Mittwoch, 9. Mai 2012

Kunsthaus Kannen, Robert Burda, Art Brut

Robert Burda: Art Brut im Kunsthaus Kannen
     Kunst kann immer im Zuge der Arbeit entstehen, die man aus einer besonderen geistigen Eigenart und Sicht heraus entwickelt. Jeder Versuch einer begrifflichen Trennung, bezogen auf Kunst von Menschen mit geistiger Behinderung und solcher von sogenannten Gesunden, ist leicht als phobisch zu identifizieren und daher grundsätzlich überflüssig. Diese Art von Abgrenzung stellt sich dar, zumindest je länger man lebt und Augen und Ohren gelegentlich offenhält, höchstens als eine beidseitig durchlässige Membran, als Ansammlung wechselseitiger Empfindungsoptionen. Die Grenzziehungen werden augenscheinlich und vermutlich ein bisschen zwanghaft von denjenigen gesucht, denen eine unklare geistige Beschaffenheit des Menschen nicht wenig Furcht einflößt.

     Wer Lust hat etwas über Kunst zu lernen und sie in einer seltenen Vollständigkeit erleben möchte, kann dies im Kunsthaus Kannen unweit von Münster tun. Sie werden sehen: dort zu sein ist ein wenig wie „nach-Hause-kommen“. Die von der Brüdergemeinschaft der Alexianer betriebene Psychiatrie in Münster betreut Menschen mit geistigen Behinderungen oder seelischen und psychischen  Erkrankungen. Das Kunsthaus liegt zwischen den offenen Gebäudekomplexen des Geländes und umfasst Ausstellungsraum, Shop und Atelier. Das Atelier, in dem künstlerische und kunsttherapeutische Arbeit wie selbstverständlich miteinander verbunden wird, ist nicht nur architektonisch integriert – durch die gläserne Offenheit der Situation ist es praktisch ein Teil des Ausstellungsraums – oder wahlweise umgekehrt.

     Am letzten Wochenende waren dort hellsichtig zu nennende Papierarbeiten des Art-Brut Künstlers Robert Burda zu sehen. Er schafft es, mit feinem Farb- oder schwerem Filzstiftauftrag eine sehr klare und mit einer gewissen Distanziertheit beobachtete Welt wiederzugeben, die er mit warmer Emotionalität und sehr persönlicher Verortung zu beeindruckenden, zwischen Technik und Kontemplation liegenden Bildern, verquickt.

     Parallel dazu wird eine Ausstellung angehender Kunsttherapeuten der Münchner Kunstakademie gezeigt, die sich in vielfältiger Weise mit Ihrer eigenen Arbeit und dem besonderen künstlerischen Klima im Umkreis des Kunsthaus Kannen auseinandergesetzt haben. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir dabei eine prozessuale Gestaltungserklärung der Künstlerin Franziska Haider. Durch eine starke Ritualisierung ihrer eigenen Zeichenmethode, macht Sie einen Schritt der Annäherung auf die im Atelier des Alexianer Kunsthauses arbeitenden Patienten und ihre fragile Methodik zu, ohne den Nimbus von Anbiederung oder Über-Theoretisierung. Herausgekommen ist, neben ihren vielfältigen menschlichen Kontakten vor Ort, ein Kunstprojekt, das in seiner gelungenen Ästhetik den Spagat zwischen der Annäherung an den innovativen Kosmos, der, oft als fremd empfundenen künstlerischen Erscheinungsformen von Patienten mit gesitiger oder seelischer Behinderung, einer kunsttherapeutischen Recherche und dem direkten Bezug zu aktueller Kunst, spielerisch herzustellen vermag.

    Es ist wohl die erlebte Vollständigkeit, sichtbar zwischen den gezeigten Arbeiten, dem Kunsthaus, den Gemeinschaftswohnhäusern, dem Atelier, den Künstlern und den Patienten/Bewohnern vor Ort, die den Besuch im Kunsthaus Kannen zu einem menschlichen Erlebnis werden lässt. Denn der Mensch steht hier im Mittelpunkt des Geschehens: ein ausnehmend plausibler Maßstab für Künstler und für Betrachter.
Unbedingt empfehlenswert.



Kunsthaus Kannen
Alexianerweg 9
48163 Münster
www.kunsthaus-kannen.de

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