb des bisherigen Kunstbegriffs wirkte, wieder solidarisch verhalten und in den gemeinsam geformten, entstehenden gestalterischen und sozialen Kraftfeldern zusammenwirken.

Carsten Reinhold Schulz
Vorträge für das zweite Feld,
Düsseldorf 2013, „dizzy …“
Verlag und Kulturproduktion.


Ein Auszug aus dem Buch zur Rolle des Künstlers und seiner sozialen Verantwortlichkeit:
„Die Spaltung der Kunst“
Thesen, Anmerkungen, Projekte seit 1989
zur gesellschaftlichen Rolle
und der sozialen Verantwortlichkeit von Künstlern
Autor: Carsten Reinhold Schulz
Taschenbuch 14,80 €,
ISBN 978-3-9807699-9-0,
Bestellung unter info(at)dizzy-verlag.de
oder bei Amazon

Samstag, 22. März 2014

Die Spaltung der Kunst –The dividing of art























Die Spaltung der Kunst / Dividing of art

Die Drift der Kunst in soziale und politische Felder
(Auszug aus dem u.a.Buch)

Präambel
Kunst besitzt wichtige verbindende und kritische Kräfte. Diese darf sie sich keinesfalls beschneiden lassen. Noch schlimmer wäre es, wenn sie diese Kräfte aus freien Stücken aufgäbe und sich nutzbar in einem Sinne machen würde, der dem Grundkonsens zur Freiheit der Kunst und des Künstlers widerspräche. Kunst sollte nicht im Dienst politischer oder wirtschaftlicher Macht zur Verfügung stehen, sondern eigene, neue, auch soziale Kräfte entwickeln und diskutierbar machen können. Der Status quo aber und die momentane, einseitige gesellschaftliche Verankerung der Kunst entspricht nicht mehr dieser elementaren Vorstellung von Freiheit. Eine Spaltung der Kunst und eine Neubewertung der zugehörigen Rolle des Künstlers ist daher erforderlich. 

Potentiale der Spaltung I
Es ist die unbedingte Aufgabe aller Kulturschaffenden und der Künstler weltweit, das oben erwähnte Potential einer verbindenden und kritischen Kunst mittels Solidarität und auch um den Preis der Veränderung traditioneller Kunstbetrachtung und überkommener Genievorstellungen zu schützen. Daher ist eine Ab- koppelung des Kunstbegriffs von den tradierten Vorstellungen der Kunst notwendig. Künstler sollten im Angesicht der globalen humanitären, sozialen und ökologischen Probleme nun wirkliche Verantwortung übernehmen, abseits einer illustrativ-künstlerischen Begleitung oder Bespiegelung der Wirklichkeit. 
Also nicht in dem sie, z.B., ein Bild malen, das Kritik zum Inhalt hat, sondern indem sie Künstlerschaft kritisch als eine sozial verantwortliche Aufgabe kreativ umdefinieren. Das bedeutet, es können neue Felder gestalterischer und künstlerischer Praxis entwickelt werden – eine solche Umbewertung ist möglich und notwendig: der Kunstbegriff steht damit vor seiner Spaltung.

Es bedarf einer Zäsur 
innerhalb des schwerfällig gewordenen, historisierend und pseudo-religiös motivierten Komplexes der Kunst – für eine notwendig gewordene gesellschaftliche Weiterentwicklung. Dies kann geschehen durch die Verschiebung des Begriffes der Kunst in neue Felder. Das bedeutet jedoch auch das teilweise Zurücklassen tradierter Kunstvorstellungen und künstlerischer Arbeitsbereiche.
Die Abspaltung des Kunstbegriffs von den traditionellen Auffassungen der Kunst wird die Künstlerschaft endlich in die Lage versetzen, für sich und ihre Arbeit einen vollständigeren gesellschaftlicheren Zusammenhang herzustellen, der die Idee künstlerischer Gestaltung und Innovation unbedingt an den Gedanken der sozialen Verantwortung koppelt. Da die Rolle des Künstler nicht mehr außerhalb der Gesellschaft verortet werden kann, wird diese Ein- sicht in vollem Umfang sogleich erfahrbar und wirksam.
Gesellschaftspolitische und soziale Fragen dürfen nicht mehr jenen überlassen werden, die Bevölkerungs-gruppen voneinander abgrenzen, um davon materiell und ideologisch zu profitieren. Gerade die Künstler tragen eine besondere Verantwortung und sollten Formen der Kunst, die zur Spaltung der Gesellschaft beitragen nicht nur deutlicher hinterfragen, sondern in Abrede stellen. 

Die Solidarität der Künstler  
untereinander und die Verschiebung des Kunstbegriffs ist die größte Chance zur Ausbildung und Formgebung humanistisch orientierter Ziele menschlicher Gemeinschaften. Dies gilt auch bei der Einbindung und gesellschaftlichen Gleichstellung von sogenannten Randgruppen und Outsider-Art. 

Die 20 Thesen zur Spaltung der Kunst finden Sie im nächsten Blogbeitrag.

 „Die Spaltung der Kunst“
Thesen, Anmerkungen, Projekte seit 1989
zur gesellschaftlichen Rolle
und der sozialen Verantwortlichkeit von Künstlern
Autor: Carsten Reinhold Schulz
Taschenbuch 14,80 €,
ISBN 978-3-9807699-9-0,
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