Montag, 19. Dezember 2011

Keine Angst, ich bin nur Deutscher ...

 



„Keine Angst, ich bin nur Deutscher ...“, 2011
 DAS ZWEITE FELD  |  Songs from Zonderland


Danke an: alex, axel, brigit, brita, christiane, dagmar, eva, franklin, gabi, hakan, petra h., janet, joel, josé, karin, katja, Kristiane, lis, lulu, maria, markus, joey, olaf, patrick, peter, petra a., rainer, rosa, silja, steffi, walter, zoey.

© Carsten Reinhold Schulz, Düsseldorf-Flingern, 2009

Montag, 12. Dezember 2011

Alle Ziele: Kuznetcowa/Edisherov in Viersen

Alle Ziele: Kuznetcowa und Edisherov in Viersen







































Mit einer denkwürdigen Ausstellung schließt das diesjährige Kunst-Stipendium der Stadt Viersen. Unter dem etwas holprigen Namen Kunstgenerator und mit symphatischer Unterstützung der örtlichen Energieversorger wird es regelmäßig vergeben. Wo Firmensponsoring bei großstädtischen Museumsprojekten wie eine vorwitzige Okkupation aller guten Ziele wirkt, kann man das beim Kunstauftritt kleinerer Kommunen als sinnvoll akzeptieren: vor allem wenn, wie in diesem Fall, tatsächlich Mut und Größe gezeigt wird. Die Viersener 2011er Stipendiatin Katherina Kutznetcowa hat nach ihrer Meisterschülerschaft in Münster zurecht bereits verschiedene Stipendien und Preise erhalten, u.a. der Cité des Beaux Arts in Paris. Auch die spektakuläre Gestaltung des Wewerka-Pavillons oder des Kunstvereins Recklinghausen sind in bleibender Erinnerung. Die Ausstellung in der Viersener Städtischen Galerie im Park ist, wie so oft, mit ihrem Kunstpartner und Ehemann Alexander Edisherov erarbeitet und umgesetzt worden. Die beiden vereint neben der Parterschaft eine bestechend klare künstlerische Haltung.
Taghell
In den unteren Räumen der Galerie (siehe Bild oben) ist beeindruckend nachzuvollziehen, wie man eine taghelle Raumsituation mit scheinbar einfachen Mitteln vielschichtig öffnet, indem man etwas verschliesst. Das scheinbare Verstellen des Durchgangs löst dabei Begrifflichkeiten genauso auf, wie es neue Situationen herstellt, die mit Spiegelung oder räumlichem Gleichgewicht zu tun haben. Ein trennendes Element, das eine erneuerte Verbindung erst möglich macht. Dieser Tisch ist nicht nur ein architektonisches Angebot oder Symbol für ein Gespräch, sondern auch eine glänzende Plattform für Perspektive und Duplizität. Ein guter Ausgangspunkt, um den Umgang der Künstler mit der, ein Residenz-Stipendium vergebenden Stadt, genaueren Blicken zu unterziehen. Kuznetcowa und Edisherov sind in der Lage, durch ihren traumwandlerisch sicheren Umgang mit reduzierten, gesellschaftlich als einfach definierten Materialien, auf jede künstlerische Herausforderung überzeugend zu reagieren.
Flüchtig-aktiv
Das zeigt sich deutlich, teilweise dramatischer, ebenfalls in den oberen Räumen der Galerie.
Hat man als Betrachter im unteren Ausstellungsbereich eher das Gefühl formaler Beobachter zu sein, ist man durch die Dunkelheit bereits innerhalb der Arbeit, man ist schneller ein Teil von ihr, durch die gespiegelte Projektion sogar ein flüchtig- aktiver Teil. Es wandelt sich diese Installation mit Spiegel, Projektor und Obstkisten, die offensichtliche Trennung des Raums wiederum zur Öffnung desselben in verschiedene, teilweise poetische Schichten und Abbildungen.
 Die zusätzlich gezeigten Fotoarbeiten machen Bezüge zu Viersen deutlich oder bezeugen Aktionen im öffentlichen Raum der Stadt.

Der schön gemachte Katalog läßt glücklicherweise umfassende Einsichten in die bisherigen Arbeiten des Künstlerpaars zu. Eine solche kuratorische Betreuung ist heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich und ist daher besonders hervorzuheben.
Eine lohnenswerte Ausstellung. Hingehen.

Katerina Kuznetcowa | Alexander Edisherov
Vom 11.12.2011-22.01.2012
Städtische Galerie im Park
Viersen


Text und Image © Carsten Reinhold Schulz, 12.2011

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Chto Delat, Kunsthalle Baden-Baden, eine Überraschung.

Künstler, Kritiker, Philosophen und Schriftsteller in einer Gruppe.






































Das Plakat zur Ausstellung
macht so gar keine Lust in die Baden-Badener Kunsthalle hinein zu gehen. Die sub-line „Das Lehrstück vom Un-Einverständnis“ macht den Wunsch nach Kunst ebenfalls nicht wirklich drängender. Aber natürlich bin ich dennoch die Treppen hinaufgestiegen, habe eine Eintrittskarte für die Kunsthalle gekauft und eine Zusatzkarte für die Besichtigung der Anselm Kiefer Bilder im angrenzenden Burda-Museum mit Vehemenz abgelehnt. Das Café im Foyer war voll, die Ausstellungsräume leer, bereits das hat mir gut gefallen. Ich habe es später als Zeichen gewertet, das alle Café-Besucher tatsächlich an ihren Tischen gesessen haben könnten, um über die Ausstellung zu diskutieren. Ich hoffe stets.

Chto Delat bedeutet „Was tun?"
und ist zudem programmatischer Name einer in Russland zu verortenden Gruppe, die aus Künstlern, Kritikern, Philosophen und Schriftstellern besteht. Eine Verbindung die geradezu grossartig ist und die – mehr als aktuell – einen Weg gefunden zu haben scheint, menschliche und politische Erfordernisse mit vereinten Kräften in reflektierende und schöne Bilder, Sprache und Musik umsetzbar zu machen. Hier wird für mich eine Idee sichtbar, die als gesellschaftlich relevante Kunst Massstäbe setzen kann. Hier ist politische Kunst zu sehen und zu bestaunen, die diesen Namen tatsächlich und endlich verdient.

Solidarität und Kunst
Die Themen und Umsetzungen sind nicht nur mutig, weil sie im Zusammenhang mit einem Land stehen, das für seine unmenschliche Radikalität im Umgang mit Andersdekenden hinlänglich bekannt ist, sondern weil die Menschen um Chto Delat endlich den Begriff der Kunst in einem solidarischen Sinne begreifen wollen. Die Gruppe integriert in allem Tun eine, nicht nur von mir, lange geforderte Verantwortlichkeit und verwandelt sie in ästhetische Antworten, neue Diskussionsansätze und tatsächliche Schönheit.
Wenn einige der ausgestellten Objekte, wie zum Beispiel die Fahnen, zu Anfangs ein wenig gestrig anmuten, sieht man sich durch die nahezu perfekte Ausstellungskoordination und die Wahl der Materialien mit einfachen Mitteln in ein sinnvolles Ganzes versetzt.

Eine schöne Erfahrung.
Für mich ist die Ausstellung eine grosse, wunderbare Überraschung, die Mut macht.
Sie weist in Ihrer Komplexität weit über die im Ausstellungs-Flyer angedeuteten Reflektionen mit der russischen Geschichte oder dem Marxismus hinaus.
In Baden-Baden ist eine Chance für die Kunst des 21. Jahrhunderts zu sehen.
Auf jeden Fall hingehen.
Sehr empfehlenswert.

„Chto Delat“, bis 12.02.2012
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Lichtenthaler Allee 8 A
76530 Baden-Baden

Text und Image © crschulz, 12.2011

Mittwoch, 23. November 2011

Am Mahnmal der unbekannten Freiwilligen: Vorlesefest 2011

Lesen mit Hut und schönem Licht. (Foto © Carsten Reinhold Schulz, 2010)






































Ein Vorlese-Fest ist phantastisch. Ich habe bestimmt nichts daran auszusetzen. Erfunden wurde es, um Lust aufs Lesen zu machen und damit diejenigen zu erreichen und in möglichst große Bildungsnähe zu rücken, die ansonsten keine solche Förderung erhalten können. Dieser Ansatz wird umgesetzt durch ehrenamtliche Vorlese-Paten, die in Kindergärten, Schulen, Kindertagesstätten oder Büchereien zumeist Kindern vorlesen sollen. Solch ein Pate wollte ich gern werden. Beim Vorlesetag 2011 in Düsseldorf.
Da meine eigenen Kinder in der Pubertät sind und mittlerweile eher selten nach ihrem Vater als Vorleser rufen, habe ich mich entschlossen einem Zeitungsaufruf der „www.leseban.de“ zu folgen. Eine Kindertagesstätte in Düsseldorf-Bilk wurde mir zugewiesen, der Kontakt angebahnt, eine Zeit ausgemacht. Die stellvertretende Kitaleitung empfahl das Vorlesen von Märchen, die ich mir selbst aussuchen sollte und nach einigen Fotokopien und Lesetests in meinem Büro, bezüglich der Dauer des Lesens, war ich bereit in zwei Kinder-Gruppen zu lesen. Jeweils eine halbe Stunde vor Kindern, die bekanntlich eine der schwierigsten, aber auch dankbarsten Zuhörergruppen darstellen.
Die erste Gruppe war schlichtweg eine Katastrophe, plötzlich auftauchende, gefühlt Zweijährige, frisch mit Adrenalin aus dem Gymnastikraum versorgt,  sangen und riefen und spielten, alle ruhigen Kinder hatten keine Chance zuzuhören, meine hilflosen pädagogischen Versuche unterbrachen eigentlich nur das Lesen selbst und zerstörten die Konzentrationsversuche der sechs bis sieben Kinder, die sich auf das Vorlesen gefreut hatten. Keine Fachkräfte in Sicht – sie waren vermutlich froh durch den Vorleser mal ein bisschen Ruhe geniessen zu können.
Mein durchaus engagiertes Vorlesen (ich habe ein wenig professionelle Erfahrung darin) mußte ich nach zwanzig Minuten leider abbrechen. Ich konnte mich selbst nicht mehr verstehen. Vielleicht war zusätzlich der Text zu lang oder Andersen Märchen gehen gar nicht. Die Zuhörer-Kinder waren von den Lärm-Kindern entnervt, schrien und balgten sich aus Frust, ließen die kleinen Fäuste sprechen. Die erste Gruppe war insgesamt deprimierend.
Die zweite Gruppe, eine Etage weiter oben, war das genaue Gegenteil dieser Erfahrung. Keines der Kinder hier hatte Salzsäure gegessen, nein, sie saßen entspannt im Kreis und hörten sich mein Scheeweisschen und Rosenrot bis zum glänzenden Ende an. Einige lachten sich schlapp, als ich dem besonders bösartigen Zwerg eine verzerrte Stimme lieh und alle zeigten die verständliche Genugtuung über den Ausgang der Verwunschenheit. Das zu sehen hat logischerweise Freude gemacht. Es ist ein schönes Geschenk.
Im Gespräch mit der sehr netten KiTa Leitung stellte sich später heraus, daß sowieso eine Vorleserin regelmäßig die Einrichtung besucht und eigentlich kein Engpass an Leseaktionen zu verzeichnen war. Ich dachte eigentlich, Kinder denen kaum vorgelesen wird, erhalten durch den Vorlesetag einen neuen oder gar ersten Zugang zu passender Lektüre? Weit gefehlt. Das Programmheft wies zumeist offenbar prominente Vorleser und die Präsentation ihrer eigenen Bücher aus, die üblichen Schriftsteller des Umkreises hatten ihr Forum, die Büchereien auch und der türkische Konsul ließ es sich nicht nehmen etwas für den Nachwuchs vorzulesen. Das sieht politisch sogar besser aus, als Kinder auf den Arm zu nehmen. Die nette Frau Grimmepreis Westermann von WDR „Zimmer frei“ las aus ihren Büchern vor, die städtische Unternehmerschaft hatte als Initiatorin des Vorlesefestes dazu, zu eindringlichen bis eigentümlichen Selbstdarstellungen lokaler Autoren und zu spätem Fingerfood ins Hotel Maritim geladen. Alles wirkte wunderbar vertraut. Was habe ich medial später noch vom Lesefest gehört? Ein Werbebüro aus Frankfurt, oder war es Stuttgart, konnte eine von seinem Büro entwickelte Lesebox im Rathaus installieren, um damit für sich und – natürlich – die Kinderförderung und das Lesefest zu werben. Der Hinweis auf die Serienreife der Box fehlte meines Wissens nicht. Tue Gutes und lass davon sprechen. Das ist überall Usus. Daran ist wohl nichts auszusetzen.
Als Lesender hätte ich gerne einige Erfahrungen ausgetauscht mit anderen Vorlesepaten.
Eine Liste dieser ehrenamtlichen Hundertschaften ist auf der Homepage des Lesefestes nicht zu finden. Ein Hinweis auch nicht.
Nicht schlimm. Aber ein wenig mehr Stil würde mir persönlich Freude machen.
Immerhin geht es um Literatur ...


Carsten Reinhold Schulz
„Der Künstler als Kritiker

Donnerstag, 3. November 2011

Kultur und Terrorismusbekämpfung: ein Schadensfall.
























  


Aus kulturell interessierter Sicht gibt es gute Gründe, auf die schleichend anmutende Einengung der vom Grundgesetz als unantastbar klassifizierten Begriffe der freien Meinungsäußerung näher einzugehen. Die im Internet vielfach anzutreffenden, eher zweifelhaften Elaborate zum soeben erneuerten Terror-Bekämpfungs-Ergänzungs-Gesetz, z.B. in Diskussionsforen rechter Nationalisten wie auch in denen linker Verschwörungstheoretiker, sollten nicht davon abhalten, die Stimme als Demokrat kritisch zu erheben.
Gegen ein Klima beginnender Angst
Die Vorstellung, das weitgehend unkontrolliert, bisher strikt von der Exekutive getrennte Geheimdienste durch neue Befugnisse Möglichkeiten einer Geheimpolizei erhalten könnten, dürfte für Bürger ebenso beunruhigend sein, wie es für den Freiburger Staatsrechtler Ralf Poscher der ominöse Begriff des „Aufstachelns“ ist. Im Regierungsentwurf soll es durch diese Wortfindung möglich sein, kritische journalistische Äußerungen, wie es das einfache Befürworten einer Sitzblockade in einem Artikel oder Blog sein könnte, zu erfassen und damit faktisch zu kriminalisieren. Selbst wenn sich vorerst keine direkten Strafen ergeben, schaffen solche Formen der Kontrolle ein beginnendes Klima der Angst. Wer das Rückgrat der meisten Menschen einmal aus eigener Anschauung heraus kennengelernt hat, dem dürfte klar sein, welche rigiden Formen gesellschaftlicher Selbstkontrolle mit Angst zu erreichen sind.
Da kann es niemanden beruhigen, dass die Regierung einen weisen Umgang mit dem Gesetz anmahnt. 
Es gibt keine harmlose Unterdrückung
Gerade für Deutsche dürften die 1933 plakatierten Thesen zur infamen „Sammlung des zersetzenden Schrifttums“, anklingen. Dort stand geschrieben, heute eigentlich undenkbar: „Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter.“ Sollte in Zukunft das positive Bewerten von Sitzblockaden wieder ein verräterischer Akt gegen Deutschland sein? Vergleiche wie diese können verdeutlichen, wie dünn die Grenze zur Kulturlosigkeit ist. Wie wir alle wissen könnten, waren die Folgen der Thesen nicht nur das Schweigen freier Kunst, sondern eine Flut kulturschaffender Exilanten und der Horror rechter Nazihorden. 
Sobald man beginnt Kontrolle über die Denk-, Meinungs- oder Anschauungsprozesse von Menschen erhalten zu wollen, beginnt der Prozess der Unterdrückung, ja, der versuchten Unterwerfung. Dass heutzutage in demokratische Findungsprozesse eingebundene, harmlos wirkende Veränderungsabsichten als Salamitaktik daherkommen, kann nicht mehr wundern. Genau für diese Technik der Verschleierung haben japanische Behörden, die sich bis heute alle Mühe geben den Skandal von Fukushima zu vertuschen, einen internationalen Preis für herausragende öffentliche Berichterstattung erhalten ...  
Solidarität gegen Kulturlosigkeit
Einer Äquivalenz folgend, wird man bei den im erweiterten TBE-Gesetz angedeuteten Aushöhlungen von Grundrechten, an die notstandsähnlichen Zustände während der innerdeutschen Terrorismusbekämpfung in den 1970er Jahren erinnert. Sie führte zu kräftiger Aufrüstung in den Waffenarsenalen der Polizeikräfte und den Organen der inneren Sicherheit. Dieses, damals vom Terrorismus gewünschte Verhalten des Staates, wurde mit seiner Entlarvung als militaristischem Unrechtsstaat gleichgesetzt: ein Teufelskreis entstand. Der Effekt tritt seit geraumer Zeit praktisch deckungsgleich im „Nach-Nine-Eleven“ Zeitalter ein.
Jedes, die ­­Grundrechte einschränkende Gesetz, spielt demnach den Falken im Staat, den Extremisten und Kulturlosen in die Hände. Gesetze nämlich, zur Verhinderung von Straftaten gegen Demokratien, sind selbstverständlich notwendig. Das kann von niemandem bestritten werden, der den fünften Artikel des Grundgesetzes jemals gelesen hat. Das Recht der freien Lehre gerät auch dort an Grenzen, wo sie den Boden des Verfassungsmäßigen verlässt.
Sobald Regierungen jedoch beginnen, Grundrechte in Abrede zu stellen, um mit solchem Reglement angeblich die Freiheiten der Demokratie zu schützen, ist nicht nur starke Vorsicht geboten: dann ist bereits die Solidarität der Menschen gefordert. Eine menschliche Solidarität, die sich gegen Anfänge sich durchsetzender Kulturlosigkeit wehren kann. 
Zwischen Reaktion und kultureller Bewegung
Politik setzt die erschaffenen Maßstäbe der menschlichen Freiheiten, Rechte und Pflichten formal ein und garantiert sie. Sie darf auf keinen Fall, demokratische Auseinandersetzungen oder Entwicklungen gegen die Demokratie selbst richten. Das nannte man früher wie heute reaktionär. Damit steht sie Entwicklungen der Zukunft und der Kultur feindlich gegenüber. Es deutet zudem auf ein eingetretenes Verständnisproblem bei Volk und Regierung hin, die damit begonnen zu haben scheint, sich als Machtapparat vom Souverän zu entfernen. Zugesicherte Menschenrechte und Freiheiten, wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst, werden mit den erneut vorgelegten und erweiterten Gesetzen zur Terrorbekämpfung und den entsprechenden gesetzlichen Begleittexten, durch eine undurchsichtig bis teildemokratisch agierende Bundesregierung in Frage gestellt. So sind jene bereits erwähnten, die Gesetzesverlängerung begleitenden kryptischen Äußerungen zum Thema „Aufstacheln“ gegen den Staat bestimmt nicht geeignet das Vertrauen in unsere Regierungen zu revitalisieren. Ebenso wenig machen unter den Teppich gekehrte Entdeckungen über das Gremium der sogenannten „Neun“, das offenbar von niemandem legitimierte Entscheidungsbefugnisse besessen hat, wirklich Mut. Auch wenn das Geheimgremium dankenswerterweise soeben vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde. Wer denkt sich so etwas gefährliches aus und kommt damit durch? Damit eine Demokratie funktionieren kann, darf sie – man traut sich kaum es zu sagen – nicht einmal kurzfristig außer Kraft gesetzt werden. An diesem Punkt scheidet uns offenbar die Macht die wir riefen.
Kontrollwahn als Ratlosigkeit der Macht
Die Liste der Länder, die in Zeiten unsicherer politischer Machtverhältnisse, über den Weg der Einschränkung und Manipulation meinungsoffener Kultur, nach neuer Stabilität streben, dürfte lang sein. So zeigen sich derzeit in Ungarn merkwürdige Verflechtungen von nationaler Überheblichkeit und einer ebenso interpretierten Freiheit der Meinung und der Kunst. Aus ähnlichem Holz geschnitzt sind die vor einigen Jahren nachgewiesenen Eingriffe der US Regierung, die gegen Zahlungen von Millionenbeträgen mit redaktionellen Berichten in irakischen Zeitungen die Öffentlichkeit lenken wollten. Wir denken mit Unbehagen an die Verwicklungen der Murdoch-Presse mit dem Regierungsviertel Londons oder die Verheiratung Italiens mit der Presse durch Berlusconi. Angstvoll blickt man nach Russland, wo mutige Journalisten von stillen Kräften nicht nur mundtot gemacht werden. Selbstverständlich zeigen solche Sachverhalte und die überregulierenden Gesetzgebungen eine gewisse Ratlosigkeit der Macht. Sie hat dazu geführt, den Souverän selbst als ein mögliches Problem anzusehen. Dies ist die eigentliche Crux. Nach fünfzig Jahren überbordender deutscher Gesetzgebung für alle Fälle, ist für die neuen Technokraten der Demokratie vermutlich kaum noch vorstellbar, das nur eine Hinwendung zu den Wünschen der Menschen und die unbedingte Durchsetzung einer nachvollziehbaren, offenen Demokratie, Perspektive und Gebot der Stunde sein kann. Auf keinen Fall ist es die weitere Einschränkung der Menschheit durch immer engmaschigere, alle Eventualitäten einschließende Gesetzesvorgaben.
Es muss weiterhin möglich sein, einen Staat, der sich von seinen demokratischen Grundsätzen entfernt, als einen solchen zu bezeichnen.
Das gilt für die Kunst, das gilt für die Presse und für jeden einzelnen Menschen sowieso. Gesellschaftliche, kritische Auseinandersetzungen bleiben demokratische Notwendigkeiten und dürfen nicht einem angstvollen Kontrollwahn geopfert werden. 


Carsten Reinhold Schulz, Düsseldorf
Das zweite Feld der Kunst

Dienstag, 1. November 2011

Internationale Briefe an das zweite Feld: Teil 3

Hola, Tussis. Again the I-write.
Finally dem Flieger aus la Suisse.
Where totally flink mountains?
Städtchen of tiny lights. Tock-tock talk.
Absolut white for no one Gebrauch.
Klasse Versuch der kleines triggerfahrt.
Fun und Lachen überall gemacht gehört.
Kleines land aber no maximum heat.
Sind die Liebes but ohne exciting Aufruhr.
Anything, no Räumung, keine Kraken, show me!
See and mère. Toujours la même.
Allways allem das Diner in time.
Nu hebben we een question of democracy,
null-null dime is no fun und
flitter stolas zijn just petit vegetables.
Like ein fettig Kästchen cucumber.
Das is Youth abzocken die Haut.
Wie snake on the chaussures.
To be: ableben and anleben people!
Die whole sind feel-sorrow adults ohne Schmerz.
Lines over and over and over and out.
Niemand denken an Haare and Griessbags.
Alle Sin beer-craquelage.
Und nobody is listening mehr to Radio-Stadt.
Die dunklen homes zijn verkocht
Heavy verpufft in atmosphere
So als letzte bomb from shelter geht
im Orkus of general time.
Erkenne maintenant die sour
mit alles die Plage heads
because niemand nomore beachtet die Dylan shirts.
Nylon shoes sind die Arms zum kommen.
Be honey! So ist. Couchon the nose AND rump.
Süsses Herz: sonst gut living Blue Bayou?
Encore gaan we gezellig Coffee-shop?
Heavy waiting dafür to see you mit Bird.
Was kommt now, shit?
The light and mantel-sharing Aktion ahead.
Verrückte, crazy Christian-Menschen.
Nix teilen die Energy platforms.
No more we can. More. Tin can.
Tin-can!


Auszug aus:
„Internationale Briefe an das zweite Feld“,
Songs, Texte, Briefe.
© carsten reinhold schulz 01.11.2011 Düsseldorf

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Occupy Wall Street, Occupy Düsseldorf: it's 2011

Gebraucht werden u.a.: Kordel, Kisten, Kaffe, Schnüre, Gemüse, Margarine und Feuerlöscher




Occupy Düsseldorf an der Johanneskirche am Tausendfüssler















































Symphatisch: „Echte Demokratie jetzt“ und ein nur lapidar scheinendes „Mitmachen“– so steht es u.a. auf den selbstgemalten Pappschildern und Spruchbändern der Occupy-Düsseldorf Gruppe, die jetzt im Schatten von Tausendfüssler und Johanneskirche ihre Zelte aufgeschlagen hat. Jeden Tag um 19.00 Uhr ist eine Vollversammlung einberufen, an der teilnehmen kann, wer sich für grundlegende Veränderungen in Punkto finanzielles und demokratisches Missmanagement in unserer Gesellschaft interessiert. Mehr noch als Interesse ist natürlich aktives Mitmachen und Unterstützung erwünscht und gefordert. Denn, daß die innige Verflechtung unseres Staats- und Bankensystems nachhaltig negative Folgen zeitigen wird, muss nicht mehr speziell betont werden. Es dürfte im Interesse jeder Bevölkerung sein, von Regierungen geleitet zu werden, die im Sinne der wirklichen Wünsche und Ängste der Menschen handeln und die nicht die ihnen anvertrauten Steuergelder nutzt, um missratene Machtinteressen und rücksichtslose Spekulationsgeschäfte der Finanzwelt auszubügeln.
Wie es auf den Plakaten an der Wand der Johanneskirche zu lesen ist, werden neben der wichtigen öffentlichen Unterstützung  derzeit noch gebraucht: Kordel, Kisten, Kaffe, Schnüre, Gemüse, Margarine und Feuerlöscher.
Hingehen.


Carsten Reinhold Schulz und
Das Zweite Feld der Kunst

Montag, 24. Oktober 2011

„Nie wieder störungsfrei“. Das Ludwig Forum.





































    Es ist ein beeindruckender Titel, den das Aachener Forum Ludwig zu Recht vor sich hertragen darf. Somit zeigt das erste deutsche Museum für aktuelle Kunst zum Abschluss seiner Jubiläumspräsentationen schlüssig seinen eigenen Beginn. Die riesige Sammlung des Sammlerpaars Ludwig ist mit der allerorten gerne beschworenen Aufbruchstimmung der 1960er Jahre in Aachen eng verbunden und hat dort gerne Ihren Ursprung. Der hochaktuelle, animierende Satz Ludwigs, das Museen stets „ohne Furcht“ agieren sollten, wurde bei der Eröffnungsrede von Stadtdirektor Wolfgang Rombey zitiert und konnte in Zeiten kultureller Ziellosigkeit der öffentlichen Hand ein wenig der alten Hoffnung in die Gesichter der zahlreich anwesenden Gäste und Zeitzeugen zwingen.
Die sehr breit gefasste, beinahe wild gemischte Ausstellung kann schon beim ersten Durchschlendern der Räume mit etlichen interessanten und überzeugenden Einzelarbeiten auffallen. Rosenquist, Ramos, Filliou und Spoerri, irgendwie sind wir ja alle mal Avantgarde.
Die Mischung der Werke zeigt jedoch präziser worum es in der Schau geht, als es das Bild der Einladungskarte mit einem entwaffnend blutenden und zielstrebig blickenden Beuys vermag.
Denn nur der Ausstellungstitel „Nie wieder störungsfrei“ verweist deutlich auf eine kulturelle Zäsur, die in der Kunstentwicklung der vorgestellten Jahre stattgefunden haben soll. Nicht jede einzelne Arbeit lässt sich da zwangsläufig einordnen. Muss ja auch nicht. Vor allem wird eine Sammlung zur Begutachtung freigegeben, die sehr umfangreich ist.

    Störungen, vergangene Revolutionen und ihre Gesten sind nicht ohne Grund mit dem Nimbus des Traurigen behaftet. Dieses intensive Gefühl kann den Betrachter tatsächlich erreichen. Starke Emotionen gehen jedoch von den ausgestellten Arbeiten selbst nicht unbedingt aus –vielleicht muss man dazu dabei gewesen sein. Beinahe putzig-hoffnungsfroh, naiv-bemüht empfindet man jetzt einige der Relikte, Kunstobjekte oder Filme, die vor gut einem halben Jahrhundert noch für wilde Furore gesorgt haben sollen. Die Sammlung verfügt dabei über genügend nützliche Exponate, um den Eindruck des zu theoretischen oder zu Video-lastigen, z.B. durch die Hängung eines enomermen Gemäldes auflockernd malerisch zu flankieren oder durch eine flackernde Jenny Holzer im Monumentalen zu bespielen.
    Es wird gar nicht erst versucht, die alte Stimmung beschwörend wieder herzustellen: der zentrale, etwas abgesenkte große Raum, wirkt wie eine Mischung aus selbstgebauter Art Cologne und stylischer Flughafen-Lounge: eingebettet in weißen, elegant wirkenden Sofa-Inseln schaut man Filme wie Zuhause, in denen sich auf flachen Monitoren Menschen in etwas wälzen, das tatsächlich aussieht wie Kuchen. Flüchtige Bilder süßer, aber vergangener Exzentrik? Dokumente sozialer Umwälzungen oder die beginnende Gleichberechtigung der Geschlechter? Nach persönlichen Gesprächen mit Künstlern aus der Zeit darf man sich nicht sicher sein, ob nicht gerade die -60er und -70er Jahre, für die Unterdrückung der Künstlerinnen durch ihre männlichen Kollegen beispielhafte Zeiten waren.
Der eher neutralen Form des architektonischen Ausstellungskonzeptes widersprechen herumliegende, frisch fotokopierte Exemplare der Kunstzeitung „Gegenverkehr“ aus den 1960er Jahren und die zahlreichen Sitzsäcke. Im besten Fall gefühlsbetonende, zeitbezogene Reminiszenzen: die berüchtigten Design-Zitate.
    Die während der Eröffnung laufende Aktion der Taschenkontrollen mit der Markenklebung „O.K.“ am Revers und das fingierte Registrierungsbüro liefen allerdings der Zeit hinterher. Diese Aktion war ein schönes Beispiel für ein gern fehlinterpretiertes Verständnis von politischer Kunst heute – oder war es die Wiederbelebung einer alten Aktion, oder war es gar Realität? Es macht eigentlich keinen Unterschied.

    So wird das aktuelle Museum zu einem sentimentalen Ort, bei dem man vor allem versteht, das die außerhalb des Musealen sich entwickelnden sozialen und politischen „Happenings“ und Aktionen des 21.Jahrunderts, wie die des „occupy wallstreet“ oder des näher liegenden „occupy Düsseldorf“– trotz des Aufrufs zum Museum ohne Furcht – noch nicht als künstlerische Stimme wahrgenommen werden können. Heute sitzt der junge Aufbruch in kalten Zelten und entwickelt dort neue Formen der sozialen Kraft über selbstgemalte Poster. Draußen begehrt die Jugend auf gegen einen wegwerfenden Finanzbegriff und im Museum feiert man sich und einen fünfzig Jahre alten Aufbruch mit bemerkenswert klein gewordenen menschlichen Utopien. Ist es nicht die Generation der Sechziger die jetzt an den Schalthebeln der Macht und des Kulturapperates sitzt? Wo bleibt die Haltung des Aufbruchs dort? Im Pressetext erwähnte aktuelle Bezüge aus dieser Perspektive sucht man in den angekündigten neueren Arbeiten tatsächlich vergebens.

    Aus rein musealer oder didaktischer Sicht ist „Nie wieder Störungsfrei“ sicherlich eine sehenswerte Leistungsschau. Keine Frage: es gibt viele Arbeiten zu sehen, die richtig Freude machen und nicht nur als Erinnerungsstücke funktionieren können. Beeindruckend: Suzan Pitts Asparagus Theatre. Nice to have you back: die wieder aktive Grand Dame der Aktionskunst Chris Reinecke, die zumindest so mutig war eine neue Arbeit zwischen die alten zu hängen, die tollen wegweisenden Sachen von Peter Brüning, die unglaublich frischen Bilder d’Archangelos
Sieht man ja alles nicht so oft.
Auch nicht den besonders seltsam anmutenden kleinen Raum mit Grafik von Robert Stanley, der erst ab einem Alter von 18 Jahren betreten werden darf. Es war zu erleben, daß einige bunte grafische Umsetzungen von sexuellen Handlungen noch heututage zu einem hektischen Zuziehen der Vorhänge durch das Aufsichtspersonal des Museums führen. Eigenartig in einer Zeit, in der zwölfjährige Kinder Hardcorefilme auf Ihren Mobiltelefonen untereinander tauschen. Ist auch das eine Folge des Aufbruchs der 1960er Jahre?
Das Aachener Forum Ludwig hat eine schöne Schau im eigenen Haus produziert und dazu einen überaus sehenswerten Katalog gestaltet.
Ein gewonnenes Heimspiel.



NIE WIEDER STÖRUNGSFREI
Ludwig Forum Aachen
Aachen Avantgarde seit 1964
22.10.-05.02.2012



text und foto ©crschulz, duesseldorf 2011

Montag, 17. Oktober 2011

Düsseldorfer Friedenspreisträger klagt gegen die Meinungsfreiheit.

Menschen hoffen, Wunder kerzen.




Ein Blog eignet sich wegen seiner vorgegebenen Diskussionsfunktion besonders gut,
um ein öffentliches und interaktives, kritisches Medium zu sein: jedem Leser steht eine Kommentarfunktion permanent zur Verfügung. Der Düsseldorfer Friedenspreisträger von 2007, Herr Hubert Ostendorf scheint den massiven Klageweg gegen das Kunst- und Blogprojekt „Der Künstler als Kritiker“ und gegen den Blogger persönlich als Form der Auseinandersetzung zu bevorzugen. Zumindest ist, wegen angeblicher Beleidigungen innerhalb eines konstruktiv-kritischen Artikels, eine mehrseitige Klageandrohung und Schrift seines Anwalts in der Redaktion dieses Blogs eingegangen, die mit einer fünfstellig angesetzten Schadenssumme und hohen zusätzlichen Anwaltskosten versucht, eine kritische Stimme über zweifelhafte Methoden der öffentlichen Kunstvermittlung der Galerie- und Obdachlosen-Organisation fifty-fifty mundtot zu machen. Es zeigt sich darin eine Form der Auseinandersetzung, die man nicht von Menschen erwartet, die im Allgemeinen die eigenen Ziele und Ansichten stets auf der richtigen Seite der Güte verorten.

Aggressiver Schlag gegen ein Kunstprojekt

Tatsächlich soll hier nicht nur die jounalistische Freiheit und damit die Meinungsfreiheit mit dem Holzhammer finanziellen Drucks zertrümmert werden. Allemal ist es auch ein aggressiver Schlag gegen ein dokumentiertes Kunstprojekt, das sich seit 2009 mit den Zusammenhängen von Macht und Kunst beschäftigt - ein Angriff also, den man von einem Galeristen, dem der aktuelle Diskurs innerhalb der Kunst nicht fremd sein dürfte, am wenigsten erwartet. Schlimm ist jedoch, dass der Anwalt des Klägers Ostendorf von der Blogredaktion sogar die Herausgabe von Daten und Adressen Dritter (es sind tatsächlich Ihre Namen und Daten, liebe Leser), unter Androhung von Strafen und Gericht, zu erpressen versucht. (Der anwaltliche Brief steht als PDF-Download zur Verfügung: siehe link unten). Dies ist durchaus mit dem Aufruf zu einer Straftat vergleichbar.

Klassische Unterdrückungsmethoden

Das der Galerieleiter einer sozial orientierten Beschäftigung nachgeht, um die Gewinne aus Kunstverkäufen Obdachlosen zugute kommen zu lassen, scheint den Einsatz klassischer Macht- und Unterdrückungsmethoden, wie den Gebrauch starken finanziellen Drucks gegen die Meinungsfreiheit anderer Menschen, offenbar nicht zu verhindern. Das sich bei einem solch rigiden, antidemokratischen Vorgehen überhaupt anwaltliche Hilfe, durch den Düsseldorfer RA Rainer F., finden lässt, überrascht vollends.
Es gilt: an der in diesem Blog vom 16. September 2011 geposteten Kritik und gestellten Frage ist jetzt mehr denn je festzuhalten: wie weit haben sich Teile der Leitung des Obdachlosenprojekts „fifty-fifty“ von Ihrer eigenen sozial-verantwortungsvollen und sinnvollen Idee entfernt?

Die gute Absicht als Grundlage der Rechtsbeugung?

Mit der unreflektierten Reaktion gegen die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst hat
Herr Ostendorf erneut die ursprünglich gute Idee der Organisation um Bruder Matthäus beschädigt und offenbart, dass er sich selbst zubilligt über dem Recht und den Vorstellungen anderer zu stehen oder stehen zu wollen. Das ist überaus bedenklich zu nennen, denn die gute Tat rechtfertigt niemals die Unterdrückung anders Denkender oder gar Formen der Rechtsbeugung. Diese Art gesellschaftlicher Vorstellung berührt die beängstigende Logik der Ideologien, die freien Menschen unter Androhung von Strafen gute und schlechte Anteile zuweisen möchten.
Geforderte Einsicht, Haltung und die Suche nach neuen Formen sozialer Solidarität scheinen dringlicher denn je.
Ansonsten gilt es mit lauter Stimme zu verkünden:
„Es lebe die Kritik. Es lebe die Meinungsfreiheit. Es lebe die Freiheit der Kunst.“

Carsten Reinhold Schulz



Sie können die Klagedrohung hier nachlesen. Bitte klicken.

Freitag, 14. Oktober 2011

Droste Verlag: zweifelhafter Stadtteilführer „Flingern“

Flingern, Kiez, Kunst, Kultur im Droste Verlag

























Der Düsseldorfer Droste Verlag ist dabei, eine Reihe kleinerer Stadtteil-Führer, also Teilansichten der Stadt herauszugeben. Das dürfte alle diejenigen freuen, denen die bisherigen Stadtführer zu wenig spezialisierte Informationen zu bieten hatten und denen Lokalkolorit wichtig ist. Das neueste, 128 Seiten starke Heft handelt vom Stadtteil Flingern. Es ist trotz der vielen Gentrifizierungsdiskussionen der letzten Zeit mit „Kiez, Kunst und Kultur“ untertitelt. Das Buch handelt – etwa zur Hälfte – von der Geschichte Flingerns, mit Beschreibungen zu Stadtgeschichte und Architektur, die bis in die heutige Zeit hineinreichen und Besuchern und Einheimischen kleine Einblicke in Ihre Umgebung geben können. Allerdings lässt sich schon bei den Bildern des Stadtwerke-Parks das Foto eines Pavillons erkennen, das definitiv geschönt wurde oder viele Jahre zurückliegen muss. Mit der aktuellen und ästhetischen Lage vor Ort hat es nichts mehr zu tun.
Auch bei den Auflistungen der aktuellen Szene-Läden und sogenannter In-Treffs im Stadtviertel fehlen viele der wichtigen und prägenden Läden. Es scheint so zu sein, daß die Autorin des Heftes womöglich eine Auswahl getroffen hat, die von anderen Kriterien abhängig gewesen sein könnte, als von halbwegs objektiven. So fehlen die tatsächlichen und sympathischen In-Plätze wie das langjährig in Flingern ansässige „Café Rekord“ – letztes Jahr von einem renommierten Schweizer Verlag zu einem der hundert schönsten Cafés erklärt – ebenso, wie das „Oma Erika“, ein jeden Tag aus gutem Grund übervolles Café (das Bild der Galerie Leuchter wurde sogar aus der Café-Perspektive aufgenommen). Die echten Feinschmecker werden das zentral auf der Ackerstrasse gelegene „Haschi's“ im Buch vermissen, in dem einer der besten Köche Düsseldorfs mit seiner Frau exzellente Crossover Küche anbietet und gelegentlich der Fussballer Raoul oder der Kaberettist Dieter Nuhr vorbeischauen. Ganz zu schweigen, das von ambitionierter französischer Küche inspirierte kleine Restaurant „Chat noir“ auf der Herrmanstrasse. Es fehlt auch das echte Szene Restaurant „Vitale“ oder das super gelegene vegetarische Restaurant „Sattgrün“. Das gleiche gilt für eine echte Tradition: „Die Erbse“ hat Flingeraner Künstler und Musiker schon mit Kaffee und leckerer Küche versorgt, als beinahe alle im Buch aufgelisteten Lokale noch gar nicht da waren. Es ist nicht im Buch. Da wundert es nicht mehr, wenn das andere gute Lokal der gleichen Besitzer ebenfalls nicht im Heft ist. Vergessen worden sein kann es nicht, denn die gleichnamige „Flurklinik“ ist als ehemalige Entbindungsklinik natürlich beschrieben. Christiane Wink, als eine der innovativsten jungen Schmuck-Designerinnen des Viertels fehlt mit Ihrem wunderschönen Laden „Privat“ ebenso wie der unbedingt sehenswerte Flingeraner Anglerladen fünfzig Meter weiter. Auch nicht zu finden: das vom renommierten Designer Axel Wowereit wunderbar klar gestaltete „Noema“ auf der Hoffeldstrasse, einer der Top Adressen der Stadt, wenn es um Haare geht. Unerwähnt bleiben auch die beiden, im Sommer lange Schlangen bildenden Eiscafé des Viertels. Oder der Germany's next Top Model-Friseur „St. Pauli Blond“, der mit seinem großen Laden auf zum Teil spektakuläre Art und Weise versucht, Kultur, Mode, Party und Lifestyle zu verknüpfen – schon beinahe ein Kulturzentrum ... eindeutig ein Hingucker, wichtig fürs Viertel. Alle soeben aufgezählten Orte zählen zu den eindeutig „bildgebenden“ Momenten der Kultur in Flingern. Warum sind gerade diese nicht in einem gerade erschienenen, halbwegs aktuellen Heft? Alle diese Plätze und ihre Menschen verbindet wohl die fehlende oder ausreichend grosse Beteiligung an den gewerblich orientierten Werbe-Aktivitäten der Autorin, Frau H.-Kranz, im Vorfeld.
Da dies ein Blog über Kultur und Kunst ist, will ich auch über die im Heft auftauchenden, für Flingern exemplarisch erscheinenden Künstler sprechen. Ich hege ständige und große menschliche Sympathie zu den sechs beschriebenen Künstlern Herrn Bouchet, Frau Spook, Herrn Wanner-Krause, Frau Dembny (hat übrigens ihr Ackerstrassen-Atelier vor langer Zeit schon aufgegeben), Frau Etienne oder Frau Felicitas Lensing-Hebben. Der Stadtteil ist jedoch voll mit offener orientierten Künstlerateliers, daher muss ich es so deutlich sagen: die im Buch getroffene Auswahl ist, bis auf eine Ausnahme recht provinziell und schadet dem Kunststandort, der über so viele engagierte und professionell arbeitende Künstler verfügt, eher als er nutzt. Hier war die Autorin im besten Fall zu faul zur Recherche.
Das gegen Ende des Buches, auf mehreren Seiten redaktionell eingebunden, die Autorin Ihre eigenen, gewerblichen Aktivitäten zu den Leistungen und Besonderheiten Flingerns dazu zählt, macht den zweiten Teil des Heftes leider nicht angenehmer. Das ist letztlich schade und ruft eigentlich nach einem neuen Stadtteilführer, der mehr quaitative Einblicke vermitteln und tatsächlich aktuell sein könnte.
Der ansonsten seriöse Droste-Verlag muss sich fragen, ob ein solcher Führer professionellen Merkmalen und Ansprüchen genügt.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

AKKi fliegt: 99 mal Malerei am Himmel






































Morgen, am Freitag geht das diesjährige Drachenkunstprojekt  mit einer spektakulären, fliegenden Ausstellung von 15 -17 Uhr am Himmel zu Ende.
1034 Düsseldorfer SchülerInnen präsentieren 99 Riesendrachen, die sie in den vergangenen Wochen im Akki-Haus bemalt haben. Unterstützt wurden sie dabei von Akki-Mitarbeitern und den Düsseldorfer Künstlerinnen und Künstlern Anke Berßelis, Corinna Bernshaus, Ellen Bernstein, Christa Gather, Bettina Marx, Christian Dünow, Simon Evertz, Nils Hamm, Sebastian Kalitzki und Rainer Schmidt. Jeweils 12 Quadratmeter standen den Gruppen für plakative, großformatige Malerei bereit und damit für alles, was die Phantasie hergab.
So entstanden ebenso spannende wie witzige, märchenhafte und aktuelle, kinderkulturelle Themen. Vom „Spray-Can–Grafitti“ bis zum „XXL-Burger“, vom „fliegenden U-Boot“ bis zum „Luftschlösserbaum“, vom „Karottenmarterpfahl“ bis zum „Riesencomputerspiel“ und vom „Kinodrachen“ bis zum „segelnden Sportplatz“ – die Liste der origineller Einfälle und Skurrilitäten ist schier endlos.
Angesichts des prognostizierten, herbstlichen Sonnenscheins wird das ein poetischer Moment, den sich niemand entgehen lassen sollte, wenn er in Düsseldorf ist.

Hans-Peter Rams 


Drachenkunst-Projekt
Rheinwiesen, Oberkassler Seite
Freitag, 14.10.2011
15.00-17.00 Uhr
 

Dienstag, 11. Oktober 2011

Teil 2: Internationale Briefe an Das Zweite Feld





































Hello.
Off-off, I-freak, You-freak,
da geht’s so long weiter.
Further under lichten Linden,
Linda linda, lindo, Hoh.
Hat sich vermisst, La Dings
in meinem Kopf alleine voll feelings.
Das gewesen:
Quiet alles, but the corpus quietscht,
making purple noisetty noise
permanent spinning la bicycletten
machen voll, mach voll,
die vieux Gelenke schmieren. Nicht true?
Das old Fett sweat
mit voll den T-shirt Flecken
alles Gute für die Sommertime
Oh Weh, Oh Weh, Oh Weh,
Oh Weh, Oh Weh, Oh Weh,
Oh Weh, Oh Weh, Oh Weh.
Ist es nicht again the final?
Zum Year gehen das Ende?
That’s non in Ordre. Hell.
Was kommt noch die Gesamtheit, Menschen?
Ist es so Kurzweil geschehen über nuit?
Über Köpfe? Über alle Köpfe weggesehen.
Komisch point of Sicht, gell.
Dear Friend. Mach es well.
Und weiter. Ja. On and on.
Onononononononononon das.

Grafik (1991) and Text: ©crschulz, Düsseldorf, Oktober 2011

Montag, 10. Oktober 2011

Die Kniende, ist die Kniende, ist die Kniende …

























Die Nachbarstadt Duisburg ist nicht weit und die Ausstellung zu Lehmbrucks „Kniender“ ist gefühlt bereits nah an einem hundert Jahre alten Herzenswunsch.
Parken am Kant-Platz um 11.00 Uhr und dann sind wir nicht die ersten Besucher, die eher betreiberfreundliche Öffnungszeiten ab 12.00 Uhr zur Kenntnis nehmen müssen. Egal.
Die Stadt liegt vor uns, also, rasch noch in die Küppersmühle, dem Museum für aktuelle Kunst vor Ort. Dort ist glücklicherweise schon seit 10.00 Uhr auf. Wunderbar entspannte Räume – toll, die Darboven-Harburg-New York-Nummer. Auf dem Rückweg an Dani Caravans Park und noch mehr vorbei, und ein extremer Regenguss lässt uns die sehr lieben und freundlichen Damen von der Bürgerstiftung Duisburg kennenlernen, die uns zum Trocknen dabehalten und einen Kaffee brühen. Wieso ist man eigentlich nicht öfter in Duisburg? Wir wußten nicht mal, dass es dort eine Stadtmauer gibt ...
Zurück am Lehmbruck-Museum ist es Frau Nicolai die uns einlässt (der Name steht glücklicherweise auf dem Kassenzettel). Sie setzt die Duisburger Riege von freundlichen Menschen an diesem Mittwoch fort.
Schon beim Eintritt ins Museum wird gleich klar, dass in dem, in den 1960er Jahren vom Sohn des Künstlers, Manfred Lehmbruck, entworfenen Bau, andere Betrachtungsbedingungen für Kunst herrschen, als in den meisten „white cube“ orientierten Museen. Hier muss man sich den Blickwinkel unter etwas schwierigeren, weil ungewohnten Rahmenbedingungen suchen. Rechts vom Eingang knubbeln sich die Skulpturen auf relativ engem Raum, unterlegt von schwierigen, grünlichen Sockelfarben, der größte, Foyer-artige Raum des Museums sieht dagegen seltsam leer aus, das zentrale Element des Raums ist nicht die Kniende, sondern die unglückliche Leere vor dem Flügel auf einer flachen Bühne. Möglicherweise ist dieser Zustand, der die Arbeiten Lehmbrucks oder Maillols an die verglaste  Fensterfront drängt, den abendlichen Konzerten geschuldet? Am Fenster zu stehen bedeutet normalerweise gutes, natürliches Licht. In diesem Fall jedoch drängen sich viel zu große Lettern aus roter Schrift – es sind die Namen der von weit herbeigerufenen populären Mitaussteller und Zeitgenossen Lehmbrucks – hinter den Skulpturen ins Auge des Betrachters und hinein in die Empfindung. Ein für die Museums-PR notwendiges Namedropping muss nicht auf Kosten der ausgestellten Arbeiten gehen. Ein wenig zurückhaltende grafische Professionalität bei der Ausgestaltung des größten und damit prägenden Raumes wäre sinnvoll.
Auf die Ausstellung hatte ich mich gefreut, da ich von ihr weitere Einblicke in die gestalterische Welt des Wilhelm Lehmbruck erfahren wollte. Seine Kniende ist mir seit früher Jugend als ein Höhepunkt, aber auch als das Ende der rein figürlichen Skulptur vermittelt worden. Von verschwindenden Anklängen an die Formensprache der Gotik war in meiner Erinnerung gar die Rede. So etwas verblasst gegen die Vorstellung der Knienden als Skulptur der Erneuerung, als eine der Eintrittskarten in den Formenkanon der Moderne. Die Kniende wird wohl beides sein und natürlich rechtfertigt ihre Erscheinung vieles: alle mit ausgestellten Werke großer künstlerischer Zeitgenossen sollen die Bedeutung der Knienden erneut unterstreichen. Die kunsthistorischen Erkenntnisse oder Versuche, die Arbeit sei von den Tänzern seiner Pariser Zeit inspiriert, namentlich von Nijinski und Isadora Duncan, wirken dagegen spröde, sonderbar bemüht. Sie führen zudem zu Endlosschleifen kurzer Duncan-Performances auf Film und uninspiriert wirkenden alten Fotografien von Menschen, die selbst etwas mit Tanz zu tun hatten oder die jemanden kannten der mit Tanz zu tun hatte ..., u.s.w.
Nicht umsonst geblieben ist jedoch mein Versuch, mehr über die Bandbreite des Künstlers in der Duisburger Ausstellung in Erfahrung zu bringen. Man kann leicht feststellen, dass Lehmbruck, trotz seiner gestalterischen Klasse, ein eher schlechter Zeichner war. Sein Strich ist eher unbeholfen, in den zeichnerisch orientierten, aquarelligen Leinwandarbeiten ist er schöner, weich, feminin, zwar oft ohne Hände und Füße, die Mitten betont:  Gesicht, Hals und Brust.
Die in erste Grundformen aufgelösten weiblichen Oberkörper vieler Skulpturen, die halbkugelförmigen Brüste, die kegelhaften Schultern und Oberarme verdeutlichen nicht nur ein ständig wiederholtes, oft beinahe deckungsgleiches Lieblingsmotiv des Künstlers, sie können natürlich als geformte Zeichen der sich anbahnenden, elementar neuen Anschauungen des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts gelesen werden.
Der von diversen starken Materialien und gläsernen Durchblicken geprägte Ausstellungsraum der ständigen Sammlung des Museums dagegen überzeugt schnell, weil er dem Werk Lehmbrucks eine Vielfältigkeit gibt, die man mit der Arbeit des Meidericher Künstlers nicht sofort verbindet - zu dominant ist die Konzentration auf die „Kniende“. Man ist regelrecht erfrischt, ob des Perspektivwechsels bei der Skulptur des auf allen Vieren hockendes Mannes oder des wunderbar lässig modellierten Frauenkopfes.
Das ist schön zu erfahren.
Es ist fraglich, ob eine Anhäufung so vieler Arbeiten so vieler bekannter Kunst-Grössen aus so vielen Museen zum Jubiläumsjahr wirklich notwendig war, gelegentlich erscheinen die Skulpturengruppen dann doch wie kuratorisches Spielzeug. Aber wenn es der Sache und der Forschung dient ...
Eine empfehlenswerte und inspirierende Ausstellung allemal, die – manchmal unbeabsichtigt – viele Dinge hinterfragen und beleuchten kann. Zum Beispiel: liebt man die Kniende lieber in weiß oder in schwarz?
Wir fanden, die weiße Kniende ist sehr überzeugend.
Im Zusammenspiel mit Graffitis sowieso.


carsten reinhold schulz
Der Künstler als Kritiker
Ein freies Kunst und Blogprojekt seit 2009

Freitag, 16. September 2011

Fifty-fifty Galerie: das Ende einer guten Idee?



















Menschenverachtende Äußerungen bei der Führungsriege der fifty-fifty Galerie Düsseldorf?

   Die Obdachlosenzeitung und Initiative fifty-fifty verfügt über eine Galerie und verkauft immer wieder namhafte Kunst deren Erlös den Obdachlosen zugute kommen soll.
    Das sich Künstler mit gutem Willen oder einseitigen Absichten finden, die einen Teilbetrag oder Ihre gesamten Erlöse spenden ist eine gute Sache, selbst wenn diese Methode zu einer Entpolitisierung des Themas „Obdachlosigkeit“ führt. Längst gehören die Straßenmagazine zu einem System der Beruhigung der Öffentlichkeit vor immer größer werdenden sozialen Problemen. Die Beruhigung wird interessanterweise durch den Kaufimpuls ausgelöst und bringt kaum Nachdenken mit sich: scheinbar sind die fifty-fifty Verkäufer in Lohn und Brot. Als Resultat darf man sie dann getrost vergessen ...?
   Unerträglich wird die Kombination von Kunst und Obdachlosenmagazin, wenn der Galerieleiter Herr Ostendorf in seinem Newsletter vom 14.09.2011 versucht, das Niveau der Bildzeitung deutlich zu unterbieten, um ausreichende Verkaufserlöse zu erzielen. Der Zweck heiligt offenbar die Obdachlosen. Da werden bei der jüngsten Verkaufsausstellung fotografischer Arbeiten einer Düsseldorfer Künstlerin mit viel zu schneller Hand Verbindungen zu den Opfern des Nazi-Terrors hergestellt, um die ausweglos schlichten Inhalte der Bilder theoretisch zu unterfüttern. Das die Künstlerin in ihren Darstellungen Plattitüden der Sexualität nutzt (Hirsch leckt ein Geschlechtsteil, blabla, etc.) und Abbildungen nackter ästhetischer Körper mit Kunstblut und Photoshop zu Pyramiden schichtet, resultiert aus dem Willen, mit einer hinlänglich bekannten Methode aufzufallen. Warum auch nicht? Sie wird wohl nicht anders können oder wollen. Eine lässig hergestellte Verbindung zu Nazi-Verbrechen schützt den Künstler und sein Umfeld vor Kritik und inhaltlicher Begutachtung. Diese Bilder auf der eigenen Künstler-Homepage als „Schocker-Kunst“ anzupreisen, bestätigt dann überdeutlich die bereits in den Bildern bewiesene sehr einfache Zielsetzung. Diese Kunst schockiert jedoch nicht im mindesten, weil sie nichts bewegt. Besser: weil sie nicht bewegt. Diese Bilder zeigen nichts außer – vermutlich persönlich zu nennenden – plakativen Projektionen. Auch wenn die Öffentlichkeit im fifty-fifty Newsletter um wirklich jeden Preis mit kunstvollen Inhalten versorgt werden soll. Liest das denn niemand gegen der etwas sensibler ist?
Dabei wird leider, quasi im Vorübergehen, Idee und Wirkung von fifty-fifty demontiert. Wenn die jetzige Galeriearbeit etwas aufzeigt, dann ist die laufende Ausstellung ein Gradmesser für die Entfremdung von der eigenen sozial orientierten Idee, zugunsten eines Wunsches nach (laut herbeigerufenen) Skandalen für die mediale Selbstinszenierung. Wenn Herr O. beinahe süffisant schreibt, die fotografische Simulation einer Heroin-Injektion wäre ein super Aufreger, dann ist das nicht nur menschenverachtend.
Dann hat er einige Stern-Titel der 1970/80er Jahre verpasst und ist vermutlich noch nie über die Friedrich-Ebert-Strasse gelaufen, da kann man Injektionen live sehen – ohne die für ihn offenbar reizvolle, distanzierende Simulation.
Wie weit ist fifty-fifty selbst von Ihrer unterstützten Klientel bereits entfernt?
Die Organisation, die mit einer glanzvollen Idee gestartet ist, sollte sich wieder an aktuellen Themen und Notwendigkeiten orientieren und dafür ganz neue Wege finden.
Denn: es gibt sie nicht mehr, die Bösen und die Guten und die Massen.
Es gibt jedoch Einsicht, Haltung und die Suche nach neuen Formen der Solidarität.

Carsten Reinhold Schulz
Das zweite Feld der Kunst

Dienstag, 13. September 2011

Gastautor RO Willaschek: eine Story zum Kunstgeschehen.


  Meister Joseph, ein Adler und der Kölner Dom

   Vor kurzem erst wurde ich auf der Domplatte Zeuge eines seltsamen Ereignisses. Ich befand  mich an einem grauen spätherbstlichen Nachmittag vor dem einschüch­ternden Kölner Dom. Und wie immer, wenn ich vor den 300 000 Tonnen bearbeite­ten Trachyts stand, mußte ich – in ungewohnter Ehrfurcht – diese sakrale Meister­leistung  zutiefst, aber auch ein wenig irritiert bewundern.                            
    Da wurde ich jäh aus meiner Betrachtung aufgeschreckt durch eine pech­schwarze überdimensionierte Staatskarosse, die mit Getöse um die Ecke schoß und mit ent­setzlich quietschenden Reifen abrupt zu stehen kam. Dabei knallte die schlan­genbelederte Schofföse, unschwer als Chesty Morgan auszumachen, ihre über alle Maßen großen Titten gegen die Windschutzscheibe. Sie hielt. Die Scheibe. – Zeit­gleich entstieg dem trüben Himmel ein mannsgroßer goldener Adler und pflanzte sich, laut vernehmbar das „Lied vom Blut“ rezitierend, neben der Ka­rosse auf. Er schwankte leicht und rülpste kurz, wobei er einiges von seiner Würde einbüßte. Offensichtlich teilte er mit Jaques Prévert, dem großen Dichter Frank­reichs, nicht nur  dessen Liebe zur Poesie – wohl auch den Hang zu Alkoholischem.
    Was für ein Auftritt!
    Dessen nicht genug, entstieg der protzigen Limousine – von den Toten auferstanden – Meister Joseph mit Hut. Er verteilte sogleich an einige Pas­santen – mit starrer Mine und pathetischem Habitus – giftgrüne Pamphlete, rosarote Buschröschen und gut gemeinte Ratschläge. Danach ergriff er ohne Übergang den Hals des verdutzten Adlers, würgte ihn und predigte dabei laut­stark von Zeichen und Wundern, die in nächster Zeit das Dasein menschlicher Exis­tenz radikal verändern würden.
   Der Adler schien das alles locker hinzuneh­men, was mich überraschte und auch verwunderte. Nachdem der Meister endlich von ihm abgelassen hatte, torkelte der Vogel noch einmal kurz, um dann umso standhafter – wie eine Deutsche Eiche –, mit stolz gewellter Brust, fest verankert auf der Dom-Platte zu verharren.
   Schließlich öffnete sich schwungvoll das mächtige West-Portal.  Ihm erquoll eine Unmenge stark nach Sandelholz und Weihrauch riechende Masse – wie Schlagsahne – die sich bald über die gesamte Dom-Platte ergoß. Meister Joseph meinte tief ergriffen zu Chesty, dem amerikanisch-polnischen Busenwunder:
                 „Der Meisner masturbiert wieder mal – aber diesmal übertreibt er es
          wirklich. – Mein Gott auch, wie unästhetisch!“
Da rutschte Joseph auf der Sahne aus und schlug sich den Kopf blutig. Dabei flog ihm der heiß geliebte Hut vom Kopf, der von einem plötzlichen Wind ergriffen, auf Nimmerwiedersehen in Richtung Hohe Straße verschwand.
   „Strafe muss sein!“ Meinte Josefs Schofföse mit polnischem Akzent und lachte sich dabei halbtot.
    Das Volk auf dem Platz tobte vor Begeisterung und jubelte mehrere Halleluja.
    Die enorme Ansammlung von Neugierigen, die sich – von mir unbemerkt – klammheim­lich auf dem Domvorplatz einfand, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als eine beachtliche Anhäufung feinstgekleideter Personen, Hände klatschend und kniehoch in der Kardinal-Brühe ste­hend, - sämtlich als Kunstkenner und -Sammler, Kulturdezernenten, Galeristen, Mu­seums -Heinis, Verleger, Intendanten, Kritiker, Kultur-Beamten und dergleichen leicht auszumachen. Die komplette Kultur -Schickeria Kölns war vollzählig anwesend.
    Es fehlten seltsamerweise die Künstler … Sie glänzten dieses Mal durch
Abwesenheit … irgendetwas war hier in Köln passiert, was mir als stiller Beobachter der Kunstszene entgangen sein mußte.
    Wo waren sie hin? Wieso zeigten sich die Herrschaften ohne ihre Hausnarren und  Schoßhündchen?
    … Mir war ein wenig zum Kotzen.
    Das war schließlich auch dem großen goldenen Raubvogel zu bizarr und auch zu viel des Guten. Er grinste nur noch kurz irritiert – und zeitgleich mit Meister Josef plus Frau Morgan machte er sich hinweg aus Köln.

    Es war schon ein gewaltiger Anblick, wie er seine Schwingen majestätisch bewegte und am Himmel immer kleiner wurde, bis man ihn nicht mehr sah.
    In Köln ließ sich der Adler, wie Josef B. plus Anhang im Übrigen auch, verständlicherweise nie wie­der blicken; was ich persönlich bedauere, aber zutiefst nachvollziehen kann.
    Da­bei weiß ich immer noch nichts Genaueres über das Phänomen des bis heute an­dauernden kompletten Wegbleibens der Künstler aus Köln. Interessant ist aber der Umstand, daß es bis zum heutigen Tag noch Keinem aufzufallen schien.


Text © RO Willaschek 1995 | 2003

Sonntag, 11. September 2011

Gastautor Amy Antin: Monika von Starck


Bild: Monika v. Starck
 
Who are these multitudes who press into the weave,
And though I’ve asked them to, they will not leave?
What waves have gathered up as if against my will,
Although I dream of love and daffodils?

These are my hands, this is my room
And I command,  the sun at noon,
But when the light has sunken low,
What’s happened here---I do not know.

Whose eyes stare back at me as if they were my own?
In only hours, they’ve made themselves at home—
While naked bodies bend to tubes and strange machines:
I can account for them no more than dreams…

These are my hands, this is my brush
And I command the pressure and touch,
But when the river starts to flow,
Whose hands are these—I do not know.

.........................................................................................

I found the table set, with coffee cups and plates,
The finest chocolates and colored cakes—
We talked for hours on end of Art and Mystery
And when I left, that river followed me;

These are my hands and my guitar,
And I command the sounds that are,
But when a song hangs in the air---
I cannot say who put it there.


 
song und text: amy antin