Dienstag, 26. Juli 2011

Kunsthalle Baden-Baden: Geschmack als doppeltes Spiel

Macht Geschmack satt?




















 Ein doppeltes Spiel treibt der, welcher zwei oder mehr Anschauungen gleichzeitig dient. Der Geschmack und die Kunst sind von jeher dankbare Felder, um kompliziertere Spielformen des Lebens zu begleiten. Ob Johan Holten als Leiter der Kunsthalle sich über Kunst lustig machen will, wie in der Monopol behauptet, kann man schwerlich beurteilen. Im Zweifel für den Angeklagten. Kunstformen nach ihrem Geschmacksbild ausforschen zu wollen, den Kunstmarkt angeblich zu hinterfragen und genau diesen  Markt mit allen zur Verfügung stehenden Klischees zu bedienen, ist erstmal ein vielschichtiges Vorhaben und bezeugt vorzüglich die intellektuellen Möglichkeiten und Kontakte über die Holten für sein erste Präsentation offensichtlich verfügt. Aber natürlich ist sie eine zynische Haltung, weil sie alles Erwähnte gleichzeitig tut. Sie will sich nicht festlegen und will jede Haltung vermeiden, sie will nur untersuchen ... Ohne Haltung zu sein bringt einen heutzutage vermutlich persönlich weiter, reduziert in diesem Fall jedoch alles auf ein intellektualisiertes Spiel mit dem üblichen Muster des Namedropping. Heute stellt die relevanten Fragen offensichtlich der Kunstraum, die Antworten soll der Künstler mitbringen. Es sollte besser andersherum sein, dann wird man den Funktionen gerechter, scheint mir. Dann erhält man allerdings auch Verantwortung und die erzwingt ärgerlicherweise wieder eine Haltung. Um so deutlicher zeigt sich das Dilemma, in der sich gerade Ausstellungshäuser mit einem zu verteidigenden Ruf des Aktuellen befinden. Der zu vollbringende Spagat, gleichzeit am Kunstdiskurs teilzunehmen, und dennoch genug große Namen zu präsentieren, um die Kassen zu füllen, lässt eine gruselige Lücke im spannenden Experiment – die jede Ausstellung bedeuten kann – zurück. Diese Lücke entsteht auch, wenn sich Ausstellungen um bereits gelöste Aufgaben drehen. Hits die schon zweimal unter den TopTen gelistet wurden, Witze die zu oft erzählt wurden. Die Top 40-Leier. Der Geschmack als Gesprächinhalt. Vielleicht macht sich Herr Holten doch über uns lustig? Ein Beispiel: wer die gut 25 Jahre alten Grafiken von „Join the free and fat society “ von Tomi Ungerer gesehen hat (und ich nutze bewußt einen satirisch arbeitenden Künstler im sogenannten Grenzgebiet von Kunst), was soll so jemand mit den Schnappschüssen eines Martin Parr noch machen, außer müde lächeln? Daß sie im Kunstumfeld überhaupt auftauchen überrascht. Einen sinnvollen Platz hätten die Bilder in der Bunten.
Ein Spruch von Iggy Pop dämmert ebenfalls aus populärer Vergangenheit herauf: „ ... die Leute wollten mein Arschloch sehen, also haben ich Ihnen mein Arschloch gezeigt, dann kam der Erfolg.“ Sind das schon die ewigen Werte die Kunst uns jetzt vermittelt oder kommen sie noch? Die auftretenden, aus heutiger Sicht das zerstörerische Projekt des Kapitalismus verfestigende Positionen von Immer-noch-Ikonen wie Warhol und seinen aufgebratenen Sprösslingen Meckseper, Tiehai oder Reyhle, sind der Führungsriege der Kunsthalle vermutlich selber etwas dünn vorgekommen, so daß sie diesen Vertretern lieber noch einen Feuerbach oder Schirmer an die Seite stellten (Henkel, da weiss man was man hat ...).  Gerne wird von den Ausstellungsmachern übersehen, das sie die Ausstellungsobjekte in Wirklichkeit garnicht mehr zur Disposition in die Öffentlichkeit stellen können, sondern auch fadenscheinige Positionen durch Aufnahme in jedwede Ausstellung nochmals festgezurrt werden. Übrigens ebenfalls ein Erfolg des heutigen Systems Kunstmarkt. Das Thema Geschmack ist zudem so gut wie unangreifbar, jede Kritik wirkt selbst fad und geschmäcklerisch. Nicht umsonst wird auf der Homepage der Kunsthalle Baden-Baden unter der Rubrik „Fulminanter Auftakt“ eigentlich nur die Menge an Presseberichten gefeiert.
Der gute, der schlechte und der teure Geschmack. Johan Holten hat sich aus allem höchst geschmackvoll herausgehalten.
Gratulation zu einer super Idee.

Kunsthalle Baden-Baden und der Geschmack

Mittwoch, 20. Juli 2011

SØLYST kommt.
























Der Promo-teaser ist heraus und man liest auf dem Cover erstmal so inspirierende Schweden-Häppchen wie optimyst, kelpie oder malstrøm. Die Musik auf der elf Titel umfassenden CD ist jedoch alles andere als Möbelhaustauglich. Beim ersten zufälligen Reinhören in den Titel „ned land“ traf ich z.B. auch den lange vermissten John Zorn wieder, diesmal in einem entspannten Selbstgespräch beim Heineken. Das hat mir gut getan und gut gefallen. Die eingespielten Drums stehen in einer steten aber sanften Konkurrenz zur percussiv eingesetzten Elektronik, was erfreulicherweise für Überraschungen sorgt und dafür, dass ein experimentelles Gefühl beim echolastigen Einsatz nicht vorschnell verglüht. Live hören kann man die immer wieder tanzbare Musik der Band auf dem OPEN SOURCE FESTIVAL am 23.07.2011 auf der Galopprennbahn im Düsseldorfer Norden.
Ich freue mich jetzt schon auf den Abend.
Hingehen.

SØLYST: Thomas Klein und TG Mauss. Label: Bureau B

SOLYST auf myspace

Dienstag, 19. Juli 2011

Kunstpalast: Mosebach hat ein Herz für Museen.


Heute ins Museum oder zu McDonalds?




















Einer Rede des Autors Martin Mosebach anlässlich der Eröffnung des Museum Kunstpalast folgend, sollen wir das Museum wieder als unser unbezahlbares Schatzhaus begreifen lernen. Laut eigener Schlussfolgerung hat Herr Mosebach für sich und für uns alle erkannt, dass jenes lebendig sein soll, wofür auf Dauer Geld ausgegeben werden muss. Ob das von ihm hierfür aktivierte Schatzhaus griechischer Prägung als Hort wiedergewonnener Inhalte tatsächlich fungieren kann, bleibt zu klären. Wer den derzeit monetär ausgerichteten Charakter der Museen in der öffentlichen Wahrnehmung wieder verschieben will, sollte sich nicht unbedingt ein antikes Vorbild nehmen, das nachweislich und gerne zur Manifestation von Sieg und Größe des Stifters zwar mit Weihegeschenken angefüllt wurde, jedoch waren eben diese weihevollen Exponate immer wieder Waffen, Rüstungen und Insignien von Macht und Unterwerfung anderer. Den geistigen Wert dieser Dinge im Nachhinein und im Vergleich auf die heutige Zeit bewerten zu wollen, kommt wüster Phantasie sehr nahe. Eine solche Haltung mag manche Autoren ausweisen, es kann jedoch auch als eine deutlich reaktionäre Einstellung gelesen werden: Museen sollen sich zwar entwickeln, aber bitte im Geiste unserer griechisch-geistesgeschichtlichen Wiege. Diese wird gerne aufgerufen, wenn es eng wird. Warum sollten wir irgendwelche alten Emotionen des Sammelns wieder in uns erwecken wollen? Damit Museen überleben? Ja, müssen sie das denn – und wer hat das gesagt?
Ganz im Gegenteil ist festzustellen: es wird auch privat so viel gesammelt wie nie zuvor. Das Museum zeigt sich zudem als eine neue Innenstadt-Mall: demnächst hat jedes Städtchen eine. Ein Muss. Es ist deutlich profaner als wir es wahrhaben wollen. Das Baugeld ist in den chronisch klammen Kassen der Städte (man wundert sich!) offenbar mehr als genug vorhanden,  dem Tourismus gefällt es und die Kirchen sind sowieso unbrauchbar. In jedem Museum trifft der Besucher seine Künstler wieder, man kennt sich ja schon, ein bisschen ist es wie bei McDonalds, der schnell sättigende Geschmack ist schon vor einem da. So ist man in jeder Stadt gleich ein bisschen zuhause. Und jene Museumsleiter, die sich auf junge aktuelle Kunst spezialisiert haben, glauben vermutlich tatsächlich, sie könnten die Entwicklung aufhalten. Aber man holt sich nicht das Leben ins Haus, wenn man sich Bilder vom Leben aufhängt. Viele ahnen bereits dunkel, dass das nicht mehr lange funktionieren kann. Irgendwer wird demnächst mal nachfragen ...
Unsere gesellschaftliche Umsetzung der Idee von Freiheit hat längst dazu geführt, dass der öffentliche Bildungsauftrag, der mit dem musealen Gedanken für lange Zeit verbunden war, eigentlich ad-acta gelegt werden muss. Im Fernsehen ist dieser Gedanke längst aufgegeben worden. Die öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender unterscheiden sich kaum noch in der Auswahl der Inhalte. Den Museen droht ebenfals Ungemach, nach den Kirchen werden in absehbarer Zeit auch die Museen nicht mehr als Horte des Hehren und Schönen gesehen werden, sondern als Orte idealisierter Insider-Entscheidungen (auch wenn man das bedauern kann). Es werden hohe Räume bleiben, einige Bilder und Ahnungen großer Verehrung. Eine interessante Analogie. 
Die Zeit, bzw. das Internet haben die Werte-Selektion und den Zugriff auf zugehöriges Wissen längst in die Entscheidung jedes einzelnen Menschen verlegt. Die häusliche Sammlung, die Identifikation mit der internen Kunstvorstellung wird in der Zukunft maßgeblich sein und Wertebegriffe immer wieder verlagern. Dies wird Kunst und Politik verwandeln, denn der öffentliche Raum, die Strassen und Plätze oder die Datenströme werden zu Stätten der Kunst und der Diskussion werden. Genau dort wird auch jener Riss verschwinden, der mit der Trennung des Werkes von Entstehung und Aufgabe verbunden ist. Wenn ich darüber nachdenke, hört sich das alles kulturell lebendiger an, als jeder rückwärtsgewandte Versuch selbstbewusste Menschen erneut zu Verehrungsritualen gegenüber Bildern zu überreden. Verehren ist vorbei. Bewundern reicht völlig.
Und sich selbst ein Bild machen ist auch gut.

Zum nachlesen: die vollständige Düsseldorfer Ansprache von Herrn Martin Mosebach in der SZ vom 19.07.2011, Seite 19

Sonntag, 10. Juli 2011

Cy Twombly's Traueranzeige als Werbung

Cy Twomblys Nachruf in der Süddeutschen Zeitung






































Traueranzeigen sind prägnante kleine Weltsichten. Auch der Nachruf des Museums Brandhorst und der Bayerischen Gemäldesammlungen München zum Tode Cy Twomblys ist eine solche. Diese Traueranzeige ist jedoch – beinahe entwürdigend – zu einer Werbeplattform umfunktioniert. Das ist in solcher Bildhaftigkeit selten zu sehen. Einfach zu trauern war offenbar zu wenig: tatsächlich hat man es in sechs Zeilen geschafft, den Tod Cy Twomblys schamlos mit Informationen zur Grösse der eigenen Twombly Sammlung zu versehen, eine kuratorische Bewertung vorzunehmen, der Stadt München als Kunststandort auf die Schulter zuklopfen und für jedes Publikum vereinnahmend gleich mitzusprechen.
Das ist anmaßend, peinlich und erniedrigend für alle die Twombly als Menschen und Künstler lieben. Auch Herr Armin Zweite ist in der Traueranzeige verantwortlich aufgeführt. Ich habe ihn Mitte der neunziger Jahre bei einem Gepräch im K20 in Düsseldorf als sehr sensiblen und vorsichtigen Mann kennengelernt. Eine solche Todesanzeige ist jedoch von erschreckender Emotionslosigkeit.
Anstand und ehrliche Trauer hat der grosse verdienstvolle Künstler Twombly um jeden Preis verdient.
Die Traueranzeige von Herrn Brandhorst zeigt nur eine traurige Vermischung von eher unschönen Dingen.