Mittwoch, 14. Juli 2010

Kunsthalle Bielefeld zeigt und Rirkit Tiravanija kocht


























Die offensichtliche Verwirrung des angeblichen „anything goes“ auf dem Sektor der Kunstreflexion führt manche Kuratoren in immer neue thematische Verirrungen und hinein in den starken Sog vollständiger inhaltlicher Schwerelosigkeit.  Bielefeld bespielt seine Kunsthalle mit einer Ausstellung  von Rirkit Tiravanija. Sie heißt – praktisch alles vorwegnehmend:„ Just smile, don't talk.“ Fluxus lautstark zu mögen und die Kunstferne der eigenen Kunst-Produktion als den Inhalt spiegelnd anzubieten ist ein stets süß bleibendes Geschenk aus der Mottenkiste revolutionärer künstlerischer Ideen. Zumal man den Besuchern sofort mit Suppe das meuternde Maul stopft und dies gleichzeitig als startende Kommunikation versteht. Bei einem Radio-Feature der Ausstellung erfährt man dann im Kuratoren-Interview auch einiges von den zum Kochevent parallel gezeigten großartigen Filmen, wie Fassbinders „Angst essen Seele auf“ oder „Die glorreichen Sieben“ als Spaghetti-Western. Über diese hochwertige filmische Qualität lässt sich gut sprechen – nur, was haben diese Filme wirklich dort zu suchen. Der Verdacht liegt nahe, daß hier auf sehr simple Art und Weise ein brüchiger theoretischer Überbau zusammengeklebt wird. Mit dem angesprochenen bigotten TV-Dinner für Kunstfreunde wird auf sehr schlichte Art die intentionale Einstellung des Künstlers durchgewinkt, der, in Deutschland und anderswo ein politisch unangreifbares und beliebtes Thema, die kulturellen Unterschiede und Formen der kulturellen Integration als sein zentrales Thema verstehen will. Aber aus der Farbe Blau der heissen Kochflamme oder dem Gelb-Rot des Curry ist eben nicht in jedem Fall ein Bezug zur Kunstgeschichte, geschweige denn zur Malerei zu konstruieren. Essen anzubieten und dies als Start eines Gesprächs über wichtige Fragen des Lebens in einen künstlerischen Zusammenhang zu stellen ist nur dann ein ernstzunehmendes Angebot, wenn sich weiterhin innerhalb des Bezugsrahmens fragen lässt, wo die Kunst denn im Spiel der Gewürze geblieben ist. Eine verkrampfte Verknüpfung durch Aussagen wie: „ Kochen ist Kunst“ und „Als Deutscher kocht man Flädlesuppe“ ist weder lustig noch ist es heutig; eine vertane Chance, baut sie doch letztlich auf dem Jargon von Rassen-Klischees und gesellschaftlichen Zusammenhängen auf, die sogar einer zynischen „pre–fab“ Einstellung, bezogen auf die künstlerische Sicht dieser Ausstellung, entspringen könnte.
Nach den Ausführungen lässt sich abschliessend bemerken, daß sowohl dem Künstler als auch den Kunstvermittlern die passenden Zuordnungen abhanden gekommen sind. Ein deutliches Indiz dafür, dass beide noch stets dem kulturell übergeordneten, veralteten, in Teilen unehrlichen Kunst-System verpflichtet sind. Man möchte Herrn Tiravanija zurufen: „Hey, Rirkit, draussen kochen! Da kommt mehr Luft ans Feuer ...“
Identität und kulturelle Integration köcheln weiter auf kleiner Flamme.


„Just smile-don't talk."  
 Rirkit Tiravanija,
Eintritt vermutlich inklusive Suppe,
Kunsthalle Bielefeld.

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