Drift, Übergriff, Kritik. Ein offenes Kunstprojekt von Carsten Reinhold Schulz
Mittwoch, 15. September 2010
Antony Gormley und Bregenz: eine unheilige Allianz
Wir lesen vom Künstler selbst platziert:
“Die Figuren erzeugen ein Feld, in dem Menschen mit aktivem, wachen Verstand aufgefordert sind, Raum und Distanz innerhalb dieses Feldes statischer Eisenfiguren zu messen. Skifahrer und Wanderer werden zu einem Teil dieses Feldes. Die Installation würdigt so die tiefe Verbundenheit zwischen dem sozialen und geologischen Raum, zwischen Landschaft und Erinnerung“, so Antony Gormley über sein Kunstprojekt. Gemeint sind sage und schreibe 100 gusseiserne Skulpturen mit einem Einzelgewicht von 640 Kilogramm, die im Bregenzer Wald auf 2034 Meter Höhe gestellt, das bisher größte österreichische Skulpturenprojekt ausmachen sollen. Was in Österreich passiert, ist ja gerne mal politisch-eklig, tendenziell abseitig oder muss gleich irgendwelche Größenordungen sprengen.
Grundsätzlich ist es schade und „für Menschen mit wachem Verstand“ im Ansatz auch anmassend, dass man beim Erwandern von Landschaft und Natur oder dem was von ihr übrig ist, erfahren muss, dass sie allein offensichtlich kein selbsterfahrbares Erlebnis mehr darstellen soll. Diese Kunstaktion ist offensichtlicher Aktionismus für den Durchschnitts-Tourismus der Region. Er spielt fahrlässig mit der Rest-Natürlichkeit dieser Kulturlandschaft über der Baumgrenze und der darunter. Nicht die tiefe Verbundenheit zum sozialen und geologischen Raum wird hier manifest, sondern die weltweite Tendenz jeden öffentlichen Raum mit einer vermeintlichen Kunst auf ominöse Art nachhaltig zu verbessern. Das mit erhelblichen Kostenaufwand und Transport-Hubschraubern durchgesetzte Projekt ist offensichtlich für die Ewigkeit angelegt und nicht nur temporär gemeint. Das bleibt abzuwarten. Dem initiierenden Kunsthaus Bregenz, dem Künstler selbst und der Politik in Österreich ist hier eine unheilige Allianz gelungen.
Es zeugt von Grösse und Einsicht Dinge auch mal nicht zu tun. Ein Konzept ist manchmal erst sinnvoll, wenn es ungemacht bleibt, das hat schon Ilja Kabakov in seinem Palast der Konzepte definiert. Alles was geht muss man nicht tun. Die Atombombe konnte gebaut werden, also wurde sie auch gebaut. Der gute Wille mag ja eine wesentliche Hinwendung gewesen sein, aber der gute Wille eines Künstlers kann nicht gleichzeitig die Rechtfertigung für jedes künstlerisch gemeinte Grossprojekt sein. Die fahrlässig naive Art Gormleys wird deutlich bei seiner Aussage, das die Figuren keine Skulpturen darstellen, sondern Orte an denen Menschen gewesen sein können: frommer Wunsch oder schon Geschwafel? Eine überheblich geführte Kunstdiskussion und ihre künstlerische Produktion entwickelt Tendenzen wie der Satelitenschrott im Orbit.
Man muss zusehen, daß man ihr ausweicht.
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