Donnerstag, 11. März 2010

PHÄNOMENAL zeigt junge Kunst in der WGZ Bank
























 Eine Kunstausstellung „Phänomenal“ zu nennen, erzeugt natürlich eine regelrechte Begriffsautobahn, auf der sich Goethe, Lambert, Husserl oder Heidegger mit den zugehörigen phänomenologischen Einsichten in ihren intellektuellen Karren gegenseitig überholen können. Eine regelrechte Freude für Kuratoren und Kulturjournalisten. Letztendlich geht es auch bei diesen Philosophen einfach nur um Wahrheit, Irrtum und Schein, um die Wahrnehmung all dieser Dinge. Unmittelbarer kann man die Wesenheit von Kunst mit ihren Unsicherheiten derzeit nicht auf den Punkt bringen.
Wenn sich die diesjährige, von der WGZ Bank Düsseldorf bereits zum dritten Mal durchgeführte Ausstellung von Meisterschülern und Absolventen der Kunstakademie Münster gut in das kulturelle Klima eingebettet zeigt, muss das an vielen funktionierenden, qualitativen Faktoren liegen.
Wer zuhörte, konnte bereits bei der Eröffnung festzustellen, dass für die Kunst-Verantwortlichen der Bank Sensibilität und Veränderung offenbar erwünschte Größen sind. Das verdient gerade in dieser Kombination Respekt, das sortiert sorgsam gepflegte Vorurteile aus. Die Eröffnungsansprache von Bank-Kulturchef Thomas Ullrich war kurzweilig und klar, wie die folgende Einführung von Prof. Ferdinand Ullrich eben diesen Namen absolut verdiente. Er steuerte den hochinteressanten Katalogtext bei, der sich sensibel mit den Lebens-Bedingungen von Künstlern und den Lehrinhalten in Akademien auseinandersetzt. Das verdient Beachtung, denn solange es solche profunden Überlegungen an Kunstakademien gibt, dürften Gedanken an die Abschaffung dieser freien Ausbildungsstätten obsolet sein.
Zusammengestellt wurden Künstler und Kunstwerke von Ralf Hartweg und Wolfgang Spanier, die Ihr kuratorisches Können durch ein hohes Maß an Künstlernähe und der erstmaligen, überfälligen Einbettung von anderen künstlerischen Medien wie Fotografie und Video gut zeigen konnten. So waren auch Reflexionen in Richtung Malerei möglich, die selbstreferentiell mittels des guten alten Tafelbild nicht möglich gewesen wären – Beispiele sind da z.B. die Fotografien Jörg Linnemanns oder die Mixed-Media Video-Arbeit von Anja Claudia Pentrop.
Künstler die gerade ihr Studium abgeschlossen haben, müssen nicht fertig sein, der zusätzliche Reiz ihrer Arbeiten liegt in der noch vorhandenen Offenheit und in der Nähe zum Experiment. Um so mehr freut bei dieser Ausstellung, neben der Freude über das Fehlen plakativ-extremistischer Werke, die sich immer wieder anders zeigende große Klasse mancher Bilder und Skulpturen. So wirkt die Elefanten-Plastik von Sun-Hwa Lee gerade aufgrund ihrer scheinbaren Einfachheit des Ansatzes oder wegen der verunsichernden mitteleren Größe, lange im Kopf nach. Anfängliche Zweifel weichen jedoch bald der Einsicht, das die Künstlerin hier auf geheimnisvolle Art alles richtig gemacht hat. Genauso bemerkenswert sind die etwas verstörenden Fotografien (und Performances) von Bianca Voss. Durch reale Widergängermodels aus Comic/Film oder der Einbindung der eigenen Person spielt sie gekonnt und ohne plakative Übertreibung mit unseren Vorstellungen und den Rollen in der Fotografie. Eine malerische Entdeckung ist auch Marianne Völker und Daniela Neuhaus (Bild oben), die gerade mit kleineren Formaten nachhaltige Wirkung hinterlässt. Die Ausstellung  ist demnach gelungen, was selbst durch die etwas schwierige Raumsituation, einen durch vier Eckstellwände nach innen verdoppelten Raum, nicht verhindert wird. Diese Aufteilung ist vermutlich dem fulminanten Andrang bei der Eröffnung geschuldet. Somit hatten die etwa 400 anwesenden Besucher, von denen etliche als Größen des nationalen und internationalen Kulturbetriebs identifiziert werden konnten, ausreichend Platz, um eine gelungene, mit spannenden Positionen versehene Ausstellung durch ihr Kommen zu fördern. Denn der Fördergedanke und die Nähe zu den Akademien Düsseldorf und Münster ist es schliesslich, der diese Ausstellungsreihe vor sechs Jahren begründete.
Um den Kreis zu vollenden, möchte ich mit einem philosophischen Begriff aus der Theorie der Phänomene, der sogenannten „Abschattung“, die einen so deutlichen Bezug zur Malerei hat, zum Ende kommen. Sie bezeichnet die Tatsache, das wir Menschen die Dinge nie mit einem Blick vollständig werden sehen und erfassen können, was in der Perspektive, also unserem Standpunkt begründet liegt.
In Bezug auf die Lebendigkeit der Kunst ist dies ein durchaus nützlicher Umstand. Er wird hoffentlich junge Künstler weiterhin motivieren, die sich abdunkelnden Erkenntnislücken phantasievoll zu beleuchten.
Empfehlenswerte Ausstellung.


Die Künstler:
Jihoon-Ha, Sujin Kim, Barbara Kupfer, Sun-Hwa Lee, Jan Linnemann, Daniela Löbbert, Nico Mares, Bettina Marx, Daniela Neuhaus, Anja-Claudia Pentrop, Marianne Völker und Bianca Voss wurden zur Präsentation bei „Phänomenal“ ausgewählt.
Die Kuratoren:
Ralf Hartweg (WGZ Bank), Wolfgang Spanier
Ausstellungdauer: 10. März – 16. April 2010, WGZ Bank Düsseldorf

Ein Katalog zur Ausstellung „Phänomenal“ mit Texten von Prof. Ferdinand Ullrich ist erschienen:
 ISBN 978-3-00-030320-3

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