Dienstag, 15. März 2011

Die Rolle des Künstlers nach Berger

„Selbstportrait im fremden Bild“, Carsten Reinhold Schulz, 2011




















Es gibt zum Glück immer wieder Äusserungen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die ein wenig Licht auf die Rolle des Künstlers in heutigen europäisierten Gesellschaften werfen können. So äusserte sich Mathias Berger (in der SZ), seines Zeichens Leiter der Psychotherapeutischen Klinik in Freiburg und erklärtermaßen einer der führenden Köpfe der Psychotherapie, das „ ... die Therapeuten sich nicht wie Künstler gerieren sollten, die an etwas herumbasteln ...“, das sei „Eklektizismus“ – gemeint ist vermutlich versatzstückhaftes Arbeiten. Diese Vorstellung von der Arbeit des Künstlers ist hochinteressant und hat sich abseits der Kunstproduktion offensichtlich durchgesetzt. Es erscheint die künstlerische Tätigkeit als ein, weil bruchstückhaft oder „bricolierend“, von ernst zu nehmender wissenschaftlicher Arbeit strikt zu trennender Prozess. Somit schwebt die Vorstellung künstlerischer Arbeit heute tatsächlich übergreifend zwischen dem gerne beanspruchten genialischen Moment, dessen Ursache den meisten Menschen jedoch unklar bleibt, und einer schwärmerischen Fleissarbeit. Dennoch bestehen die Liebhaber von Kunst auf ihrem inhaltlichen oder formalen Mehrwert, der jedoch offenbar nur für relativ kleine Interessensgruppen repräsentativ zu bestimmen ist. Eine gesellschaftliche Bedeutung bekommt der größte Teil heutiger Kunst, da sie schon lange nicht mehr zu breitgefächerter Diskussion führt, noch mittels der plakativ-medialen Darstellung und haltloser Preise. Die Künstler selbst, bereits marktorientiert erzogen, bleiben zwischen den Stühlen stehen: auf der einen Seite müssen sie die eigentlich überlebte Präsenz des genialen Menschen aufrecht erhalten, der ihnen zum persönlichen Selbstverständnis zusätzlich den monetär unangreifbaren Teil des Bildwertes verspricht. Eine quasi göttlich vergebene Genialität scheint, trotz einer beispiellosen Zahl von Kirchenaustritten, erstaunlicherweise auch heute noch so gut wie unanfechtbar und stillt bereits das inhaltliche Verlangen nach ausgehandelten Substituten vieler Kunst-Käufer. Die sogenannte kreative Genialität sprudelt jedoch aus uralten Quellen lang gepflegter christlicher Erhöhungen, mit denen – im Gegensatz zu heutiger Auffassung – stets eine direkte Funktion des Schaffenden und seiner Arbeit verbunden war. Diese pseudo-religiös basierte Wertegrundlage widerspricht diametral den heutigen, beinahe ausschliesslich atheistisch ausgerichteten Künstlern. Die Entwicklung der Kunst hin zu einer psychlogisch motivierten, selbstreferentiell ausgesteuerten Tätigkeit, mit wiederholten, ermüdenden Bezügen zu bereits vorgelebten Formen künstlerischer Entwicklungsgeschichte, ist möglicherweise nur ein verklärter Ausweg aus dem Dilemma des Künstlers, der endlich neue gesellschaftliche Wege und Aufgaben auftun müsste. Dieses nicht zu übersehende Vakuum ist eine mögliche neue Aufgabe heutiger überpolitisch arbeitender Künstler. Die losen Enden zu verbinden sollte keine Aufgabe der Psychotherapie bleiben. Nach Herrn Berger versucht sie selbst gerade ein mehr wissenschaftlich fundiertes Terrain zu erreichen. Warum eigentlich?

Neue Formen der Kunst kann man hier ansehen und einstellen.

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