Dienstag, 19. Juli 2011

Kunstpalast: Mosebach hat ein Herz für Museen.


Heute ins Museum oder zu McDonalds?




















Einer Rede des Autors Martin Mosebach anlässlich der Eröffnung des Museum Kunstpalast folgend, sollen wir das Museum wieder als unser unbezahlbares Schatzhaus begreifen lernen. Laut eigener Schlussfolgerung hat Herr Mosebach für sich und für uns alle erkannt, dass jenes lebendig sein soll, wofür auf Dauer Geld ausgegeben werden muss. Ob das von ihm hierfür aktivierte Schatzhaus griechischer Prägung als Hort wiedergewonnener Inhalte tatsächlich fungieren kann, bleibt zu klären. Wer den derzeit monetär ausgerichteten Charakter der Museen in der öffentlichen Wahrnehmung wieder verschieben will, sollte sich nicht unbedingt ein antikes Vorbild nehmen, das nachweislich und gerne zur Manifestation von Sieg und Größe des Stifters zwar mit Weihegeschenken angefüllt wurde, jedoch waren eben diese weihevollen Exponate immer wieder Waffen, Rüstungen und Insignien von Macht und Unterwerfung anderer. Den geistigen Wert dieser Dinge im Nachhinein und im Vergleich auf die heutige Zeit bewerten zu wollen, kommt wüster Phantasie sehr nahe. Eine solche Haltung mag manche Autoren ausweisen, es kann jedoch auch als eine deutlich reaktionäre Einstellung gelesen werden: Museen sollen sich zwar entwickeln, aber bitte im Geiste unserer griechisch-geistesgeschichtlichen Wiege. Diese wird gerne aufgerufen, wenn es eng wird. Warum sollten wir irgendwelche alten Emotionen des Sammelns wieder in uns erwecken wollen? Damit Museen überleben? Ja, müssen sie das denn – und wer hat das gesagt?
Ganz im Gegenteil ist festzustellen: es wird auch privat so viel gesammelt wie nie zuvor. Das Museum zeigt sich zudem als eine neue Innenstadt-Mall: demnächst hat jedes Städtchen eine. Ein Muss. Es ist deutlich profaner als wir es wahrhaben wollen. Das Baugeld ist in den chronisch klammen Kassen der Städte (man wundert sich!) offenbar mehr als genug vorhanden,  dem Tourismus gefällt es und die Kirchen sind sowieso unbrauchbar. In jedem Museum trifft der Besucher seine Künstler wieder, man kennt sich ja schon, ein bisschen ist es wie bei McDonalds, der schnell sättigende Geschmack ist schon vor einem da. So ist man in jeder Stadt gleich ein bisschen zuhause. Und jene Museumsleiter, die sich auf junge aktuelle Kunst spezialisiert haben, glauben vermutlich tatsächlich, sie könnten die Entwicklung aufhalten. Aber man holt sich nicht das Leben ins Haus, wenn man sich Bilder vom Leben aufhängt. Viele ahnen bereits dunkel, dass das nicht mehr lange funktionieren kann. Irgendwer wird demnächst mal nachfragen ...
Unsere gesellschaftliche Umsetzung der Idee von Freiheit hat längst dazu geführt, dass der öffentliche Bildungsauftrag, der mit dem musealen Gedanken für lange Zeit verbunden war, eigentlich ad-acta gelegt werden muss. Im Fernsehen ist dieser Gedanke längst aufgegeben worden. Die öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender unterscheiden sich kaum noch in der Auswahl der Inhalte. Den Museen droht ebenfals Ungemach, nach den Kirchen werden in absehbarer Zeit auch die Museen nicht mehr als Horte des Hehren und Schönen gesehen werden, sondern als Orte idealisierter Insider-Entscheidungen (auch wenn man das bedauern kann). Es werden hohe Räume bleiben, einige Bilder und Ahnungen großer Verehrung. Eine interessante Analogie. 
Die Zeit, bzw. das Internet haben die Werte-Selektion und den Zugriff auf zugehöriges Wissen längst in die Entscheidung jedes einzelnen Menschen verlegt. Die häusliche Sammlung, die Identifikation mit der internen Kunstvorstellung wird in der Zukunft maßgeblich sein und Wertebegriffe immer wieder verlagern. Dies wird Kunst und Politik verwandeln, denn der öffentliche Raum, die Strassen und Plätze oder die Datenströme werden zu Stätten der Kunst und der Diskussion werden. Genau dort wird auch jener Riss verschwinden, der mit der Trennung des Werkes von Entstehung und Aufgabe verbunden ist. Wenn ich darüber nachdenke, hört sich das alles kulturell lebendiger an, als jeder rückwärtsgewandte Versuch selbstbewusste Menschen erneut zu Verehrungsritualen gegenüber Bildern zu überreden. Verehren ist vorbei. Bewundern reicht völlig.
Und sich selbst ein Bild machen ist auch gut.

Zum nachlesen: die vollständige Düsseldorfer Ansprache von Herrn Martin Mosebach in der SZ vom 19.07.2011, Seite 19

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