Dienstag, 15. Dezember 2009

Geschmacksverstärker: Casting Show bei Saatchi



















Der Begriff des Massenkonsums spielt seit dem späteren 19. Jahrhundert für den Begriff der Popkultur, vom lateinischen populus, das Volk, abgeleitet, eine entscheidende Rolle. Die Popkultur steht für Dinge des kulturellen Lebens, die in die Lage versetzt worden sind, sich massenhaft im täglichen Leben auszubreiten. Eine Qualitätsfrage geht damit jedoch nicht einher. Das Volk, gemeint ist der Zuschauer, soll jetzt über jede Qualität entscheiden. Spricht etwas dagegen? Das Phänomen der Übertragung von Entscheidungen an die die man unterhalten und erbauen will, ist natürlich erstmal in der mangelnden Kompetenz der Fernsehredakteure und ihrem Willen diese Ratlosigkeit zu überwinden begründet. Aus ihrer Sicht macht man aus dieser Haltung folgerichtig eine funktionierende Methode. Wenn der Zuschauer seine Sendungen selbst in die Hand nimmt, kann er sich auf jeden Fall mit irgendetwas identifizieren, ergo kommen die Einschaltquoten und der erwartete Erfolg. Das ist auch beim Künstler-Casting praktisch. Man nimmt den simpelsten Weg, den ehemals etwas sperrigen Begriff der Kunst einzutüten und so zu nutzen, wie er sich immer noch gesellschaftlich veraltet darstellt.  Man aktiviert heute nur massenweise Zuschauer, wenn sich diese Zuschauermengen selbst auch wiederfinden und darstellen können – und die daran gekoppelte massenhafte Teilnahme verspricht dann die vermuteten massenhaften Einkünfte. Also wird immer mehr vom dazu ausersehenen Volk abgestimmt, quasi auf Teufel komm heraus, von haltlosen oder gutmeinenden Kuratoren, von erhellten Zuschauern, von medialen Stars und mediokren Sternchen. Diese Entwicklung des stetig wachsenden Wahlverhaltens im Fernsehen ist umgekehrt proportional zur Entfremdung der tatsächlichen Politik vom echten Wahlvolk, zumindest in Deutschland. Es ist an sich prima, dass sich Saatchi aufmacht und uns allen mit der casting-show um einen möglichen Superstar der Kunst, wieder einmal klar vorführt, worauf es bei neuen Geschäften ankommt. Die mediale Präsenz ist es,  die den Startschuss für ein erfolgreiches Geschäft ausmacht. Es reichen bereits wenige Tage Ohnmacht oder ein denkwürdig schlechtes Deutsch, um als Fernseh-Ereignis in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu gelangen. Ist das erreicht lässt sich so gut wie alles verkaufen: seien es nun Bücher, schauspielerische Leistungen, Malversuche mit Alkohol, Pflegeprodukte oder Lebensberatung. Wer die Londoner Ausstellungs-Räume Saatchis besucht, dem wird schon durch die Fahnenaufschriften vor dem eindruckvollen Portal schnell bewusst, um was es geht, denn: neben Saatchi ist da ebenfalls Phillips de Pury auf diesen hochformatigen Fahnen vermerkt und das kennt man als Teil eines schwergewichtigen Imperiums aus Modefirmen, Designläden und diversen anderen fetten Wirtschafts-Aktivita, das sich eine, im Falle von Saatchi eher plakativ orientierte Kunst, als Leitstern auf den Luxuskühler heftet. Saatchi hat sich wahrscheinlich schon immer seine Sterne gerne selbst gebaut, wenn er sie brauchte. Er bedient sich jetzt direkt der Möglichkeiten der uns bekannten Massenkultur. Ob allerdings eine Ausstellung in einem Petersburger Großmuseum als Lohn für den siegenden Künstler ein Erfolgskonzept ist, wage ich zu bezweifeln.  Diese Gegend der Menschheit riecht kulturell, trotz der großen Tradition, heutzutage im Zusammenhang mit Kunst immer noch zu sehr nach Ausweichquartier und Verstrickung.