Die bedrückende Gewissheit der eingetretenen Katastrophe in Teilen Japans erzeugt auf allen Kontinenten der Welt beispielhaften Leidensdruck und politische Unsicherheit. Was machen eigentlich die Künstler mit dieser, menschlich und sozial gesehen, extremen Situation? Eine Methode, eine Art Reflex, scheint die Organisation von Benefizkonzerten jeglicher Art – gekoppelt mit den notwendigen Spendenaufrufen zu sein. Andere Künstler haben eine Kette von Film-Festivals anlässlich der Katastrophe organisiert. Nicht nur Autoren in Zeitungs-Feuilletons verbinden Kunstproduktionen und Ausstellungen mit der hellseherischen Sicht vieler Künstler auf solche Desaster. Fotografen zeigen in Dia-Shows und Fotostrecken ästhetisierte Bilder aus den Krisenregionen innerhalb des Pressekosmos Internet. Mode-affine Gestalter erfinden Jutetaschen mit Roter-Punkt-Japan-Motiv und einer zehnprozentigen Spende vom Kaufpreis für die Opfer. Wenn das Poster „The Great Wave of Kanagawa“ von Hokusai unter den ersten Treffern bei Amazon steht, ist das ein Resultat der internationalen Hinwendung zum Land der aufgehenden Sonne? Das Wiener Dorotheum versteigerte Kunst für die Opfer des letzten Tsunamis. Blogger posten die bereits hundertfach von Pressorganen publizierten Videos der Flutwelle wie ein tausendfach wiederholtes Echo erneut. Warum eigentlich? Es gibt schon wieder Kunstmaler, die, wie schon 2005 Bilder machen die „Tsunami 1-10“ heissen. Ein Fotograf der bereits voyeuristisch motivierte Einlicke in japanische Privaträume zu seinen Leistungen zählen kann, hat jetzt zur Spendenaktion für Japan aufgerufen. Sie ist nur zufällig mit seiner Ausstellung gekoppelt. Der Bachsche Titel „Ich hatte viel Bekümmernis“ des Dresdner Kreuzkirchen Benefizkonzertes korrespondiert ebenfalls einzigartig mit dem Geschehen in Japan. Designer in Social Media Agenturen entwickelten elektronische Spenden-Badges zur permanenten Einbindung bei Facebook mit dem Hinweis, „... sodaß jeder sehen kann, daß man Japan helfen möchte.“ Der landläufige Satz: „Tue Gutes und rede darüber“, war vermutlich noch nie so richtig wie zu Facebookzeiten. Jeder will helfen, was könnte daran verwerflich sein? Die unbedingte Koppelung der eigenen, mehr oder weniger künstlerischen Produktion an die humanitäre Hilfe stimmt kulturell nachdenklich und lässt befürchten, daß das nächste wirkliche Unheil dem unbedingten Wunsch nach totaler Solidarität entspringen könnte.
Künstler verorten sich gerne auf der guten Seite. Entweder Lena oder Berge von Leichen versprechen eine Menge neuer emotionaler Freunde: ein gemeinsamer sozialer Nenner.
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