Drift, Übergriff, Kritik. Ein offenes Kunstprojekt von Carsten Reinhold Schulz
Dienstag, 7. September 2010
Blue Efficiency: Mercedes Benz lernt von China?
Es ist Zeit der deutschen Werbung einige Aufmerksamkeit zu schenken. Sie ist im Koordinatensystem kultureller Wahrnehmung eine nicht zu unterschätzende Größe. Es ist jedoch eine französische Automarke, die mit einem existierenden und funktionsfähigen Elektroauto im Fernsehen, gut gemacht übrigens, für sich und die freundliche Zukunft wirbt. Tatsächlich ein reines Elektroauto. Ein wenig ist mein Glauben an die Menschheit dadurch zurückgekehrt, das muss ich zugeben. Diese Firma wird für alle Zeiten meine Symphatie haben, das Quentchen Vorsprung bei der Entscheidung für eine Automarke, sollte ich mir mal ein Auto gönnen.
Einige Tage später sehe ich in einem Spot von Mercedes-Benz, einst grosser Autobauer, das eben die Marke Benz 85 Automobile mit der sogenannten Blue-Efficiency Technologie ausstatten will und sich das groß auf die Fahne schreibt. Schon das sich die eingebaute Technik, wie z.B. der Benzinsparmodus an Ampeln auf freier Strecke laut Magazin Focus wieder ausgleicht, ist vom dürftigen Anspruch her eher witzig zu nennen. Niemand kann sich erklären, warum ein Mix aus allen möglichen Zusätzen zum Verbrennungsmotor als ökologischer Heilsbringer mit effektivem englischen Namen verkauft wird. „Blue Efficiency“ – eine neue Technologie geht anders. Ein neue Technologie würde alles, alles, alles versuchen. Hat da jemand die eigentlichen Ideen verschlafen oder steckt da ein müder Kopf noch stets im zwanzigsten Jahrhundert? Ich hoffe, es gibt nicht noch schlimmere Gründe. Wie sieht es aus in der Etage wo die Kommunikation gemacht wird? Kunden sind Menschen und die sind nicht dumm, auch Automobilisten nicht unbedingt: die Frage nach einem neuen Antrieb, der die Menschheit von der Geissel der Erdölabhängigkeit befreit, ist eine kulturell überlebenswichtige, deutlich zentrale Frage. Sie stellt, nicht zuletzt, die Weichen für vollkommen neue Perspektiven des Zusammenlebens von Menschen. Was soll da ein pseudoindividualisiertes Lavieren mit Aggregaten für Super und Diesel? Was soll das im Jahre 2010? Firmen die sich immer noch gegen diese offensichtliche Bewegung stellen, beginnen jetzt ihr Image für die Zukunft zu zerstören und arbeiten gegen strahlende Potentiale ihres eigenen Unternehmens. Strategien kann man riechen und das riecht alles nicht wirklich gut.
In diesem Vorgehen der meisten deutschen Autobauer, das vermutlich auch politisch gedeckt ist, wird augenscheinlich, was bereits die deutsche Mainstream-Politik und die öffentliche Kultur uns klarmacht: das Fehlen von Visionen oder erträglichen Entwürfen für die Zukunft bei fast allen Entscheidungsträgern. Die Verantwortung für spätere Generationen wird leichtfertig verspielt, um Reste von Verkaufspotential noch mitzunehmen, ungeachtet der für Lösungsfindungen bereits sehr fortgeschrittenen Zeit. Erst werden die Regale geräumt, dann kommt die Neuware ...
Stuttgart 21 macht uns in kleiner Version vor was passieren wird. Politik muss den eigentlichen Souverän der Demokratie wieder verstehen lernen. Und die Kultur, ja, die Künste, sollten endlich beginnen sich neu zu definieren und ihre Stimme zu erheben.
Einmischen.
Eine Kiste deutsches Öl.
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