Titelseiten sind nicht lustig. Titelseiten haben eine Aufgabe. Titelseiten machen Stimmung. Selbst die Süddeutsche Zeitung bringt heute den Giacometti als teuerste Kunst-Versteigerung aller Zeiten auf die erste Seite. Die vermittelte Information bleibt eher dürftig: einige Kunstanleger oder im besten Fall Kunstliebhaber sind weiterhin bereit ihre extragroßen Portokassen für gute Arbeiten der Moderne zu öffnen. „Was solls?“, könnte man denken. Jedoch fällt auf, dass sich die Spirale der Preise im Kunstsektor – trotz der tatsächlich existierenden wirtschaftlichen Problematik vieler Menschen – auf einer gewissen Ebene weiter nach oben dreht. Titelseiten machen also Stimmung. Stimmung vielleicht dafür, dass es in einer Zeit, die keine sinnvolle globale Weiterentwicklung bei den nuklearen, geopolitischen und ökologischen Interessensfeldern der Menschheit bietet, dennoch Werte gibt für die es sich lohnt, mit dem hoch vernetzten und in Teilen menschenverachtenden kapitalistischem System bedingungslos fortzufahren? Für die Eigner von Sotheby’s und Co. ist das Ergebnis nur folgerichtig, nach ihrer Kopplung des Auktions- und messedominierten Kunstmarktes und den Interessen der industriellen Eliteprodukte aus dem Mode-Lifestyle-Sektor, die ja alle von einigen wenigen Händen verwaltet werden. Ein Schelm ist also, wer bei Titelseiten an PR denkt. Für diejenigen die es sehen wollen, ist die Höhe der Kunstpreise ein sicherer Ausguck über die glitzernde Leere der in den Museen gepredigten Ersatzreligionen. Dort wird verzweifelt versucht eine sehr angestrengte Übung durchzuhalten: den Spagat zwischen musealem Bildungsauftrag, der durch viele Besucher sinnvoller scheint, und finanzpolitischen Interessen. Das klingt auch im Bekenntnis von Raimund Stecker an, der sofort nach Bekanntgabe des Millionen-Loses die verstärkte Bewachung der Giacomettisammlung seines Duisburger Museums ankündigt. Was bewacht ist, muss eine Attraktion sein – im Hintergrund sieht man die Kronjuwelen glänzen. Verständlich, dass auch die Duisburger vom Rekordverkauf profitieren wollen. Ein Besuch bei den Giacomettis ist allerdings nie umsonst.
Bild: „A-giacometti-ghost-extended“ © crschulz kulturproduktion, Düsseldorf 2010
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