Kunst und Kirche – allein der Glaube fehlt.
Bei der Beurteilung von Kunst
und Religion ist es ein wenig wie mit dem Urknall.
Oft genug vergisst man die Beurteilung der eigenen Position, der eigenen Begehrlichkeiten oder die Grenzen seiner Vorstellungskraft.
Oft genug vergisst man die Beurteilung der eigenen Position, der eigenen Begehrlichkeiten oder die Grenzen seiner Vorstellungskraft.
Kirche und Kunst haben ähnliche Probleme, aber nicht
die gleichen Ziele.
Im „Theologisches Feuilleton“
genannten Blog der evangelischen Kirche,
mit dem Namen „feinschwarz.net“, wurde eine zu verstärkende Verbindung von
Kunst und Kirche angedacht (Artikel vom 18. Juni 2016).
Dies ist mehr als
diskussionswürdig.
Der Düsseldorfer Galerist
Rupert Pfab macht den ihm, offenbar von Kirchenseite aufgetragenen Versuch, das derzeit eigentlich
prima funktionierende System von Kunst
und Kirche, nun aus der Händlerperspektive, theoretisch weiter zu unterfüttern
– und gerät dabei in die Quadratur des Kreises.
Er hält religiöse Intentionen in seiner Listung nicht für notwendig, will am Ende seines Textes jedoch gleichzeitig die Kunst als das potentiell sinnvolle Vehikel für mehr Kirchennähe in der Gesellschaft erkennen.
Er hält religiöse Intentionen in seiner Listung nicht für notwendig, will am Ende seines Textes jedoch gleichzeitig die Kunst als das potentiell sinnvolle Vehikel für mehr Kirchennähe in der Gesellschaft erkennen.
Gläubige bewegen
Dass bei den Zusammentragungen
des Galeristen, Religiosität keine Rolle mehr spielen soll, ist, wenn nicht gar
auf merkwürdige Weise reaktionär, dann zumindest aus Sicht der verbliebenen
Gläubigen bedenklich. Möglicherweise ist sie der fatalen, aber im Text
auftauchenden Vorstellung, von Kirche und Kirchenraum als einem experimentellen
Labor geschuldet. Mit dem Begriff der Kirche als einem Labor hat ein sehr
spezieller, mittlerweile akademisierter Jargon aus den Off-Räumen des letzten
Jahrhundertwechsels Einzug in die Welt der Kirche erhalten.
Es ist keine Neuigkeit, dass
die Institution Kirche, bei der Kunstförderung
der Vergangenheit als Auftraggeberin und Sinnstifterin nicht wegzudenken ist
und es stets viele weitere historische Verbindungen zwischen Kunst und Kirche gegeben
hat.
In der Gegenwart jedoch ist
diese Situation nicht nur verzichtbar, sie ist in vielen heute anzutreffenden
Formen langfristig schädlich – für Kirche und
Gesellschaft.
Extremismus, Kunst und Kirche
Die zu beobachtenden, aus
westlicher Perspektive sympathisch bis utopisch gedachten, jedoch diffusen
Vorstellungen zur gesellschaftlichen Rolle von Künstlern, Kunst und
christlicher Kirche, sind im Umkehrschluss elementare Gründe für den fatalen, weltweit zu
beobachtenden Zulauf junger Menschen zu extremistischen, ultra-reaktionären und
rassistischen Ideenpools.
Unser gesellschaftlicher
Umgang mit Kunst und Kultur und unser panisches Festhalten an damit
verbundene, veraltete bis unsolidarische Vorstellungen sind Grund und Abbild
einer absurden und unnötigen Marginalisierung der Idee von Europa. Ein
hausgemachtes Chaos. Nutzungsabsichten. Verwechslungen.
Kirchlicher
Strukturwandel
Kunst nun als Vehikel für
neue strukturelle Veränderungsabsichten und inhaltliche Aufladungen in der
Kirche sehen zu wollen, ist daher eine
erkennbare Kapitulation vor den gesellschaftlichen Herausforderungen und wird
schon in den kommenden Jahren nicht mehr als eine besonders kreative
Eigenschaft moderner Kirchenführung anzuführen sein.
Auch an künstlerischem Output
orientierte Interessengruppen und durchaus verdienstvolle Persönlichkeiten
innerhalb kirchlicher Vorstände können leider dafür sorgen, dass keine
ausreichende Beschäftigung der Kirche mit den weiterhin sehnlich vermissten Formen
und Foren der Religionsausübung in westlich orientierten Gesellschaften
stattfindet. Stattdessen soll die Verbindung von Kunst und Kirche einzig einen
kulturell offenen Zustand, ein „heutig“ zu nennendes, kurzfristig erreichbares Wunschklima erzeugen. Die
Begriffswolke der Diakonie-Homepage in Düsseldorf hat als auffälligsten Eintrag „Kunst und Kirche“-
nicht das Gebet. Das ersehnte Versprechen auf menschliche Dialoge und den
verstärkten Zugang zu den kulturell interessierten Kreisen der großen
bürgerlichen Mitte scheint also nah. Aber was will man Ihnen eigentlich sagen, wenn
man seine eigene Sprache verloren gibt? Geht es einfach um Ersatz für die
Gruppe der langsam aussterbenden, noch hauptsächlich religiös motivierten Kirchgänger?
Spiritualität im Austausch.
Kunst wird als
Wiedergutmachung für verlorene Verinnerlichung, Religiosität und
in Ermangelung echter Spiritualität gesellschaftlich längst angenommen. Das zeigen die seit
Jahren immer exklusiver werden Museumsbauten, das zeigen die langen
Menschenschlangen vor den Ausstellungen, der, in Popstar-Manier gehandelten,
toten oder lebenden Künstlerschaft. Die Menschen suchen ganz offenkundig nach Inhalten
und Vorbildern. Was macht die Kirche aus dieser Situation?
Wenn es keine liturgische oder
personelle Entsprechung dafür mehr gibt, gibt es dann vielleicht eine
formgebende, authentische Vereinfachung, die ausschließlich der Idee des
Glaubens entspringt?
Aber warum gefällt unseren
Kirchen eine, sie selbst inhaltlich immer unklarer machende, Anpassung so sehr,
dass sie sich an weltliche Systeme anzubiedern versuchen? Wo sind die mutigen Denker
in der Kirche und wo können ihre Überzeugungen in der Gesellschaft ihren Niederschlag finden?
Eine fatale Schicksalsgemeinschaft
Kunst und Kirche erscheinen
oberflächlich gesehen wie für einander geschaffen – beide jedoch unterliegen auf
ihrem jetzigen Weg ähnlichen Auflösungs- und Drifterscheinungen, über die der
Kunstmarkt, zumindest in Punkto Kunst, aufwändig hinwegtäuscht. Gleichzeitig macht er, durch die markanten
Verschiebungen der finanziellen Proportionen auf Problematisches aufmerksam.
Die meisten Künstler
unterliegen zudem dem Irrglauben, innerhalb eines, von christlichem, wie auch
von jedem anderen dogmatischen oder steuerndem gesellschaftlichen Regelwerk
befreiten gesellschaftlichen Zusammenhang zu agieren.
Die Kirchen hingegen sind in
der Glaubensvermittlung nicht nur mit dem Dilemma einer rein wissenschaftlichen
Weltanschauung konfrontiert, sondern, aufgrund der inneren Logik kapitalistischer
Wertesysteme und der darauf folgenden sozialen Orientierungslosigkeit, zusätzlich mit der Auslöschung des ehedem
heiligen Systems der Familie.
Was ist eine Kirche ohne Glauben an sich selbst?
Eine Kirche, die ihre
ureigenen Inhalte, den eigenen Glauben, nicht mehr glaubhaft transportieren
kann, ohne auf andere, gesellschaftlich relevanter wirkende Faktoren, wie z.B. den
der Kunst zu verweisen, hat sich möglicherweise tatsächlich überlebt und
reduziert sich auf die, stetige Umsätze generierende Funktion eines Anbieters
sozialer Trägerschaften und die Reste historisch zu nennender Gefühlsebenen.
Ich empfinde das in gewisser
Weise als Verlust für kommende Generationen.
FehlendeTransparenz
Beide – Kunst und Kirche – schieben überfällige Entscheidungen und wichtige,
offen auszutragende gesellschaftliche Diskussionen vor sich her. Nur im
Vergleich mit den exzessiven Ausuferungen des Islam kann sich die christliche
Kirche als eine dem Leben mehr zugewandte Gruppe fühlen.
Aber geht es darum?
Die überfällige Trennung von
Staat und Kirche ist aktueller denn je. Die Übernahme sozialer Trägerschaften
durch die Gesellschaft selbst, also Aufgabengebiete, die heute in vielen Fällen
noch von christlichen Kirchen und angeschlossenen Wertegruppen übernommen
werden, stehen ebenso an, wie die Auflösung ominös gebliebener kirchlicher
Verwaltungsapparate und Hierarchien. Der Papst selbst, Oberhaupt der
Katholiken, so man seine Autorität akzeptieren möchte, weist darauf mit
unzweideutigen Aussagen zu einem Leben der Einfachheit hin. Aber hier erscheint
ein ganz neues skurriles Thema ...
Was kann die Kunst?
Im Bereich der Kunst wäre es heutigen
Künstler möglich, mutig dem Status Quo endlich ins Auge zu sehen und die
behindernden Vorstellungen der letzten Jahrhunderte über Bord zu werfen. Ein
übermächtiger, das mediale Bild von Kunst bestimmender, von schwerreichen
Interessengruppen und Luxus-Konsortien dominierter, manipulativer Kunstmarkt könnte
im Interesse aller Menschen und der Kunst längst beseitigt sein. Definitionsbestimmungen
finden jedoch weiterhin nur in intellektuellen Diskurskreisen statt und Kunst ästhetisiert
weiterhin die gesellschaftlich aufgeworfenen Gräben.
Künstler sind in der Mehrheit feige und
opportunistisch?
Es dominiert eine hilflose
Anbiederung der übergroßen Anzahl von Künstlern an jeden aufflackernden Markt. Angst
und Prekariat tun ein Übriges. Kirchenräume sind nur ein Teil dieser
Erscheinung, die sich Kunstpraxis nennt. In Ihrer geschichtlich aufgeladenen
Bestimmung sind sie bestens zur Erhöhung künstlerischer Zusammenhänge nutzbar
und in einer Künstler-Vita durch den Geruch der Kirchenräume nach Sensibilität
und Kontemplationsfähigkeit positiv auffällig.
Was nun, was tun?
Es wäre jetzt die Zeit, die
Rolle und die Funktion des Künstlers und der Kunst, fort von einem staatstragenden
und neokolonialistischen Standpunkt, neu zu interpretieren.
Künstler können durch mehr
Selbstkritik wieder zu einer freien und unabhängigen Position finden.
Sie sind in der Lage zu einer weniger opportunistischen, mehr experimentellen Ausgangslage zu finden.
Sie sind in der Lage zu einer weniger opportunistischen, mehr experimentellen Ausgangslage zu finden.
Sie könnten sich zudem grundsätzlich
mehr in Frage stellen.
Kunst sollte den Begriff der
Teilhabe und den der Solidarität in Zukunft in sich tragen.
Dies ermöglicht neue
Definitionen der Schönheit.
Kunst sollte, vor allem, frei
bleiben.
Es scheint also, es gibt genug zu
tun ...
Die Verbindung von Kirche und Kunst ist eine zuweilen schöne,
aber mittlerweile unheilige Allianz.
Gott schütze uns ...
Zum Autor: Carsten Reinhold Schulz ist 53, Künstler
und Musiker. Er betreibt derzeit einen denkmalgeschützten Bahnhof als solidarisches
Kulturprojekt im Selbstversuch und leitet einen gemeinnützigen Verein für
Experiment und Teilhabe als eine Form künstlerischer Intervention.
Seit 1989 beschäftigt er sich mit der Rolle und Funktion von Künstlern und ihren gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten in Kunst-Projekten und Publikationen.
Seit 1989 beschäftigt er sich mit der Rolle und Funktion von Künstlern und ihren gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten in Kunst-Projekten und Publikationen.
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