Freitag, 14. Oktober 2011

Droste Verlag: zweifelhafter Stadtteilführer „Flingern“

Flingern, Kiez, Kunst, Kultur im Droste Verlag

























Der Düsseldorfer Droste Verlag ist dabei, eine Reihe kleinerer Stadtteil-Führer, also Teilansichten der Stadt herauszugeben. Das dürfte alle diejenigen freuen, denen die bisherigen Stadtführer zu wenig spezialisierte Informationen zu bieten hatten und denen Lokalkolorit wichtig ist. Das neueste, 128 Seiten starke Heft handelt vom Stadtteil Flingern. Es ist trotz der vielen Gentrifizierungsdiskussionen der letzten Zeit mit „Kiez, Kunst und Kultur“ untertitelt. Das Buch handelt – etwa zur Hälfte – von der Geschichte Flingerns, mit Beschreibungen zu Stadtgeschichte und Architektur, die bis in die heutige Zeit hineinreichen und Besuchern und Einheimischen kleine Einblicke in Ihre Umgebung geben können. Allerdings lässt sich schon bei den Bildern des Stadtwerke-Parks das Foto eines Pavillons erkennen, das definitiv geschönt wurde oder viele Jahre zurückliegen muss. Mit der aktuellen und ästhetischen Lage vor Ort hat es nichts mehr zu tun.
Auch bei den Auflistungen der aktuellen Szene-Läden und sogenannter In-Treffs im Stadtviertel fehlen viele der wichtigen und prägenden Läden. Es scheint so zu sein, daß die Autorin des Heftes womöglich eine Auswahl getroffen hat, die von anderen Kriterien abhängig gewesen sein könnte, als von halbwegs objektiven. So fehlen die tatsächlichen und sympathischen In-Plätze wie das langjährig in Flingern ansässige „Café Rekord“ – letztes Jahr von einem renommierten Schweizer Verlag zu einem der hundert schönsten Cafés erklärt – ebenso, wie das „Oma Erika“, ein jeden Tag aus gutem Grund übervolles Café (das Bild der Galerie Leuchter wurde sogar aus der Café-Perspektive aufgenommen). Die echten Feinschmecker werden das zentral auf der Ackerstrasse gelegene „Haschi's“ im Buch vermissen, in dem einer der besten Köche Düsseldorfs mit seiner Frau exzellente Crossover Küche anbietet und gelegentlich der Fussballer Raoul oder der Kaberettist Dieter Nuhr vorbeischauen. Ganz zu schweigen, das von ambitionierter französischer Küche inspirierte kleine Restaurant „Chat noir“ auf der Herrmanstrasse. Es fehlt auch das echte Szene Restaurant „Vitale“ oder das super gelegene vegetarische Restaurant „Sattgrün“. Das gleiche gilt für eine echte Tradition: „Die Erbse“ hat Flingeraner Künstler und Musiker schon mit Kaffee und leckerer Küche versorgt, als beinahe alle im Buch aufgelisteten Lokale noch gar nicht da waren. Es ist nicht im Buch. Da wundert es nicht mehr, wenn das andere gute Lokal der gleichen Besitzer ebenfalls nicht im Heft ist. Vergessen worden sein kann es nicht, denn die gleichnamige „Flurklinik“ ist als ehemalige Entbindungsklinik natürlich beschrieben. Christiane Wink, als eine der innovativsten jungen Schmuck-Designerinnen des Viertels fehlt mit Ihrem wunderschönen Laden „Privat“ ebenso wie der unbedingt sehenswerte Flingeraner Anglerladen fünfzig Meter weiter. Auch nicht zu finden: das vom renommierten Designer Axel Wowereit wunderbar klar gestaltete „Noema“ auf der Hoffeldstrasse, einer der Top Adressen der Stadt, wenn es um Haare geht. Unerwähnt bleiben auch die beiden, im Sommer lange Schlangen bildenden Eiscafé des Viertels. Oder der Germany's next Top Model-Friseur „St. Pauli Blond“, der mit seinem großen Laden auf zum Teil spektakuläre Art und Weise versucht, Kultur, Mode, Party und Lifestyle zu verknüpfen – schon beinahe ein Kulturzentrum ... eindeutig ein Hingucker, wichtig fürs Viertel. Alle soeben aufgezählten Orte zählen zu den eindeutig „bildgebenden“ Momenten der Kultur in Flingern. Warum sind gerade diese nicht in einem gerade erschienenen, halbwegs aktuellen Heft? Alle diese Plätze und ihre Menschen verbindet wohl die fehlende oder ausreichend grosse Beteiligung an den gewerblich orientierten Werbe-Aktivitäten der Autorin, Frau H.-Kranz, im Vorfeld.
Da dies ein Blog über Kultur und Kunst ist, will ich auch über die im Heft auftauchenden, für Flingern exemplarisch erscheinenden Künstler sprechen. Ich hege ständige und große menschliche Sympathie zu den sechs beschriebenen Künstlern Herrn Bouchet, Frau Spook, Herrn Wanner-Krause, Frau Dembny (hat übrigens ihr Ackerstrassen-Atelier vor langer Zeit schon aufgegeben), Frau Etienne oder Frau Felicitas Lensing-Hebben. Der Stadtteil ist jedoch voll mit offener orientierten Künstlerateliers, daher muss ich es so deutlich sagen: die im Buch getroffene Auswahl ist, bis auf eine Ausnahme recht provinziell und schadet dem Kunststandort, der über so viele engagierte und professionell arbeitende Künstler verfügt, eher als er nutzt. Hier war die Autorin im besten Fall zu faul zur Recherche.
Das gegen Ende des Buches, auf mehreren Seiten redaktionell eingebunden, die Autorin Ihre eigenen, gewerblichen Aktivitäten zu den Leistungen und Besonderheiten Flingerns dazu zählt, macht den zweiten Teil des Heftes leider nicht angenehmer. Das ist letztlich schade und ruft eigentlich nach einem neuen Stadtteilführer, der mehr quaitative Einblicke vermitteln und tatsächlich aktuell sein könnte.
Der ansonsten seriöse Droste-Verlag muss sich fragen, ob ein solcher Führer professionellen Merkmalen und Ansprüchen genügt.

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