Mittwoch, 23. November 2011

Am Mahnmal der unbekannten Freiwilligen: Vorlesefest 2011

Lesen mit Hut und schönem Licht. (Foto © Carsten Reinhold Schulz, 2010)






































Ein Vorlese-Fest ist phantastisch. Ich habe bestimmt nichts daran auszusetzen. Erfunden wurde es, um Lust aufs Lesen zu machen und damit diejenigen zu erreichen und in möglichst große Bildungsnähe zu rücken, die ansonsten keine solche Förderung erhalten können. Dieser Ansatz wird umgesetzt durch ehrenamtliche Vorlese-Paten, die in Kindergärten, Schulen, Kindertagesstätten oder Büchereien zumeist Kindern vorlesen sollen. Solch ein Pate wollte ich gern werden. Beim Vorlesetag 2011 in Düsseldorf.
Da meine eigenen Kinder in der Pubertät sind und mittlerweile eher selten nach ihrem Vater als Vorleser rufen, habe ich mich entschlossen einem Zeitungsaufruf der „www.leseban.de“ zu folgen. Eine Kindertagesstätte in Düsseldorf-Bilk wurde mir zugewiesen, der Kontakt angebahnt, eine Zeit ausgemacht. Die stellvertretende Kitaleitung empfahl das Vorlesen von Märchen, die ich mir selbst aussuchen sollte und nach einigen Fotokopien und Lesetests in meinem Büro, bezüglich der Dauer des Lesens, war ich bereit in zwei Kinder-Gruppen zu lesen. Jeweils eine halbe Stunde vor Kindern, die bekanntlich eine der schwierigsten, aber auch dankbarsten Zuhörergruppen darstellen.
Die erste Gruppe war schlichtweg eine Katastrophe, plötzlich auftauchende, gefühlt Zweijährige, frisch mit Adrenalin aus dem Gymnastikraum versorgt,  sangen und riefen und spielten, alle ruhigen Kinder hatten keine Chance zuzuhören, meine hilflosen pädagogischen Versuche unterbrachen eigentlich nur das Lesen selbst und zerstörten die Konzentrationsversuche der sechs bis sieben Kinder, die sich auf das Vorlesen gefreut hatten. Keine Fachkräfte in Sicht – sie waren vermutlich froh durch den Vorleser mal ein bisschen Ruhe geniessen zu können.
Mein durchaus engagiertes Vorlesen (ich habe ein wenig professionelle Erfahrung darin) mußte ich nach zwanzig Minuten leider abbrechen. Ich konnte mich selbst nicht mehr verstehen. Vielleicht war zusätzlich der Text zu lang oder Andersen Märchen gehen gar nicht. Die Zuhörer-Kinder waren von den Lärm-Kindern entnervt, schrien und balgten sich aus Frust, ließen die kleinen Fäuste sprechen. Die erste Gruppe war insgesamt deprimierend.
Die zweite Gruppe, eine Etage weiter oben, war das genaue Gegenteil dieser Erfahrung. Keines der Kinder hier hatte Salzsäure gegessen, nein, sie saßen entspannt im Kreis und hörten sich mein Scheeweisschen und Rosenrot bis zum glänzenden Ende an. Einige lachten sich schlapp, als ich dem besonders bösartigen Zwerg eine verzerrte Stimme lieh und alle zeigten die verständliche Genugtuung über den Ausgang der Verwunschenheit. Das zu sehen hat logischerweise Freude gemacht. Es ist ein schönes Geschenk.
Im Gespräch mit der sehr netten KiTa Leitung stellte sich später heraus, daß sowieso eine Vorleserin regelmäßig die Einrichtung besucht und eigentlich kein Engpass an Leseaktionen zu verzeichnen war. Ich dachte eigentlich, Kinder denen kaum vorgelesen wird, erhalten durch den Vorlesetag einen neuen oder gar ersten Zugang zu passender Lektüre? Weit gefehlt. Das Programmheft wies zumeist offenbar prominente Vorleser und die Präsentation ihrer eigenen Bücher aus, die üblichen Schriftsteller des Umkreises hatten ihr Forum, die Büchereien auch und der türkische Konsul ließ es sich nicht nehmen etwas für den Nachwuchs vorzulesen. Das sieht politisch sogar besser aus, als Kinder auf den Arm zu nehmen. Die nette Frau Grimmepreis Westermann von WDR „Zimmer frei“ las aus ihren Büchern vor, die städtische Unternehmerschaft hatte als Initiatorin des Vorlesefestes dazu, zu eindringlichen bis eigentümlichen Selbstdarstellungen lokaler Autoren und zu spätem Fingerfood ins Hotel Maritim geladen. Alles wirkte wunderbar vertraut. Was habe ich medial später noch vom Lesefest gehört? Ein Werbebüro aus Frankfurt, oder war es Stuttgart, konnte eine von seinem Büro entwickelte Lesebox im Rathaus installieren, um damit für sich und – natürlich – die Kinderförderung und das Lesefest zu werben. Der Hinweis auf die Serienreife der Box fehlte meines Wissens nicht. Tue Gutes und lass davon sprechen. Das ist überall Usus. Daran ist wohl nichts auszusetzen.
Als Lesender hätte ich gerne einige Erfahrungen ausgetauscht mit anderen Vorlesepaten.
Eine Liste dieser ehrenamtlichen Hundertschaften ist auf der Homepage des Lesefestes nicht zu finden. Ein Hinweis auch nicht.
Nicht schlimm. Aber ein wenig mehr Stil würde mir persönlich Freude machen.
Immerhin geht es um Literatur ...


Carsten Reinhold Schulz
„Der Künstler als Kritiker

Donnerstag, 3. November 2011

Kultur und Terrorismusbekämpfung: ein Schadensfall.
























  


Aus kulturell interessierter Sicht gibt es gute Gründe, auf die schleichend anmutende Einengung der vom Grundgesetz als unantastbar klassifizierten Begriffe der freien Meinungsäußerung näher einzugehen. Die im Internet vielfach anzutreffenden, eher zweifelhaften Elaborate zum soeben erneuerten Terror-Bekämpfungs-Ergänzungs-Gesetz, z.B. in Diskussionsforen rechter Nationalisten wie auch in denen linker Verschwörungstheoretiker, sollten nicht davon abhalten, die Stimme als Demokrat kritisch zu erheben.
Gegen ein Klima beginnender Angst
Die Vorstellung, das weitgehend unkontrolliert, bisher strikt von der Exekutive getrennte Geheimdienste durch neue Befugnisse Möglichkeiten einer Geheimpolizei erhalten könnten, dürfte für Bürger ebenso beunruhigend sein, wie es für den Freiburger Staatsrechtler Ralf Poscher der ominöse Begriff des „Aufstachelns“ ist. Im Regierungsentwurf soll es durch diese Wortfindung möglich sein, kritische journalistische Äußerungen, wie es das einfache Befürworten einer Sitzblockade in einem Artikel oder Blog sein könnte, zu erfassen und damit faktisch zu kriminalisieren. Selbst wenn sich vorerst keine direkten Strafen ergeben, schaffen solche Formen der Kontrolle ein beginnendes Klima der Angst. Wer das Rückgrat der meisten Menschen einmal aus eigener Anschauung heraus kennengelernt hat, dem dürfte klar sein, welche rigiden Formen gesellschaftlicher Selbstkontrolle mit Angst zu erreichen sind.
Da kann es niemanden beruhigen, dass die Regierung einen weisen Umgang mit dem Gesetz anmahnt. 
Es gibt keine harmlose Unterdrückung
Gerade für Deutsche dürften die 1933 plakatierten Thesen zur infamen „Sammlung des zersetzenden Schrifttums“, anklingen. Dort stand geschrieben, heute eigentlich undenkbar: „Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter.“ Sollte in Zukunft das positive Bewerten von Sitzblockaden wieder ein verräterischer Akt gegen Deutschland sein? Vergleiche wie diese können verdeutlichen, wie dünn die Grenze zur Kulturlosigkeit ist. Wie wir alle wissen könnten, waren die Folgen der Thesen nicht nur das Schweigen freier Kunst, sondern eine Flut kulturschaffender Exilanten und der Horror rechter Nazihorden. 
Sobald man beginnt Kontrolle über die Denk-, Meinungs- oder Anschauungsprozesse von Menschen erhalten zu wollen, beginnt der Prozess der Unterdrückung, ja, der versuchten Unterwerfung. Dass heutzutage in demokratische Findungsprozesse eingebundene, harmlos wirkende Veränderungsabsichten als Salamitaktik daherkommen, kann nicht mehr wundern. Genau für diese Technik der Verschleierung haben japanische Behörden, die sich bis heute alle Mühe geben den Skandal von Fukushima zu vertuschen, einen internationalen Preis für herausragende öffentliche Berichterstattung erhalten ...  
Solidarität gegen Kulturlosigkeit
Einer Äquivalenz folgend, wird man bei den im erweiterten TBE-Gesetz angedeuteten Aushöhlungen von Grundrechten, an die notstandsähnlichen Zustände während der innerdeutschen Terrorismusbekämpfung in den 1970er Jahren erinnert. Sie führte zu kräftiger Aufrüstung in den Waffenarsenalen der Polizeikräfte und den Organen der inneren Sicherheit. Dieses, damals vom Terrorismus gewünschte Verhalten des Staates, wurde mit seiner Entlarvung als militaristischem Unrechtsstaat gleichgesetzt: ein Teufelskreis entstand. Der Effekt tritt seit geraumer Zeit praktisch deckungsgleich im „Nach-Nine-Eleven“ Zeitalter ein.
Jedes, die ­­Grundrechte einschränkende Gesetz, spielt demnach den Falken im Staat, den Extremisten und Kulturlosen in die Hände. Gesetze nämlich, zur Verhinderung von Straftaten gegen Demokratien, sind selbstverständlich notwendig. Das kann von niemandem bestritten werden, der den fünften Artikel des Grundgesetzes jemals gelesen hat. Das Recht der freien Lehre gerät auch dort an Grenzen, wo sie den Boden des Verfassungsmäßigen verlässt.
Sobald Regierungen jedoch beginnen, Grundrechte in Abrede zu stellen, um mit solchem Reglement angeblich die Freiheiten der Demokratie zu schützen, ist nicht nur starke Vorsicht geboten: dann ist bereits die Solidarität der Menschen gefordert. Eine menschliche Solidarität, die sich gegen Anfänge sich durchsetzender Kulturlosigkeit wehren kann. 
Zwischen Reaktion und kultureller Bewegung
Politik setzt die erschaffenen Maßstäbe der menschlichen Freiheiten, Rechte und Pflichten formal ein und garantiert sie. Sie darf auf keinen Fall, demokratische Auseinandersetzungen oder Entwicklungen gegen die Demokratie selbst richten. Das nannte man früher wie heute reaktionär. Damit steht sie Entwicklungen der Zukunft und der Kultur feindlich gegenüber. Es deutet zudem auf ein eingetretenes Verständnisproblem bei Volk und Regierung hin, die damit begonnen zu haben scheint, sich als Machtapparat vom Souverän zu entfernen. Zugesicherte Menschenrechte und Freiheiten, wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst, werden mit den erneut vorgelegten und erweiterten Gesetzen zur Terrorbekämpfung und den entsprechenden gesetzlichen Begleittexten, durch eine undurchsichtig bis teildemokratisch agierende Bundesregierung in Frage gestellt. So sind jene bereits erwähnten, die Gesetzesverlängerung begleitenden kryptischen Äußerungen zum Thema „Aufstacheln“ gegen den Staat bestimmt nicht geeignet das Vertrauen in unsere Regierungen zu revitalisieren. Ebenso wenig machen unter den Teppich gekehrte Entdeckungen über das Gremium der sogenannten „Neun“, das offenbar von niemandem legitimierte Entscheidungsbefugnisse besessen hat, wirklich Mut. Auch wenn das Geheimgremium dankenswerterweise soeben vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde. Wer denkt sich so etwas gefährliches aus und kommt damit durch? Damit eine Demokratie funktionieren kann, darf sie – man traut sich kaum es zu sagen – nicht einmal kurzfristig außer Kraft gesetzt werden. An diesem Punkt scheidet uns offenbar die Macht die wir riefen.
Kontrollwahn als Ratlosigkeit der Macht
Die Liste der Länder, die in Zeiten unsicherer politischer Machtverhältnisse, über den Weg der Einschränkung und Manipulation meinungsoffener Kultur, nach neuer Stabilität streben, dürfte lang sein. So zeigen sich derzeit in Ungarn merkwürdige Verflechtungen von nationaler Überheblichkeit und einer ebenso interpretierten Freiheit der Meinung und der Kunst. Aus ähnlichem Holz geschnitzt sind die vor einigen Jahren nachgewiesenen Eingriffe der US Regierung, die gegen Zahlungen von Millionenbeträgen mit redaktionellen Berichten in irakischen Zeitungen die Öffentlichkeit lenken wollten. Wir denken mit Unbehagen an die Verwicklungen der Murdoch-Presse mit dem Regierungsviertel Londons oder die Verheiratung Italiens mit der Presse durch Berlusconi. Angstvoll blickt man nach Russland, wo mutige Journalisten von stillen Kräften nicht nur mundtot gemacht werden. Selbstverständlich zeigen solche Sachverhalte und die überregulierenden Gesetzgebungen eine gewisse Ratlosigkeit der Macht. Sie hat dazu geführt, den Souverän selbst als ein mögliches Problem anzusehen. Dies ist die eigentliche Crux. Nach fünfzig Jahren überbordender deutscher Gesetzgebung für alle Fälle, ist für die neuen Technokraten der Demokratie vermutlich kaum noch vorstellbar, das nur eine Hinwendung zu den Wünschen der Menschen und die unbedingte Durchsetzung einer nachvollziehbaren, offenen Demokratie, Perspektive und Gebot der Stunde sein kann. Auf keinen Fall ist es die weitere Einschränkung der Menschheit durch immer engmaschigere, alle Eventualitäten einschließende Gesetzesvorgaben.
Es muss weiterhin möglich sein, einen Staat, der sich von seinen demokratischen Grundsätzen entfernt, als einen solchen zu bezeichnen.
Das gilt für die Kunst, das gilt für die Presse und für jeden einzelnen Menschen sowieso. Gesellschaftliche, kritische Auseinandersetzungen bleiben demokratische Notwendigkeiten und dürfen nicht einem angstvollen Kontrollwahn geopfert werden. 


Carsten Reinhold Schulz, Düsseldorf
Das zweite Feld der Kunst

Dienstag, 1. November 2011

Internationale Briefe an das zweite Feld: Teil 3

Hola, Tussis. Again the I-write.
Finally dem Flieger aus la Suisse.
Where totally flink mountains?
Städtchen of tiny lights. Tock-tock talk.
Absolut white for no one Gebrauch.
Klasse Versuch der kleines triggerfahrt.
Fun und Lachen überall gemacht gehört.
Kleines land aber no maximum heat.
Sind die Liebes but ohne exciting Aufruhr.
Anything, no Räumung, keine Kraken, show me!
See and mère. Toujours la même.
Allways allem das Diner in time.
Nu hebben we een question of democracy,
null-null dime is no fun und
flitter stolas zijn just petit vegetables.
Like ein fettig Kästchen cucumber.
Das is Youth abzocken die Haut.
Wie snake on the chaussures.
To be: ableben and anleben people!
Die whole sind feel-sorrow adults ohne Schmerz.
Lines over and over and over and out.
Niemand denken an Haare and Griessbags.
Alle Sin beer-craquelage.
Und nobody is listening mehr to Radio-Stadt.
Die dunklen homes zijn verkocht
Heavy verpufft in atmosphere
So als letzte bomb from shelter geht
im Orkus of general time.
Erkenne maintenant die sour
mit alles die Plage heads
because niemand nomore beachtet die Dylan shirts.
Nylon shoes sind die Arms zum kommen.
Be honey! So ist. Couchon the nose AND rump.
Süsses Herz: sonst gut living Blue Bayou?
Encore gaan we gezellig Coffee-shop?
Heavy waiting dafür to see you mit Bird.
Was kommt now, shit?
The light and mantel-sharing Aktion ahead.
Verrückte, crazy Christian-Menschen.
Nix teilen die Energy platforms.
No more we can. More. Tin can.
Tin-can!


Auszug aus:
„Internationale Briefe an das zweite Feld“,
Songs, Texte, Briefe.
© carsten reinhold schulz 01.11.2011 Düsseldorf