Montag, 19. Dezember 2011

Keine Angst, ich bin nur Deutscher ...

 



„Keine Angst, ich bin nur Deutscher ...“, 2011
 DAS ZWEITE FELD  |  Songs from Zonderland


Danke an: alex, axel, brigit, brita, christiane, dagmar, eva, franklin, gabi, hakan, petra h., janet, joel, josé, karin, katja, Kristiane, lis, lulu, maria, markus, joey, olaf, patrick, peter, petra a., rainer, rosa, silja, steffi, walter, zoey.

© Carsten Reinhold Schulz, Düsseldorf-Flingern, 2009

Montag, 12. Dezember 2011

Alle Ziele: Kuznetcowa/Edisherov in Viersen

Alle Ziele: Kuznetcowa und Edisherov in Viersen







































Mit einer denkwürdigen Ausstellung schließt das diesjährige Kunst-Stipendium der Stadt Viersen. Unter dem etwas holprigen Namen Kunstgenerator und mit symphatischer Unterstützung der örtlichen Energieversorger wird es regelmäßig vergeben. Wo Firmensponsoring bei großstädtischen Museumsprojekten wie eine vorwitzige Okkupation aller guten Ziele wirkt, kann man das beim Kunstauftritt kleinerer Kommunen als sinnvoll akzeptieren: vor allem wenn, wie in diesem Fall, tatsächlich Mut und Größe gezeigt wird. Die Viersener 2011er Stipendiatin Katherina Kutznetcowa hat nach ihrer Meisterschülerschaft in Münster zurecht bereits verschiedene Stipendien und Preise erhalten, u.a. der Cité des Beaux Arts in Paris. Auch die spektakuläre Gestaltung des Wewerka-Pavillons oder des Kunstvereins Recklinghausen sind in bleibender Erinnerung. Die Ausstellung in der Viersener Städtischen Galerie im Park ist, wie so oft, mit ihrem Kunstpartner und Ehemann Alexander Edisherov erarbeitet und umgesetzt worden. Die beiden vereint neben der Parterschaft eine bestechend klare künstlerische Haltung.
Taghell
In den unteren Räumen der Galerie (siehe Bild oben) ist beeindruckend nachzuvollziehen, wie man eine taghelle Raumsituation mit scheinbar einfachen Mitteln vielschichtig öffnet, indem man etwas verschliesst. Das scheinbare Verstellen des Durchgangs löst dabei Begrifflichkeiten genauso auf, wie es neue Situationen herstellt, die mit Spiegelung oder räumlichem Gleichgewicht zu tun haben. Ein trennendes Element, das eine erneuerte Verbindung erst möglich macht. Dieser Tisch ist nicht nur ein architektonisches Angebot oder Symbol für ein Gespräch, sondern auch eine glänzende Plattform für Perspektive und Duplizität. Ein guter Ausgangspunkt, um den Umgang der Künstler mit der, ein Residenz-Stipendium vergebenden Stadt, genaueren Blicken zu unterziehen. Kuznetcowa und Edisherov sind in der Lage, durch ihren traumwandlerisch sicheren Umgang mit reduzierten, gesellschaftlich als einfach definierten Materialien, auf jede künstlerische Herausforderung überzeugend zu reagieren.
Flüchtig-aktiv
Das zeigt sich deutlich, teilweise dramatischer, ebenfalls in den oberen Räumen der Galerie.
Hat man als Betrachter im unteren Ausstellungsbereich eher das Gefühl formaler Beobachter zu sein, ist man durch die Dunkelheit bereits innerhalb der Arbeit, man ist schneller ein Teil von ihr, durch die gespiegelte Projektion sogar ein flüchtig- aktiver Teil. Es wandelt sich diese Installation mit Spiegel, Projektor und Obstkisten, die offensichtliche Trennung des Raums wiederum zur Öffnung desselben in verschiedene, teilweise poetische Schichten und Abbildungen.
 Die zusätzlich gezeigten Fotoarbeiten machen Bezüge zu Viersen deutlich oder bezeugen Aktionen im öffentlichen Raum der Stadt.

Der schön gemachte Katalog läßt glücklicherweise umfassende Einsichten in die bisherigen Arbeiten des Künstlerpaars zu. Eine solche kuratorische Betreuung ist heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich und ist daher besonders hervorzuheben.
Eine lohnenswerte Ausstellung. Hingehen.

Katerina Kuznetcowa | Alexander Edisherov
Vom 11.12.2011-22.01.2012
Städtische Galerie im Park
Viersen


Text und Image © Carsten Reinhold Schulz, 12.2011

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Chto Delat, Kunsthalle Baden-Baden, eine Überraschung.

Künstler, Kritiker, Philosophen und Schriftsteller in einer Gruppe.






































Das Plakat zur Ausstellung
macht so gar keine Lust in die Baden-Badener Kunsthalle hinein zu gehen. Die sub-line „Das Lehrstück vom Un-Einverständnis“ macht den Wunsch nach Kunst ebenfalls nicht wirklich drängender. Aber natürlich bin ich dennoch die Treppen hinaufgestiegen, habe eine Eintrittskarte für die Kunsthalle gekauft und eine Zusatzkarte für die Besichtigung der Anselm Kiefer Bilder im angrenzenden Burda-Museum mit Vehemenz abgelehnt. Das Café im Foyer war voll, die Ausstellungsräume leer, bereits das hat mir gut gefallen. Ich habe es später als Zeichen gewertet, das alle Café-Besucher tatsächlich an ihren Tischen gesessen haben könnten, um über die Ausstellung zu diskutieren. Ich hoffe stets.

Chto Delat bedeutet „Was tun?"
und ist zudem programmatischer Name einer in Russland zu verortenden Gruppe, die aus Künstlern, Kritikern, Philosophen und Schriftstellern besteht. Eine Verbindung die geradezu grossartig ist und die – mehr als aktuell – einen Weg gefunden zu haben scheint, menschliche und politische Erfordernisse mit vereinten Kräften in reflektierende und schöne Bilder, Sprache und Musik umsetzbar zu machen. Hier wird für mich eine Idee sichtbar, die als gesellschaftlich relevante Kunst Massstäbe setzen kann. Hier ist politische Kunst zu sehen und zu bestaunen, die diesen Namen tatsächlich und endlich verdient.

Solidarität und Kunst
Die Themen und Umsetzungen sind nicht nur mutig, weil sie im Zusammenhang mit einem Land stehen, das für seine unmenschliche Radikalität im Umgang mit Andersdekenden hinlänglich bekannt ist, sondern weil die Menschen um Chto Delat endlich den Begriff der Kunst in einem solidarischen Sinne begreifen wollen. Die Gruppe integriert in allem Tun eine, nicht nur von mir, lange geforderte Verantwortlichkeit und verwandelt sie in ästhetische Antworten, neue Diskussionsansätze und tatsächliche Schönheit.
Wenn einige der ausgestellten Objekte, wie zum Beispiel die Fahnen, zu Anfangs ein wenig gestrig anmuten, sieht man sich durch die nahezu perfekte Ausstellungskoordination und die Wahl der Materialien mit einfachen Mitteln in ein sinnvolles Ganzes versetzt.

Eine schöne Erfahrung.
Für mich ist die Ausstellung eine grosse, wunderbare Überraschung, die Mut macht.
Sie weist in Ihrer Komplexität weit über die im Ausstellungs-Flyer angedeuteten Reflektionen mit der russischen Geschichte oder dem Marxismus hinaus.
In Baden-Baden ist eine Chance für die Kunst des 21. Jahrhunderts zu sehen.
Auf jeden Fall hingehen.
Sehr empfehlenswert.

„Chto Delat“, bis 12.02.2012
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Lichtenthaler Allee 8 A
76530 Baden-Baden

Text und Image © crschulz, 12.2011