Dienstag, 5. Juli 2016

Kunst und Kirche - allein der Glaube fehlt



Kunst und Kirche – allein der Glaube fehlt.
Bei der Beurteilung von Kunst und Religion ist es ein wenig wie mit dem Urknall.
Oft genug vergisst man die Beurteilung der eigenen Position, der eigenen Begehrlichkeiten oder die Grenzen seiner Vorstellungskraft.

 Kirche und Kunst haben ähnliche Probleme, aber nicht die gleichen  Ziele.
Im „Theologisches Feuilleton“ genannten Blog  der evangelischen Kirche, mit dem Namen „feinschwarz.net“, wurde eine zu verstärkende Verbindung von Kunst und Kirche angedacht (Artikel vom 18. Juni 2016).
Dies ist mehr als diskussionswürdig.
Der Düsseldorfer Galerist Rupert Pfab macht den ihm, offenbar von Kirchenseite aufgetragenen Versuch, das derzeit eigentlich prima funktionierende System von Kunst und Kirche, nun aus der Händlerperspektive, theoretisch weiter zu unterfüttern – und gerät dabei in die Quadratur des Kreises.
Er hält religiöse Intentionen in seiner Listung nicht für notwendig, will am Ende seines Textes jedoch gleichzeitig die Kunst als das potentiell sinnvolle Vehikel für mehr Kirchennähe in der Gesellschaft erkennen.

Gläubige bewegen
Dass bei den Zusammentragungen des Galeristen, Religiosität keine Rolle mehr spielen soll, ist, wenn nicht gar auf merkwürdige Weise reaktionär, dann zumindest aus Sicht der verbliebenen Gläubigen bedenklich. Möglicherweise ist sie der fatalen, aber im Text auftauchenden Vorstellung, von Kirche und Kirchenraum als einem experimentellen Labor geschuldet. Mit dem Begriff der Kirche als einem Labor hat ein sehr spezieller, mittlerweile akademisierter Jargon aus den Off-Räumen des letzten Jahrhundertwechsels Einzug in die Welt der Kirche erhalten.
Es ist keine Neuigkeit, dass die Institution Kirche, bei der Kunstförderung der Vergangenheit als Auftraggeberin und Sinnstifterin nicht wegzudenken ist und es stets viele weitere historische Verbindungen zwischen Kunst und Kirche gegeben hat.
In der Gegenwart jedoch ist diese Situation nicht nur verzichtbar, sie ist in vielen heute anzutreffenden Formen langfristig schädlich – für Kirche und Gesellschaft.

Extremismus, Kunst und Kirche
Die zu beobachtenden, aus westlicher Perspektive sympathisch bis utopisch gedachten, jedoch diffusen Vorstellungen zur gesellschaftlichen Rolle von Künstlern, Kunst und christlicher Kirche, sind im Umkehrschluss elementare Gründe für den fatalen, weltweit zu beobachtenden Zulauf junger Menschen zu extremistischen, ultra-reaktionären und rassistischen Ideenpools.
Unser gesellschaftlicher Umgang mit Kunst und Kultur und unser panisches Festhalten an damit verbundene, veraltete bis unsolidarische Vorstellungen sind Grund und Abbild einer absurden und unnötigen Marginalisierung der Idee von Europa. Ein hausgemachtes Chaos. Nutzungsabsichten. Verwechslungen.

Kirchlicher  Strukturwandel
Kunst nun als Vehikel für neue strukturelle Veränderungsabsichten und inhaltliche Aufladungen in der Kirche sehen zu wollen,  ist daher eine erkennbare Kapitulation vor den gesellschaftlichen Herausforderungen und wird schon in den kommenden Jahren nicht mehr als eine besonders kreative Eigenschaft moderner Kirchenführung anzuführen sein.
Auch an künstlerischem Output orientierte Interessengruppen und durchaus verdienstvolle Persönlichkeiten innerhalb kirchlicher Vorstände können leider dafür sorgen, dass keine ausreichende Beschäftigung der Kirche mit den weiterhin sehnlich vermissten Formen und Foren der Religionsausübung in westlich orientierten Gesellschaften stattfindet. Stattdessen soll die Verbindung von Kunst und Kirche einzig einen kulturell offenen Zustand, ein „heutig“ zu nennendes, kurzfristig erreichbares Wunschklima erzeugen. Die Begriffswolke der Diakonie-Homepage in Düsseldorf hat als auffälligsten Eintrag „Kunst und Kirche“- nicht das Gebet. Das ersehnte Versprechen auf menschliche Dialoge und den verstärkten Zugang zu den kulturell interessierten Kreisen der großen bürgerlichen Mitte scheint also nah. Aber was will man Ihnen eigentlich sagen, wenn man seine eigene Sprache verloren gibt? Geht es einfach um Ersatz für die Gruppe der langsam aussterbenden, noch hauptsächlich religiös motivierten Kirchgänger?

Spiritualität im Austausch.
Kunst wird als Wiedergutmachung für verlorene Verinnerlichung, Religiosität und in Ermangelung echter Spiritualität gesellschaftlich längst angenommen. Das zeigen die seit Jahren immer exklusiver werden Museumsbauten, das zeigen die langen Menschenschlangen vor den Ausstellungen, der, in Popstar-Manier gehandelten, toten oder lebenden Künstlerschaft. Die Menschen suchen ganz offenkundig nach Inhalten und Vorbildern. Was macht die Kirche aus dieser Situation?
Wenn es keine liturgische oder personelle Entsprechung dafür mehr gibt, gibt es dann vielleicht eine formgebende, authentische Vereinfachung, die ausschließlich der Idee des Glaubens entspringt?
Aber warum gefällt unseren Kirchen eine, sie selbst inhaltlich immer unklarer machende, Anpassung so sehr, dass sie sich an weltliche Systeme anzubiedern versuchen? Wo sind die mutigen Denker in der Kirche und wo können ihre Überzeugungen in der Gesellschaft ihren Niederschlag finden?

Eine fatale Schicksalsgemeinschaft
Kunst und Kirche erscheinen oberflächlich gesehen wie für einander geschaffen – beide jedoch unterliegen auf ihrem jetzigen Weg ähnlichen Auflösungs- und Drifterscheinungen, über die der Kunstmarkt, zumindest in Punkto Kunst, aufwändig hinwegtäuscht. Gleichzeitig macht er, durch die markanten Verschiebungen der finanziellen Proportionen auf Problematisches aufmerksam.
Die meisten Künstler unterliegen zudem dem Irrglauben, innerhalb eines, von christlichem, wie auch von jedem anderen dogmatischen oder steuerndem gesellschaftlichen Regelwerk befreiten gesellschaftlichen Zusammenhang zu agieren.
Die Kirchen hingegen sind in der Glaubensvermittlung nicht nur mit dem Dilemma einer rein wissenschaftlichen Weltanschauung konfrontiert, sondern, aufgrund der inneren Logik kapitalistischer Wertesysteme und der darauf folgenden sozialen Orientierungslosigkeit, zusätzlich mit der Auslöschung des ehedem heiligen Systems der Familie.

Was ist eine Kirche ohne Glauben an sich selbst?
Eine Kirche, die ihre ureigenen Inhalte, den eigenen Glauben, nicht mehr glaubhaft transportieren kann, ohne auf andere, gesellschaftlich relevanter wirkende Faktoren, wie z.B. den der Kunst zu verweisen, hat sich möglicherweise tatsächlich überlebt und reduziert sich auf die, stetige Umsätze generierende Funktion eines Anbieters sozialer Trägerschaften und die Reste historisch zu nennender Gefühlsebenen.
Ich empfinde das in gewisser Weise als Verlust für kommende Generationen.

FehlendeTransparenz
Beide – Kunst und Kirche –  schieben überfällige Entscheidungen und wichtige, offen auszutragende gesellschaftliche Diskussionen vor sich her. Nur im Vergleich mit den exzessiven Ausuferungen des Islam kann sich die christliche Kirche als eine dem Leben mehr zugewandte Gruppe fühlen.
Aber geht es darum?
Die überfällige Trennung von Staat und Kirche ist aktueller denn je. Die Übernahme sozialer Trägerschaften durch die Gesellschaft selbst, also Aufgabengebiete, die heute in vielen Fällen noch von christlichen Kirchen und angeschlossenen Wertegruppen übernommen werden, stehen ebenso an, wie die Auflösung ominös gebliebener kirchlicher Verwaltungsapparate und Hierarchien. Der Papst selbst, Oberhaupt der Katholiken, so man seine Autorität akzeptieren möchte, weist darauf mit unzweideutigen Aussagen zu einem Leben der Einfachheit hin. Aber hier erscheint ein ganz neues skurriles Thema ...

Was kann die Kunst?
Im Bereich der Kunst wäre es heutigen Künstler möglich, mutig dem Status Quo endlich ins Auge zu sehen und die behindernden Vorstellungen der letzten Jahrhunderte über Bord zu werfen. Ein übermächtiger, das mediale Bild von Kunst bestimmender, von schwerreichen Interessengruppen und Luxus-Konsortien dominierter, manipulativer Kunstmarkt könnte im Interesse aller Menschen und der Kunst längst beseitigt sein. Definitionsbestimmungen finden jedoch weiterhin nur in intellektuellen Diskurskreisen statt und Kunst ästhetisiert weiterhin die gesellschaftlich aufgeworfenen Gräben.

Künstler sind in der Mehrheit feige und opportunistisch?
Es dominiert eine hilflose Anbiederung der übergroßen Anzahl von Künstlern an jeden aufflackernden Markt. Angst und Prekariat tun ein Übriges. Kirchenräume sind nur ein Teil dieser Erscheinung, die sich Kunstpraxis nennt. In Ihrer geschichtlich aufgeladenen Bestimmung sind sie bestens zur Erhöhung künstlerischer Zusammenhänge nutzbar und in einer Künstler-Vita durch den Geruch der Kirchenräume nach Sensibilität und Kontemplationsfähigkeit positiv auffällig.

Was nun, was tun?
Es wäre jetzt die Zeit, die Rolle und die Funktion des Künstlers und der Kunst, fort von einem staatstragenden und neokolonialistischen Standpunkt, neu zu interpretieren.
Künstler können durch mehr Selbstkritik wieder zu einer freien und unabhängigen Position finden.
Sie sind in der Lage zu einer weniger opportunistischen, mehr experimentellen Ausgangslage zu finden.
Sie könnten sich zudem grundsätzlich mehr in Frage stellen.
Kunst sollte den Begriff der Teilhabe und den der Solidarität in Zukunft in sich tragen.
Dies ermöglicht neue Definitionen der Schönheit.
Kunst sollte, vor allem, frei bleiben.
Es scheint also, es gibt genug zu tun ...
Die Verbindung von Kirche und Kunst ist eine zuweilen schöne, aber mittlerweile unheilige Allianz.
Gott schütze uns ...


Zum Autor: Carsten Reinhold Schulz ist 53, Künstler und Musiker. Er betreibt derzeit einen denkmalgeschützten Bahnhof als solidarisches Kulturprojekt im Selbstversuch und leitet einen gemeinnützigen Verein für Experiment und Teilhabe als eine Form künstlerischer Intervention.
Seit 1989 beschäftigt er sich mit der Rolle und Funktion von Künstlern und ihren gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten in Kunst-Projekten und Publikationen.

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Samstag, 6. Februar 2016

Gerhard Richter-Letzte Ausfahrt Birkenau.

 


Der Künstler Gerhard Richter hat über viele Jahre geschickt den künstlerischen Konsens erfolgreich und einigermaßen unangreifbar bespielt. Er gilt im Markt und bei vielen Menschen als einer der größten bildenden Künstler überhaupt – als Argument dafür gelten mittlerweile sogar die Preise im Kunst-Markt ... Wer, wenn nicht er, wäre geeigneter ein Bildwerk anzugehen, daß mit dem markanten Titel „Birkenau“, nicht nur die ekelhafteste Phase deutscher Politik in Erinnerung ruft, sondern in erster Linie die Massenvernichtung der Juden und vieler anderer Menschen durch den ideologischen Rassen- und Größenwahn des Nationalsozialisten Adolf Hitler. Alleine der letzte Satz macht das Problem deutlich, das Künstler heute haben, wagen Sie sich mit ihren Arbeiten an Sujets oder Titel die eine gesellschaftliche Relevanz epochaler Größe und Leiden ausstrahlen.

Gerhard Richter musste scheitern.
Das wußte jeder, warum nicht er? Malerei kann derzeit keine Bearbeitung eines solchen Themas leisten. Es sei denn, es reicht dem Maler ein Werk als dünner, medialer Hinweis auf die unerhörten Empfindungen und ein nicht zu entschuldigendes Verbrechen jenseits aller Menschlichkeit. Das malerische Werk also als „link“ zum Thema? Hat er seine Kunst schon immer so eingeschätzt? Wenn nicht, warum jetzt?
Denn, ein link ist in diesem Kontext eindeutig zu wenig – solches kann auch eine Fernsehsendung, eine dokumentarische Fotografie, ein Interview oder alles andere leisten.
Warum also Malerei und warum Gerhard Richter?

Ersteinmal natürlich, weil er es kann. Und, weil er für ein solches Unterfangen die nötige Medienwirksamkeit zu erlangen in der Lage ist, ein Umstand der zumindest eine notwendige Kontroverse vortäuschen kann. Kein halbwegs sensibler Künstler möchte nur aufgrund seines Status einfach durchgewunken werden, wenn er sich an große Themen wagt. Die strategisch ausgerichtete Experimentierfreude kann man Richter sicherlich auch in diesem Punkt nicht vorwerfen.

Letztendlich ist die versuchte künstlerische Verarbeitung des Themas Birkenau eine eher schlichte Fortsetzung aller auch bisher durchgesetzten Arbeit Richters, die sich zwischen den Polen handwerklicher Größe und Selbstbespiegelung der Gesellschaft bewegte. Eine eigene Position des Künstlers wird von jeher vielleicht vermisst, dies ist jedoch gewollt – Bedingung einer unangreifbaren ästhetischen Erfahrung für die einen, marktfähiger Taschenspielertrick für die anderen.

Bei der Bearbeitung der Birkenau genannten Arbeit(en) wird deutlich, dass diesem Zeitgeschehen, bestenfalls ansatzweise, durch eine eigene, persönliche, emotionale Position beizukommen ist. Dem könnte man folgen. Niemals folgt man jedoch einem konsenstragenden malerischen Duktus oder einer vermeintlich der Sonnenfarben beraubten Palette (RP).

Birkenau wird Waterloo

Birkenau wird für Gerhard Richter ein vorläufiger Endpunkt sein, vielleicht ein Waterloo, wenn man so will. Er legt mit diesem Bild, vermutlich unbewußt, seine gesamte Methodik offen und scheitert damit an der schieren Größe des Themas gegenüber seinen, aller Wechselhaftigkeit zum Trotz, linearen Möglichkeiten.

Verantwortlichkeit.
Er scheitert auch an etwas, das jeder Kunststudent ab dem ersten Semester heutzutage ahnt: die Rolle des Künstlers hat sich längst verschoben, die Verortung des bisherigen Künstlerbildes ist obsolet geworden, Verantwortlichkeit ist nicht mehr in bisherigen Werkbegriffen oder Arbeitsprozessen zu finden.

Der künstlerische Weg Richters führte bisher über viele geschichtliche und aktuelle Themen, die er mittels geschickter ästhetischer Zuordnung in eine eher scheinbare, aber letztlich nutzbare künstlerische Relevanz übertrug.

An etlichen Reaktionen, z.B. auf das von ihm gestaltete Fenster im Kölner Dom, wurde die Klippe der, warum auch immer, innovationsbehafteten „reinen Ästhetik“ bereits spürbar.
Bei Birkenau wird die Bildfindung jetzt allerdings offensichtlich grotesk illustrativ und die Erklärungsversuche des Feuilleton unangenehm dünn.

Sammler wie Frieder Burda
u.v.a. und der mit der bisherigen Arbeit Gerhard Richters erreichte marktorientierte Konsens bewahren jedoch vor berechtigter Kritik und notwendiger Selbstkritik. So verhindert ein reaktionär-konservatives Business jedes Einsehen, das uns alle in die Lage versetzen könnte, bald wieder zu Kunstformen zu gelangen, die über mehr selbstverständliche gesellschaftliche Relevanz und Kraft verfügen.







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