Amy Antin: painter, singer, songwriter |
„ Entrez dans la glace !“ ( Geh durch den Spiegel), fordert Cocteau den Zuschauer in seinem Film über das Geheimnis der Kunst auf. Bilder sind Spiegel. Sie reflektieren einen Ausschnitt der Welt durch einen Filter, durch die Netzhaut – die Sehweise des Künstlers. Spiegel scheinen das wahre Abbild der Dinge wie ein Echo wieder zu geben , jedoch ist diese Wahrheit seitenverkehrt. Schauen wir aber unter die Oberfläche, hinter die Fassade, können wir dort das Geheimnis guter Bilder und ihre Wahrheiten entdecken. Wenn wir uns auf die komplexe Bildwelt von Amy Antin konzentrieren, werden wir die Ästhetik ihrer sensiblen Farb- und Formensprache und die hintergründige Tiefe ihrer Aussagen erspüren. In dieser Ausstellung werden drei Werkgruppen gezeigt. Die Malerin arbeitet auf großformatigen Holztafeln in Hoch- und Querformaten und auf quadratischen Bildgründen Die Kraft der Imagination wird in allen drei Werkgruppen deutlich. Auf den ersten Blick erscheinen die Bilder behutsam und leise. Sie fesseln den Betrachter sofort durch ihren hellen farbigen Zauber. Durch dieses Kolorit gelingt es Amy Antin, Luft und Licht auf den hölzernen Untergründen einzufangen. Ein Hauch von Gedanken beginnt zu tanzen. Diese poetische Kraft nährt eine Spiritualität, die aus der Tiefe durch die Lasuren hindurch bis in die oberen Schichtungen leuchtet.Während opak aufgetragene Weißflächen Verborgenes bedecken, öffnen sich halbtransparent gemalte Felder und Fenster auf fließende Farbvibrationen, auf Körperliches und Organisches. Die präzisen, geometrischen und hartkantigen Farbflächen suggerieren eine imaginäre Perspektive, die Räume öffnet und verschließt, in denen Lebendiges, Wachsendes und Zerfließendes sich bewegt. Die weich konturierten Formen schweben wie Lichtgestalten in dieser Bildarchitektur als Symbole des Organisch- Lebendigen und des Geistigen. Über und unter diesen Farbschichten zeichnen manchmal sparsame Linienspuren eine dunkle Kontur, als hätte ein urzeitliches Wesen seinen Abdruck hinterlassen. Einige Arbeiten beziehen sich in der Maltechnik auf die Maserungen des Holzgrundes. Wachsende Figuren schimmern durch halbtransparente weiße Partien, die wie Gazetücher über dem gemalten Untergrund fliegen, den Blick einfangen und Neugier erwecken, in die tieferen Schichten optisch einzudringen. Auf anderen Bildtafeln erinnert das zarte neonartig leuchtende farbige Wuchern in fernen Anklängen an die Peinture des französischen Impressionismus, zum Beispiel an Redon und Monet. Monochrom gemalte Flächen weisen auf die Vorliebe der Malerin für die Farbfeldmalerei des Amerikaners Mark Rothko hin. Das Zusammenspiel von geometrischen einfarbigen Feldern mit organisch wuchernden Formen in einer hingetupften vibrierenden Mehrfarbigkeit erzeugt eine neue so noch nie gesehene Bildwelt. Sich auffaltende oder verschließende Weißflächen flattern wie unbeschriebene Briefe über grünlichen und rosatonigen offen geränderten und fließenden Farbwolken, die sich figurativ verfestigen und wieder auflösen. In einer anderen Bilderfolge zeichnen neue schwarze skripturale Elemente Spuren. Sie irritieren kontrapunktisch die geometrischen Formen wie Dreieck, Viereck und Quadrat und schaffen eine beunruhigende Spannung und straffen das Bildgefüge. Diese unvermuteten kalligraphischen Pinselschwünge tanzen wie Gesprächsfetzen aus den Kulissen heller Farbfelder und verstecken sich wieder wie geheime Botschaften. Die künstlerische Intensität der Malerei von Amy Antin liegt in der bewegten Ruhe des hell leuchtenden Kolorits, dem flirrenden weißen Licht und den zeichnerischen schwarzen Irritationen der geschriebenen Linie. Das Statische und das organisch Wachsende vollzieht sich in imaginären strahlenden Farbräumen, die eine Sogwirkung beim Betrachter erzeugen. Diese magische Sogwirkung mit der Möglichkeit eines pulsierenden und meditativen Hineingleitens in die Tiefen der Malerei eröffnet einen neuen Blick. Die künstlerische Konzeption und Botschaft von Amy Antin ist ihre Passion für die Präzision und die Präzision der Passion. Diese Bilder sind mit den Ausdrucksmitteln unserer Zeit gemalt, doch erscheinen sie wie aus der Zeit gefallen. Die scheinbar unvereinbaren Gegensätze in ihren Gemälden, das technisch Konstruierte und das organisch Lebendige verstärken sich in ihrer Wirkung gegenseitig und werden zum zeitlosen Spiegel unseres vielschichtigen Seins.
Zur Austellung von Amy Antin „Bewegte Stille“, Malerei,
Köln, 26. September 2009
Text: Monika von Starck
Blogveröffentlichung im Rahmen des Projektes „Künstler als Kritiker“
Köln, 26. September 2009
Text: Monika von Starck
Blogveröffentlichung im Rahmen des Projektes „Künstler als Kritiker“